Mehr selbstbestimmmte Tauschgeschäfte!

Saatguttauschbörsen ermöglichen es, selbst gezogene Setzlinge und selbst gewonnenes Saatgut von Hof zu Hof und Garten zu Garten zu tauschen. Die Idee ist, unfruchtbare Hybridsorten der Agrarkonzerne und Gartencenter zu umgehen und so bspw. die Vielfalt und Widerstandsfähigkeit der eigenen Pflanzen zu fördern und zu erhalten. Aber damit ist weder Wertschöpfung möglich noch lassen sich Verwaltungsordner füllen.

Jürgen Holzapfel, der auf dem Hof Ulenkrug in Mecklenburg-Vorpommern Getreide von alten Sorten anbaut und selber Saatgut gewinnt, schildert die gegenwärtige Lage: „Wenn ich hier Saatgut anbaue, dann müsste ich den Behörden melden, was ich wo in welchem Umfang anbaue. Und das nur für die eigene Verwendung. Wenn ich es in Verkehr bringen wollte, müsste ich eine Zulassung als Erhaltungssorte beantragen, dafür Gebühren zahlen und Mengenbeschränkungen beachten. Und mich mit anderen Saatguterzeugern abstimmen, damit wir nicht zusammen eine Höchstmenge überschreiten. Es stimmt einfach nicht, wenn das EuGH in seiner Presse-Erklärung behauptet, diese Zulassungsregelung würde das Ziel der Erhaltung der pflanzengenetischen Ressourcen gewährleisten. (Quelle: Saatgutkampagne)

Saatgut muss in der EU eine Zulassung haben, bevor es in den Handel geht. Das kostet Geld und ist ein bürokratischer Aufwand, der dem Erhalt einer Sortenvielfalt zuwiderläuft.

In den letzten 30 Jahren hat eine enorme Konzentration auf dem Saatgut-Markt stattgefunden, wenige transnationale Konzerne beherrschen 65-80% des Saatgutmarktes, je nach Pflanzengruppe (Getreide, Gemüse, Rüben, Ölpflanzen) und Region. Das hat die Zerstörung der Sortenvielfalt weiter beschleunigt. Vor wenigen Jahren hat die EU endlich ein Erhaltungssorten-Recht eingeführt, mit drei Richtlinien von 2008-2010. Doch auch hier schränken Höchstmengen und Zulassungsverfahren die Tätigkeit der Landwirt/innen und Gärtner/innen erheblich ein.

Da helfen auch Genbanken für Saatgut nicht, zumal deren Privatisierung ganz andere wirtschaftliche Interessen als den Erhalt der Biodiversität bedient. Zum einen ist der Zugang hier über die Nationalstaaten geregelt und die Aufbewahrung und Verteilung durch diese kontrolliert. Auf heise.de ist zu lesen, dass die Weltgutsaatbank in Spitzbergen, einer Insel im Nordpolarmeer,

300.000 Dollar jährlich für Betrieb, Transport, Einlagerung und Datenverwaltung der Samen [verbraucht], [die] besser angelegt werden könnte[n], nämlich für die Erhaltung der Biodiversität auf den Äckern.

Die Gesellschaft für die Erhaltung der Kulturpflanzenvielfalt und deren Entwicklung Arche Noah schreibt:

Die Genbanken waren bisher, insbesondere in Mitteleuropa, bei der Erhaltung der Sortenvielfalt eine wichtige Stütze. Sammeln, Erhalten, Vergleichen, Beschreiben und Weitergeben der zum Teil unüberschaubar großen Anzahl an Sorten sind in diesem Zusammenhang die wichtigsten Aufgaben der Genbanken. Dass nun in unmittelbarer Nähe zu Vermehrungsbeständen der Gaterslebener Genbank mit gentechnischen Pflanzen im Freiland und im Gewächshaus experimentiert wird […], ignoriert ihre ureigenste Aufgabe: die Erhaltung der – gentechnikfreien – Kulturpflanzenvielfalt.

Selbstbestimmte Tauschbörsen für Saatgut und Setzlinge bieten eine adäquate Möglichkeit, Widerstand zu leisten, Biodiversität zu befördern und dem allgemeinen Verwertungsdruck souverän zu begegnen – in der Stadt wie auf dem Land. Die Saatgutkampagne ist in diesem Bereich nicht nur unterstützenswerte Informationsquelle sondern auch reale, soziale Organisierungsoption.

2 Responses to “Mehr selbstbestimmmte Tauschgeschäfte!”

  1. Franziska Frielinghaus,

    Saatgut ist umkämpftes Produkt konkreter Wertschöpfung.
    Zu deren Durchsetzung müssen viele Saatgutproduzent*innen
    zu Gunsten weniger ausgeschlossen werden.
    Peter Riesbeck beschreibt in seinem Artikel „Biologische
    Armutsfelder“ (Berliner Zeitung 7.5.2013), dass die EU Komission
    mit einer neuen Regelung plant, mittels teuren Zulassungsverfahren Konzernen wie Monsanto, Syngenta und Bayer den Markt zu sichern.

    Lesenswert ist das Interview mit Andreas Rieckeberg von der bereits vorgestellten Saatgutkampagne in der selben Zeitung: http://www.berliner-zeitung.de/wirtschaft/kritiker–artenvielfalt-geht-verloren-,10808230,22696086.html

    Wer konkret etwas tun möchte, kann bspw. die Petition auf http://www.saatgutkampagne.org unterzeichnen.

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