Bürgerbegehren in Mülheim

Im ND v. 31.08.07 schreibt Manfred Wieczorek, Mülheim:
Städtische Kliniken und Altenheime werden privatisiert, Kanalisationen verkauft und wieder zurückgemietet. Oft ist es die pure Finanznot einer Kommune, die zu abenteuerlichen Finanzkonstrukten führt. Ebenso oft ist es das erklärte Ziel der Politik, die öffentliche Hand zurückzudrängen. So propagiert die CDU/FDP-Landesregierung von Nordrhein-Westfalen offen: »Privat vor Staat«. Doch Bürger wehren sich, teils erfolgreich, gegen die Privatisierungswelle.
Ein vor gut zwei Jahren in Mülheim an der Ruhr gefasster Bürgerentscheid war historisch: Es war der erste vorbeugende Beschluss gegen die Privatisierung von Einrichtungen der öffentlichen Daseinsvorsorge insgesamt. Über 27 000 Menschen stimmten mit »Ja«, womit das nötige Quorum von 20 Prozent der Wahlberechtigten erreicht war. An den Beschluss war die Stadt zwei Jahre gebunden. Anlass war die geplante Privatisierung von Altenheimen. Zwar wurde eine andere Lösung gefunden, doch ein Bündnis aus Bürgerinitiativen, den Ratsfraktionen der Grünen, Mühlheimer Bürger Initiativen (MBI) und von WIR aus Mülheim, der Gewerkschaft ver.di sowie Globalisierungsgegnern wollten weiteren Begehrlichkeiten einen Riegel vorschieben. Sie setzten den Bürger-entscheid durch.
Mit dem breiten oppositionellen Schulterschluss ist es inzwischen vorbei.

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Bahnprivatisierung: Kommentar von Arno Luik (Stern)

Bahnchef Hartmut Mehdorn will 49 Prozent Bahn an Börse verhökern. Für mögliche Käufer, von Gasprom bis hin zu arabischen Investoren, wäre das ein Schnäppchen, für die Bürger ein Desaster. Demnächst entscheidet der Bundestag. Auszüge eines Plädoyers von Arno Luik aus dem „Stern“ (29.8.07)
Da ist etwas – je nach Schätzung – zwischen 100 und 200 Milliarden Euro wert. Knapp die Hälfte von diesem teuren Ding soll verkauft werden. Der Besitzer rechnet mit einem Verkaufspreis von vier bis acht Milliarden Euro. Und ist sehr, sehr glücklich. Verrückt? Nein, das ist hohe Politik, im konkreten Fall nennt man das: Privatisierung der Bahn.

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Rußland: Daten zur Privatisierung

Nach Angaben der Staatlichen Statistikbehörde nimmt der Umfang des Staatssektors in der Wirtschaft zwar in den absoluten Zahlen zu, in den relativen Zahlen hat er sich aber stabilisiert: 2000 entfielen 43 Prozent der Grundfonds (umgerechnet 200 Milliarden Euro) auf das Staatseigentum, 2005 waren es 40 Prozent (rund 400 Milliarden Euro). 2005 wurde der Staat zum größten Teilnehmer des Fusionsmarktes: Allein der Erwerb der Ölgesellschaft Sibneft kostete Gasprom 13 Milliarden Dollar. Der Staatsanteil an diesem Markt belief sich laut Mergers.ru auf 30 Prozent. Beliefen sich die Einnahmen aus der Privatisierung 2005 auf rund eine Milliarde Euro (weniger als 80 Prozent des Plans), so waren es 2006 514 Millionen Euro (weniger als 50 Prozent des Plans).

Einkommen in Reichlands Zentralprovinz

peter-hutter-1.jpgWie stark sich die geradezu explodierende Einkommensungleichheit in den USA auf eine winzige Spitzengruppe fokussiert deren Position zunehmend das jahrhundertalte Gefüge kapitalistischer Einkommensungleichheit zu sprengen beginnt, zeigt eine spannende Kontroverse, die nur wenig Resonanz über US-amerikanische Medien hinaus hatte. Im März 2007 hatte u.a. die New York Times in mehreren bemerkenswerten Beiträgen auf Analysen zur Einkommensentwicklung in den USA aufmerksam gemacht:

Was sind die wesentlichen Punkte dieser Entwicklung?

