Kein Streik

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Es hätte auch ein gut organisierter Bummelstreik am Mainzer Stellwerk sein können. Ein Teil der Beschäftigten bei der Deutschen Bahn sind in ihrem wohlverdienten Sommerurlaub. Andere melden sich wegen völliger Überlastung krank. Das Stellwerk wird wegen Personalmangel vorübergehend geschlossen. Das ist nicht schön, aber wirksam: Wie sonst sollten die Arbeiter_innen in den Stellwerken der Deutschen Bahn, von deren Aufgabenbereich kaum jemand wusste und deren Relevanz kaum jemand ahnte, auf sich und ihre schlechten Arbeitsbedingungen aufmerksam machen? Sie sieht niemand, sie hört niemand, aber so steht das Problem jetzt in allen Zeitungen.

Die Wahrheit ist viel trüber. Kein heimlich organisierter Streik  im Stellwerk Mainz, sondern ganz einfach: Die Arbeit hat sie krank gemacht und wer im Urlaub ist, hat hoffentlich noch vor der Krankheit die Kurve bekommen. Diejenigen, die noch auf der Arbeitsstelle erscheinen, schaffen die zu bewältigenden Aufgaben nicht mehr. Die Arbeiter_innen in den Stellwerken der Deutschen Bahn tragen die Verantwortung für ein sicheres Fahren der Züge. Der Zustand am Stellwerk Mainz ist kein Einzelfall, sondern Prinzip. Das Unternehmen Deutsche Bahn erwirtschaftet jedes Jahr Gewinne: Durch Personalabbau, mangelnder Instandhaltung der Züge, Fahrpreiserhöhungen.

Es gebe Kollegen im Mainzer Stellwerk, die seit Dezember keine drei Tage am Stück mehr frei gehabt hätten. Urlaube seien verschoben oder abgebrochen worden. Zudem würden alle einen riesigen Berg an Überstunden vor sich her schieben (EVG).

Die Eisenbahn und Verkehrsgewerkschaft EVG kritisiert die Telefonaktion von Bahnchef Grube, der versucht Beschäftigte aus dem Urlaub zu holen.

Das Chaos auf den Schienen zum Ende der Ferienzeit wird in der Zeitung heraufbeschworen. Pendler_innen kommen zu spät zum Arbeitsplatz. Vergessen wird dabei, dass auch Bahnbeschäftigte pendeln und aus dem Urlaub mit der Bahn kommen. Sie sind  wie alle anderen Nutzer_innen der Bahn betroffen.

Der Druck auf jede_n einzelne_n sich erholende_n Bahnbeschäftigte_n ist enorm. Nur die Reisenden sollen entschädigt werden, denn „Kunde ist König“, Beschäftigte sind nur wertschöpfende Arbeitskraft.

Die Deutsche Bahn will Fahrgästen mit Zeitkarten entgegenkommen, die von Zugausfällen am Mainzer Hauptbahnhof betroffen sind (Berliner Zeitung).

Die EVG will die Beschäftigten in den Stellwerken in die zukünftige Personalplanung einbeziehen und ist mit ihren Forderungen erfolgreich:

In die Planungen wird nun die Belegschaft eines jeden Betriebs, unter Beteiligung des zuständigen Betriebsrates, unmittelbar und aktiv einbezogen (EVG).

Dennoch: Allein die Mitbestimmung bei der Personalplanung schafft keine entspannteren sicheren Arbeitsebedingungen, mehr Beschäftigte und die Bestimmung über den erarbeiteten Mehrwert im öffentlichen Nah- und Fernverkehr der Bahngesellschaft. Der stetige Druck auf die „unsichtbaren“ Beschäftigten bei der Deutschen Bahn kann nur durch die Solidarität der Reisenden selbst langfristig aufgehoben werden. Politische Streiks am Arbeitsplatz sind in der BRD leider verboten. Auf dem Weg dahin und von dort können wir uns aber unserer gemeinsamen Arbeitsbedingungen erinnern und branchen- wie klassenübergreifend gemeisam kämpfen.

 

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