Privatisierung von Bundesvermoegen

Der im Dezember 2005 erschienene Beteiligungsbericht 2005 des Bundesfinanzministeriums ist eine der wichtigsten Zusammenstellungen der Privatisierungspolitik des Bundes. So dokumentiert u.a. eine sich über sieben Seiten erstreckende Tabelle die Veräußerung öffentlichen Eigentums und Vermögens des Bundes seit 1959 und ein gesonderter Bericht gibt eine Übersicht über neuere und anstehende Privatisierungen. Von 1991 bis 2005 ging die Anzahl der unmittelbaren Bundesbeteiligungen und der Sondervermögen von 214 auf 108 zurück; die Anzahl der „bedeutenden“ Bundesbeteiligungen nahm in der Zeit der „rot-grünen“ Regierung von 70 auf 33 ab (1998-2005).

Lieber privat als Staat?

Der WDR hat in den letzten Jahre mehrere Features zur Privatisierung gebracht und sie in einem Schwerpunkt zusammengefasst. Die dort behandelten Themen betreffen die Privatisierung des Strafvollzugs, von Talsperren, der Landwirtschaft und des Saatguts, des Krieges am Beispiel Kolumbien und endlich das Cross-Border-Leasing.

Das Beispiel Muelheim

Werner Rügemer hat eine wunderbare Dokumentation gemacht, die am 5. März auf WDR 5 ausgestrahlt wurde: Mülheim oder: Das große Schweigen. Die Privatisierung in deutschen Städten.  Mülheim ist jene Stadt, die mit dem Versprechen der Haushaltssanierung ihr öffentliches Eigentum mit der dazu gehörenden Korruptionskomponente  privatisierte und sich darauf den denkwürdigen Bürgerentscheid einhandelte, dass damit Schluß sein sollte.

Die Bodenfrage in den USA (akademisch und praktisch)

Heue mal ein relevantes interessantes Personenprofil: Devon Pena, ein Anthropologe und Professor an der University of Washington in Seattle, der u.a. über die besetzten Community-Gärten in L.A. arbeitet und akademisches Interesse mit politischer Unterstützungsarbeit verbindet.
Unser ppg-Korrespondent Henrik Lebuhn berichtet von der us-amerikanischen West-Küste:

„Auf den ersten Blick sieht seine Homepage etwas schräg aus. Aber der Eindruck täuscht. Wir haben heute fast 2 Stunden rumdiskutiert und ich finde den richtig gut: Er hat als ‚Altlinker‘ einen starken polit-oekonomischen Hintergrund (Marxsche Grundrisse und Kapital, Poulantzas, Foucault etc.). Und er interessiert sich als Antropologe für nicht-kapitalistische Landwirtschaftsformen, Eigentumsrechte, Boden- und Wassernutzungen (Islamisches Recht, Maya, Azteken, Inkas, etc.). Dann bringt er beides zusammen. Aber ueberraschend kohärent.
Er scheint zudem auch politisch recht engagiert. Er erzählte mir, dass sie mit einer Gruppe in Colorado traditionelle Landnutzungsrechte von einheimischen (Latino-)Anwohnern gegen jüngere private Eigentumstitel durchgesetzt haben. Das ganze ging bis vor den US Supreme Court. Sie haben den Fall gewonnen und damit Nutzungs- und Zugangsrechte für ein riesen Waldgebiet GEGEN den (weiterhin) rechtmässigen Privatbesitzer durchgesetzt. Derartige faktische Überführungen von Privateigentum in ein Common Good scheint es hier zu hunderten zu geben – nur ist das kaum bekannt. Er arbeitet und publiziert zu solchen Fällen.“

Deutsche Bank Research praesentiert "Privatisierungsoptionen fuer das deutsche Autobahnnetz"

DBResearch schreibt in der Presseankündigung für ihr Papier: „Die geographische Lage Deutschlands im Herzen Europas bietet zahlreiche Chancen für auch zukünftiges wirtschaftliches Wachstum. Die gestiegene Bedeutung von Logistik und Verkehr für das Bruttoinlandsprodukt sind hierfür klare Zeichen. Jedoch wird nicht im gleichen Maße, wie das Verkehrsaufkommen steigt, in den Ausbau der Infrastruktur investiert – im Gegenteil: die Straßeninfrastruktur wird seit Jahren auf Verschleiß gefahren. Eine stärkere zweckgebundene Nutzerfinanzierung und die Einbindung privatwirtschaftlichen Know-hows bei Finanzierung und Betrieb der Straßeninfrastruktur ist mehr als angezeigt.“