chart1.gifDie aktuelle Situation wird mit dem Goldenen Zeitalter vor dem ersten Weltkrieg verglichen – seit den 70ern entstanden erneut die Figuren der Barone und Tycoone des (nun neoliberalen) Kapitalismus. Gates und Buffett gehören nun zur Gruppe der „30 reichsten“ Amerikaner in der US-Geschichte. Und es geschah ein drittes Mal, was zuvor nur 1915/1916 und dann in den 20ern geschehen war: das oberste 1/100 Prozent (also etwa 15 000 Familien) mit einem Einkommen von mindestens 9,5 Mio. $ im Jahr eignet sich fünf % des Einkommens aller Amerikaner an (das Durchschnittseinkommen in dieser Gruppe betrug 2005 25,7 Mio $). Ähnliches gilt, wenn man das oberste 1 Prozent betrachtet: diese Gruppe mit einem Jahreseinkommen ab 348 000 $ hat mit 21,8 % (2005) ihren Anteil seit 1980 mehr als verdoppelt und seit 1928 keinen vergleichbar großen Einkommensanteil mehr erreicht; ähnliches gilt für die oberen 10 % (ab 100 000 $).

Insgesamt entspricht 2005 das Einkommen dieser 300 000 Amerikaner an der Spitze der Einkommens“pyramide“ mit 48,5 % fast dem Einkommen der „unteren“ 150 Millionen Amerikaner; das durchschnittliche Einkommen in der oberen Gruppe lag 440 Mal höher als das durchschnittliche Einkommen der übrigen Amerikaner. Die Ungleichheitsspanne hat sich krass vergrößert: in den späten siebziger Jahren lag der Anteil dieser „Top Ten“ noch bei ca. 33 %, 1928 waren es 49,3 %. Das bedeutet auch: die Einkommenszunahme seit den frühen 80ern geht fast ausschließlich auf das Einnahmenwachstum des obersten Prozent zurück. 29taxgraphic190.jpg

Der Präsident der USA George Bush vermerkte denn auch am 31.1.2007 völlig richtig: „The fact is that income inequality is real; it`s been rising for more than 25 years.“

Reichlands Versorgungssektor

skyDie Produktion von Luxuswaren und -diensten zur Versorgung der Einwohner Reichlands expandiert – im Moment ein Markt um die 150 Mrd $. Mittlerweile gibt es sechs relevantere Indexe, u.a. den World Luxury Index von BNP Paribas SA (in Kooperation mit der Deutschen Börse), der 20 nach der Marktkapitalisierung global führenden Konzerne mit einem täglichen börslichen Mindestumsatz von 5 Millionen $ aus Reichlands breit gefächerter Luxusgüterindustrie umfasst. Das sind 8 Unternehmen aus den USA (Starwood Hotels, Coach Inc., Harman, Tiffany & Co., Toll Brotrhers, Polo Ralph Lauren, Sotheby`s und Callaway Golf); aus Frankreich kommen die Luxuskonzerne Christian Dior, Louis Vuitton, Moet Hennessy und Hermès International; je zwei Unternehmen kommen aus England (Burberry und Carnival Plc.) bzw. Italien (Bulgari, Luxottica Group). Hinzu kommen noch vier weitere Unternehmen (Porsche, dann Shiseido aus Japan, Bang & Olufsen aus Dänemark sowie die Royal Caribbean Cruises). Sie kommen aus den Branchen Private Banking, Luxusautomobile, Luxushotels, Premium Lebensmittel, Bekleidung, Schmuck, Kosmetik, Einrichtung, Haushaltsgeräte, Elektronik. Neben diesem zentralen Index spielen weiter eine wesentliche Rolle die Indexe der ABN Amro Holding NV, der Deutsche Bank AG’s DWS,  von Merrill Lynch & Co. und der UBS AG. Hinzu kam nun vor ein paar Tagen der Index von CurtCo Media (u.a. Herausgeber des Robb Reports), dessen neuer Global Luxury Index im wesentlichen Konsumgüter zusammenstellt. 18 der 42 Unternehmen werden in US-Börsen gehandelt. Es gehören dazu Häuser wie LVMH, Richemont und PPR; Modefirmen wie Hermes, Burberry, und Ralph Lauren; Finanzdienstleister wie Wilmington Trust, Julius Bär, UBS, Goldman Sachs und Credit Suisse; Handelsfirmen wie Saks und Nordstrom; die Juwelierfirmen Tiffany & Co. und Harry Winston; die Flugzeugfabrikanten Dassault und Embraer-Empresa; Alkoholikaproduzenten wie Remy Cointreau und Pernod Ricard; die Automobilfirmen Porsche, Daimler Chrysler und BMW oder die Wohnungsversorger Starwood und Mandarin Oriental.

