Armut als Makel

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foto cc: kochtopf

Ein Schwerpunkt auf diesem Blog ist die fortschreitende Spaltung in arm und reich und die Folgen dieses Prozesses für eine Gesellschaft in einem der reichsten Länder der Erde („Reichland“). In der Schriftenreihe der Bundeszentrale für Politische Bildung erschien gerade das Buch Armut in einem reichen Land von Christoph Butterwegge. Aus dem Klappentext:

In einem reichen Land ist Armut ein Makel, den man so gut es geht zu verbergen sucht.

Butterwegges Thesen zum Buch machen zunächst den Blickwinkel klar – es geht in der Betrachtung und geschichtlichen Rückschau zunächst um die westdeutsche Gesellschaft.

Da man weder von der Bundesrepublik als Klassengesellschaft noch über die Gesellschaftsklassen sprechen wollte, schwieg man auch über die Armut. […] Erst im Gefolge der Rezession 1966/67 einerseits sowie der Schüler- und Studentenbewegung bzw. der Außerparlamentarischen Opposition (ApO) andererseits wurde die Armut in der Bundesrepublik wieder wahrgenommen, wenn auch meist als Problem von Randgruppen: Drogenabhängigen, Bettler(inne)n und Obdachlosen.

Einige Jahre später zeichnete sich deutlich ab, dass Erwerbslosigkeit Armut bedeutet und die Kluft zwischen reich und arm größer wird. Als die DDR der BRD angegliedert wurde, verschob sich die Armut in den Osten,

wohingegen das Altbundesgebiet von einem „Vereinigungsboom“ profitierte.

Die Einführung von ALG I und II Jahre später sollte nicht nur die Staatskasse entlasten, sondern vor allem

durch Einschüchterung der Betroffenen mehr „Beschäftigungsanreize“ im Niedriglohnbereich schaffen.

Die Ursache von Armut sei das Unvermögen der Einzelnen, hieß es im sich verschärfenden sozialpolitischen Diskurs. Butterwegge führt dagegen den unsinnigen Begriff der „Bildungsarmut“ an und verdeutlich, wie dieser vorgaukelt, eine gute Bildung schütze vor Arbeitslosigkeit. Denn:

Armut und Reichtum sind keine unsozialen Kollateralschäden der Globalisierung, sondern im bestehenden Wirtschafts- und Gesellschaftssystem funktional. So hat die Große Koalition vor dem Jahreswechsel 2008/09 eine Erbschaftsteuerreform verabschiedet, die einen verteilungspolitischen Skandal ersten Ranges darstellt, weil sie Reiche und Superreiche begünstigt. […]

Das bedingungslose Grundeinkommen sieht Butterwegge nicht als Lösung des Problems zunehmender Armut. Die Gefahr bestehe darin, alle Sozialversicherungen zu zerschlagen und die Grundlage für noch schlechter bezahlte Jobs zu schaffen. Die Unternehmerseite könnte noch mehr Lohnkosten sparen, weiter exportorientiert wirtschaften und andere Volkswirtschaften, beispielsweise Griechenland, weiter totkonkurrieren.

Ziel müsse vielmehr eine solidarische Bürgerversicherung sein,

die alle Wohnbürger/innen einbezieht und durch eine Sockelung der Leistungen im Sinne einer bedarfsorientierten Grundsicherung verhindert, dass Menschen durch die Maschen des „sozialen Netzes“ fallen. Sie müsste armutsfest, bedarfsdeckend und repressionsfrei sein.

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