Wem gehört die Stadt?

Anlässlich den zehnten Jahrestages des Referendums für den Erhalt des kommunalen Eigentums lädt die Leipziger Anti-Privatisierungs-Initiative (APRIL-Netzwerk) zu einem Austausch- und Vernetzungswochenende. (Flyer als pdf)

Am 27. Januar 2008 sprachen sich die Leipzigerinnen und Leipziger in einem Bürgerentscheid für ein umfassendes Privatisierungsverbot für Bereiche der Daseinsvorsorge aus. Mit dem Ziel der Reduzierung der Schulden der Stadt Leipzig sollten damals nach dem Willen des Oberbürgermeisters und der Mehrheit des Stadtrates in einem ersten Schritt 49,9 Prozent der Anteile der Stadtwerke an private Käufer – im konkreten Fall an Gaz de France (GdF) – veräußert werden. (GdF fusionierte im Juli des selben Jahres mit Suez zu GDF Suez. Seit 2015 heißt der Konzern Engie.) Dem sollte später eine Teilprivatisierung der Kommunalen Holding LVV folgen. Für die städtische Wohnungsbaugesellschaft (LWB) sollte außerdem der Bürgschaftsrahmen drastisch reduziert werden. Für den Eigenbetrieb Stadtreinigung sollte zunächst eine Rechtsformänderung und die mögliche Privatisierung geprüft werden. Vorausgegangen waren u.a. bereits Privatisierungsdebatten um die Wohnungsbaugesellschaft und die Kommunalen Wasserwerke. In der Debatte wurde von den Befürwortern der Privatisierungen oft positiv Bezug auf die damals noch nicht lang zurückliegende Komplettprivatisierung der Dresdner Wohnungsbaugesellschaft (WOBA) genommen.

Daraufhin organisierte sich aus der Zivilgesellschaft Widerstand. Auf Initiative des APRIL-Netzwerks bildete sich die Bürgerinitiative „Stoppt den Ausverkauf unserer Stadt“, welche innerhalb kurzer Zeit die notwendigen Unterstützerunterschriften für ein Bürgerbegehren sammelte und damit die Durchführung eines Bürgerentscheids durchsetzte. 170.621 Leipzigerinnen und Leipziger nahmen an der Abstimmung teil und vereitelten die Privatisierungspläne. Das eindeutige Votum von 88 Prozent Zustimmung zum Erhalt machte deutlich, dass den Menschen kommunale Daseinsvorsorge wichtig ist und Gemeinwohlorientierung Vorrang vor privater Gewinnerzielung haben muss.

Auch in anderen Städten fanden ähnliche Abstimmungen gegen die Privatisierung von Bereichen der Daseinsvorsorge oder auch für eine Rekommunalisierung formals verkaufter Bereiche statt. Bis dato ist der Bürgerentscheid von 2008 leider der einzige erfolgreiche Bürgerentscheid in der Messestadt. Die Durchführung eines weiteren Bürgerentscheids zur Einführung einer „Privatisierungsbremse“ wurde 2013 durch die Stadtratsmehrheit von CDU, SPD, Grünen und FDP verhindert.

Anlässlich des 10. Jahrestages des Entscheids lädt das Netzwerk nun alle Aktiven und Interessierten am 27. und 28. Januar 2018 recht herzlich ins Gewerkschaftshaus ein. Einerseits soll nochmal ein Blick auf die damaligen Ereignisse geworfen werden, andererseits soll vor allem die heutige Situation beleuchtet werden. Während am Sonnabend der Fokus auf der Situation in Leipzig liegen soll, wird am Sonntag ein Vernetzungstreffen mit Initiativen und Aktiven aus anderen Städten stattfinden. (Adresse: Volkshaus Leipzig, 5.Etage, Erich-Schilling-Saal, Karl-Liebknecht-Straße 30-32)

 

Die Fragestellungen um die es an dem Wochenende u.a. gehen soll:
* Welches waren die Interessenslagen, kommunalpolitischen Rahmenbedingungen und Argumentationslinien vor 10 Jahren? Was war die Absicht und die Begründung der Privatisierungsbefürworter, welche Argumente wurden dagegen angeführt?
* Was ist aus den kommunalen Unternehmen und Betrieben geworden? Wie haben sie sich entwickelt? Gab es weitere Privatisierungen und welche Folgen hatten diese?
* Wie hat sich die Stadt Leipzig und ihre finanzielle Situation entwickelt?
* Was bedeutete der Bürgerentscheid für die Zivilgesellschaft in Leipzig und welche Entwicklung hat sie seitdem genommen?
* Wie hat sich die Auseinandersetzung um Privatisierung öffentlichen Eigentums seitdem entwickelt? Welche Fragen werden heute im Zusammenhang mit öffentlichem Eigentum diskutiert – auf kommunaler Ebene und darüber hinaus?

 

Der geplante Ablauf:

Wem gehört die Stadt?
– Zehn Jahre Bürgerentscheid für kommunales Eigentum –
(Sa. 27.01. – So. 28.01.2018)

Sa., 27.01.2018, Beginn: 15 Uhr
Ort: Gewerkschaftshaus, Volkshaus, Karl-Liebknecht-Str. 30

15 Uhr, Teil 1: Rückblick Bürgerentscheid 2008
APRIL-Netzwerk, Input & kurze Diskussion

16 Uhr, Teil 2: Wo stehen die kommunalen Unternehmen & Betriebe heute? Input durch Geschäftsführer LVV & Vertreter des Konzernbetriebsrates, im moderierten Dialog.

17:30 Uhr: Kaffeepause

18 Uhr, Teil 3: Öffentliches Eigentum, Privatisierung & PPP, – aktuelle Entwicklungen in Bund, Ländern und Kommunen, Input & Diskussion

19:30 Uhr: Abendimbiss

20 Uhr, Teil 4: Film: „Wem gehören unsere Städte?“ (2015), mit anschließender Diskussion: Wie weiter? Was tun?

 

So., 28.01.2018, ab 9:30 Uhr, Vernetzungstreffen – Gemeingut in BürgerInnenhand
Im Nachgang des Bürgerentscheids gründete sich 2008 ein bundesweites loses Netzwerk lokaler Bürgerinitiativen welche sich für den Erhalt der Daseinsvorsorge und für Rekommunalisierungen einsetzen. Daraus entstand u.a. die Initiative „Gemeingut in BürgerInnenhand“ (GiB).

 

Hier die Einladung als Flyer (pdf) gern auch zum verbreiten.

 

One Response to “Wem gehört die Stadt?”

  1. Frank Janouschek,

    Hallo,
    bin Mitstreiter in der Initiatve „Bahn von unten“. Wir sind im Bünbnis „Bahn für alle“ mit verankert.
    Da ich in der Nähe von Leipzig wohne, beabsichtige ich mit teilzunehmen.
    Frank

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