Merrill Lynch geht davon aus, dass die Luxusmärkte von Japan, Italien, Frankreich sowie England in den nächsten Jahren an Bedeutung gewinnen werden – am wichtigsten werde aber die die Versorgung der chinesischen Reichen, die 2014 ein Viertel des globalen Umsatzes machen werden und damit den Markt dominieren werden. Noch aber ist China weit davon entfernt, selbst ein global Player der Luxusindustrie Reichlands zu sein.

Die Eigentumsfrage kehrt zurück

zeit_09-08-07_umfrage-d-links.jpgist der Titel eines neuen „Standpunkte„-Papiers der RLS (12/2007). Unterzeile: Eine Zwischenbilanz der Politik der Privatisierung. Das policy paper diskutiert die Gründe für die schwindende Legitimationskraft der neoliberalen Privatisierungspolitik, untersucht ihre aktuellen Entwicklungstendenzen in Europa und in der Bundesrepublik, behandelt die aktuellen Kämpfe um Privatisierungen am Beispiel des Krankenhauswesens und nennt neue Fälle der Deprivatisierung, vor allem der Rekommunalisierung. Der Nutzwert dieser Übersicht wird ergänzt durch abschließende Zusammenstellungen von Literatur, Websites und aktuell laufenden Projekten.

Linke Staatsfreunde

notforsale1.jpgEine von der „Zeit“ veröffentlichte Emnid-Umfrage erbrachte, dass sich jede/r dritte Deutsche für „links“ hält und die Politik der Privatisierung mit Skepsis gesehen wird: „67 Prozent der Befragten wollen Unternehmen wie die Bahn sowie die Energieversorgung in staatlicher Hand lassen. Vor allem von Anhängern der Volksparteien wird diese Haltung geäußert; von den SPD-Anhängern sind 72 Prozent für Staatsunternehmen, von den Unionswählern immerhin 71 Prozent.“ Und in einem Meinungsbeitrag dazu heisst es: „Bei keinem Thema wird die Abkehr vom sogenannten »Neoliberalismus« so deutlich wie bei der Privatisierung von Staatsunternehmen. Die Anhänger der Volksparteien lehnen dies noch heftiger ab als der Rest des politischen Spektrums. Bei den Wählern der Linkspartei ist der Widerwille gegen die Deregulierung von Infrastrukturunternehmen nur geringfügig stärker als bei Union und SPD: 72 Prozent der SPD-Wähler, 71 Prozent der Unionswähler und 76 Prozent der Linke-Wähler sind sich einig darin, dass Bahn, Post und Gaswerk beim Staat besser aufgehoben sind als in privaten Händen. Und weil auch bei der FDP eine Mehrheit gegen Privatisierungen ist, bleiben die Grünen mit knapper staatsskeptischer Mehrheit als die einzig wahren Liberalen übrig. Das sind bemerkenswerte Zahlen, die für die Rückkehr des Staates in der politischen Debatte sprechen. Die Zeiten, in denen man dem Staat nichts zutraute und unterstellte, dass private Akteure fast alles besser oder günstiger bereitstellen könnten, sind gründlich vorbei. Die Staatlichkeit ist gerade durch die fortschreitende Globalisierung wieder zum Adressaten für Schutzwünsche und Sicherheitserwartungen geworden.“

Privatisierung politischer Willensbildung

jg2007_titel.jpgDas Herbstgutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages, Thema: „Welt im Wandel – Sicherheitsrisiko Klimawandel“. Das Thema soll hier nicht weiter interessieren, sondern die Publikationsform. Früher gabs solche Publikationen mal für 3 Mark in der Bundeszentrale für politische Bildung. Heute: 79,95 Euro im Springer Verlag (oder zum Selbstausdrucken. Was kostet noch mal eine neue Druckerpatrone? Ich verdränge diese grausigen Preise immer sofort…)
In welcher Form auch immer – es ließe sich zuspitzen: Hier geschieht unter der Hand die Privatisierung politischer Willensbildung.