Neue Publikation: Schleichende Privatisierung. Kritik der deutschen und internationalen Entwicklungshilfe im Wassersektor

Für das Forschungs- und Dokumentationszentrum Chile-Lateinamerika (FDCL) und die Berliner Landesarbeitsgemeinschaft Umwelt und Entwicklung (BLUE 21) legt Thomas Fritz eine aktuelle Bestandsaufnahme und Kritik der modernisierten Privatisierungsstrategie der deutschen und internationalen Entwicklungszusammenarbeit im Wassersektor vor. Download als pdf: http://www.fdcl-berlin.de/index.php?id=678

Trotz zahlreicher Rückschläge und teilweisem Rückzug einzelner Wasserkonzerne aus Entwicklungsländern halten die bilaterale und multilaterale Entwicklungshilfe unbeirrt an ihren Privatisierungszielen fest. Selbst die in mehreren Evaluierungen bestätigte, vollkommen mangelhafte Armutswirkung der deutschen Wasserprojekte führt zu keiner Trendumkehr. Im Gegenteil: Zunehmend deutlicher kristallisiert sich eine lediglich modifizierte Strategie schleichender, schrittweiser Privatisierung heraus. Es ist zu befürchten, dass diese Strategie in das geplante neue Wasserkonzept des Bundesentwicklungsministeriums Eingang findet.

Diese neue Publikation der beiden Berliner entwicklungspolitischen Organisationen stellt zum einen die wichtigsten Privatisierungstrends auf multilateraler Ebene dar, in die sich die deutsche Entwicklungshilfe bruchlos einfügt. Zum anderen schildert sie die ernüchternden Erfahrungen mit den deutschen Public-Private-Partnerships im Wassersektor. Am Beispiel Boliviens liefert sie Einblicke in die undemokratische Privatisierungspraxis der beiden deutschen Entwicklungsagenturen GTZ und KfW. Das Papier kommt zu dem Schluss, dass sich entgegen aller offiziellen Mythen die Wasserprivatisierung als überaus ineffizient erweist. Während die erhofften Neuinvestitionen äußerst gering ausfallen, werden öffentliche Kassen und Gebührenzahler zunehmend geschröpft.

Inhalt:

1. EINFÜHRUNG
2. PRIVATISIERUNGSSTRATEGIE DER MULTILATERALEN ENTWICKLUNGSZUSAMMENARBEIT
2.1. Trotz Misserfolgen: Die Wasserprivatisierung geht weiter
2.2. Die neue Konditionalität der Privatisierung
2.2.1. Ownership und Selektivität
2.2.2. Die Formierung des Hilfskartells
2.3. Die Weltbank: Finanzier und Ideologe der Privatisierung
2.3.1. Die Private Sector Development Strategy
2.3.2. Output-based Aid
2.3.3. Exklusive Finanzierung statt explizite Konditionalität
2.3.4. Die Water Resources Sector Strategy
2.3.5. Ideologischer Kampf um Finanzierungsbedarf
2.3.6. Der Mythos von der Mobilisierung privaten Kapitals
2.3.7. Riskante internationale Finanzierung
2.3.8. Kostendeckende Tarife: Die Ärmsten schröpfen
2.4. Harmonisierung der Geberpraktiken: Die Rolle der OECD
2.4.1. Die Entstaatlichung des Wassersektors
2.5. Die Globalisierung der Lieferbindung: Multi-Geber-Initiativen
2.5.1. Public-Private Infrastructure Advisory Facility
2.5.2. Emerging Africa Infrastructure Fund
2.5.3. Water and Sanitation Program
2.5.4. Global Water Partnership
2.5.5. European Water Initiative und EU Water Facility
3. PRIVATISIERUNGSSTRATEGIE DER DEUTSCHEN ENTWICKLUNGSZUSAMMENARBEIT
3.1. Die Fusion von Entwicklungshilfe und Wirtschaftsförderung
3.1.1. Bedeutung der deutschen Entwicklungshilfe im Wassersektor
3.1.2. Deutsche Interessen am globalen Wassermarkt
3.1.3. Neoliberales Staatsverständnis des Entwicklungsministeriums
3.1.4. Das Dogma der „Entwicklungspartnerschaft“
3.2. Erfahrungen mit deutschen Public Private Partnerships im Wassersektor
3.2.1. PPPs: teuer…
3.2.2. … und ineffizient
3.2.3. Armutsorientierung mangelhaft
3.2.4. Schleichende Privatisierung
3.2.5. Manufacturing Consent
3.3. Mit dem Strom schwimmen: Deutsche Ziele in den Entwicklungsbanken
3.4. Bolivien: Die ‚ehrlichen Makler‘ in Aktion
3.4.1. Das Gesetz 2029 und die Enteignung der Wasserkomitees
3.4.2. Rollenkonflikt: Die GTZ als Moderator und Partei
3.4.3. Der deutsche Plan Bolivia
3.4.4. Widerstand gegen Aktienmodell
3.4.5. Aguas del Illimani: Deutschland greift ein
3.4.6. Entwicklungszusammenarbeit versus Demokratie
3.5. Weiter auf dem Privatisierungspfad: Empfehlungen der BMZ-Gutachten
4. DER PRIVATISIERUNG WIDERSTEHEN
5. ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS
6. LITERATUR

Weitere Informationen finden sich unter: http://www.fdcl-berlin.de/index.php?id=678

Diese Publikation ist Teil des Projektes „Schleichende Privatisierung. Das „deutsche Modell“ der Wasserversorgung in Bolivien“, gefördert von der Bewegungsstiftung. Weitere Informationen dazu finden sich unter: http://www.fdcl-berlin.de/index.php?id=597

Konferenz fordert Zugang zum Wissen statt Privatisierung des geistigen Eigentums

An der renommierten Jura-Fakultät der Universität Yale findet eine Konferenz über den Schutz des freien Zugangs zu Wissen statt. Die Veranstaltung „Access to Knowledge (A2K)“ soll Forscher, Denker und Aktivisten zusammenbringen, um Vorschläge für die zukünftige Politik zu erarbeiten und Forschungspläne zu entwickeln. Heise dazu >>> dazu.

Sie koennen auch anders.

So finden wir Strukturreform wirklich mal ganz gut: Der Bund wird bis zu 125.000 Hektar national bedeutsamer Naturschutzflächen, unter ihnen Militärareale und Teile der ehemals innerdeutschen Grenze, nicht privatisieren und stattdessen kostenlos an die Länder oder an eine Bundesstiftung übertragen (Mehr Infos bei der Stiftung Naturschutz Schleswig-Holstein). Über die Gründe bleibt natürlich zu spekulieren: Enweder es gibt keine auch nur halbwegs profitversprechenden Privatisierungskonzepte (und damit gar keine Interessenten für eine Privatisierung) oder sie haben wirklich Skrupel mit den letzten naturnahen Flächen im eigenen Land so umzugehen wie mit Naturflächen im Trikont. Japan macht es ja seit Jahrzehnten vor: Die nationalen Wälder sind streng geschützt und z.B. Borneo wird systematisch abgeholzt von japanischen Firmen für den japanischen Markt (mehr: http://www.regenwald.org ).

Die Privatisierung der Hochschulmedizin

ist das Thema des ersten deutschen Hochschulrechtstages, der am 16.6. in Erlangen stattfindet. Da auf dem Programm neben Vertretern verschiedener privatisierungsbefürwortender Staatlichkeiten auch Kontrahenten  u.a. aus Anlaß der Privatisierung der Marburg-Gießener Kliniken zu Wort kommen (wie auch z.B. Ulrike Beisiegel für den Medizinausschuss des Wissenschaftsrates), kann dies eine wichtige Veranstaltung zur Sache sein.

Kraeuter: Arznei oder Lebensmittel?

In Brandenburg dürfen Bauern keine Kräutertees mehr produzieren und verkaufen. Begründung: Nach dem Arzneimittelgesetz bräuchten sie dazu eine pharmazeutische Ausbildung. Grüne: Damit wird die Verwertung traditionellen Wissens monopolisiert.
Für die taz von MARINA MAI aus Belzig:
Zu Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker, heißt es. Weil er weder Arzt noch Apotheker ist, darf Landwirt Thomas Beutler keine Tees mehr produzieren und verkaufen, die Risiken und Nebenwirkungen haben könnten. Insgesamt elf Kräuter wie Birkenblätter, Malvenblüten, Frauenmantelkraut und Hirtentäschel hat das Brandenburgische Gesundheitsministerium als Arzneimittel statt als Lebensmittel eingestuft. Bauern ist damit die Produktion untersagt. Was wie eine Provinzposse begann, beschäftigt jetzt auch den Deutschen Bundestag. Die bündnisgrüne Abgeordnete Cornelia Behm hat einen schriftlichen Bericht der Bundesregierung über Kräuter vom Bauern angefordert. Auch im Agrarausschuss ist das Thema angemeldet.
Bisher hatte Beutler, der im brandenburgischen Belzig lebt, die Wiesen und Wälder der dünn besiedelten Fläming-Region nach diesen Kräutern abgesucht. Die Tees bot er als regionaltypische Produkte in Touristenshops an. Nicht als Einziger. Auch dem Inhaber eines großen Fruchthofs ist beispielsweise untersagt worden, Zitronenmelisse an Fruchtgelees zu mischen. Beutler wehrt sich juristisch gegen das Verbot. Das Ministerium hat gegen ihn Strafanzeige wegen Verstoßes gegen das Arzneimittelgesetz erstattet.
Aus anderen Bundesländern sind keine vergleichbaren Fälle bekannt. Doch Brandenburg hat sich mit einer bundesweiten Umfrage abgesichert: Demnach soll die Mehrheit der Länder die Brandenburger Einordnung der Kräuter als Arznei mittragen.
Das will die Grüne Cornelia Behm nicht einfach hinnehmen. Es könne nicht sein, „dass viele Kräuter, die seit Jahrhunderten ganz selbstverständlich verwendet werden, nicht mehr von kleinen bäuerlichen Betrieben, sondern nur noch von Pharmazeuten produziert und vertrieben werden dürfen“. Der Bericht der Bundesregierung soll in nächster Zeit vorliegen. Behm: „Ob die Brandenburger Praxis dann Bestand hat, wird sich ja zeigen.“
Brandenburgs Gesundheitsstaatssekretär Winfrid Alber (SPD) verteidigt das Kräuterverbot. „Johanniskraut, Weißdornbeeren und die anderen anstehenden Kräuter fallen unter das Arzneimittelgesetz, weil sie bundesweit eine Standardzulassung als Arzneimittel haben“, hatte er im Februar erklärt. Behörden hätten deshalb „keinerlei Ermessensspielraum, einen Vertrieb als Lebensmittel zu gestatten“. Lediglich bei einem verbotenen Kraut, dem Spitzwegerich, sei sein Ministerium zu keinem eindeutigen Ergebnis gekommen und müsse die Rechtslage erneut prüfen. Inzwischen will sich das Brandenburger Gesundheitsministerium zum Kräuterverbot allerdings nicht mehr öffentlich äußern, erklärte eine Sprecherin.
Landwirt Beutler vergleicht seine Situation mit der von Bauern in Staaten der Dritten Welt. „Dort gibt es immer wieder Versuche der Pharmaindustrie, Pflanzen und traditionelles Heilwissen zum Patent anzumelden, um sich ein Monopol zu sichern.“ In Deutschland brauche die Pharmaindustrie nicht einmal ein Patent. „Es reicht eine Standardzulassung als Arzneimittel“, so Beutler. „Dann schaffen Ministerialbeamte den Pharmabetrieben lästige Mitbewerber vom Hals.“
Um Arzneimittel produzieren zu dürfen, benötigt ein Betrieb eine Anzeige beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte und eine spezielle Herstellungserlaubnis vom Land. Dazu sind nach Auffassung der Brandenburger Behörden pharmazeutisch ausgebildetes Personal und spezielle räumliche Voraussetzungen erforderlich. Beutler hält diese Investitionen für bäuerliche Kleinbetriebe schlicht für nicht machbar.
taz vom 8.4.2006, S. 8, 121 Z. (TAZ-Bericht), MARINA MAI

Globale Landwirtschaft und die Macht kapitalistischer Agrarindustrie

Im Ak plediert Gregor Samsa für eine Wiederentdeckung des Themas globale Agrarpolitik durch die Linke: http://www.akweb.de/ak_s/ak502/16.htm
Die Konsequenzen agrarpolitischer Beschlüsse durch die WTO und anderer, gleichfalls auf Liberalisierung, Privatisierung und Deregulierung abzielender Vertragswerke betreffen unmittelbar Hunderte Millionen Menschen, womöglich mehr.

Studien zur Privatisierung

Das Global Policy Network hat fünf kritische Studien zur Privatisierung publiziert:

  • Zur Privatisierung der Stromversorgung in Bolivien und El Salvador sowie in Südafrike
  • Zur Privatisierung (vor allem der Petrochemie) in der Türkei und
  • zur Privatisierung der Gesundheitsversorgung in Bulgarien.

Drei der Studien sind Datenanhänge beigefügt. (Dank dem Hinweis in der ppg-Liste!)