Keine zivilen Klagen auf Entschädigung bei NS Kriegsverbrechen

Bereits am 4.2. 2012 entschied der Internationale Gerichtshof (IGH) über ein lang erwartetes Urteil: Zivile Opfer dürfen Deutschland nicht für seine NS Kriegsverbrechen verklagen. Damit erhalten die Opfer auch keinen Anspruch auf Entschädigungszahlungen. Italienische Gerichte hatten die Klagen von Einzelpersonen gegen Deutschland für die Verantwortung der Massaker von SS und Wehrmacht zwischen 1943 und 1945 zugelassen. Die Entschädigungsklagen belaufen sich auf Millionenhöhe. Der IGH entschied nun, dass die Staatenimmunität gewahrt werden muss. Tatsächlich hätte ein Positivbescheid weitreichende Folgen gehabt.

Hintergrund der Klagen ist der Fund des Giftschrankes:

In einem Aktenschrank im Palazzo Cesi, dem Sitz der Militär-Generalstaatsanwaltschaft im Rom wurden in den 50er bis Anfang der 60er Jahre noch von den Alliierten angelegte Akten über Kriegsverbrechen gestapelt, die an die zuständigen Militärstaatsanwaltschaften hätten verschickt werden müssen. Doch die Unterlagen verblieben im Schrank. Während des Kalten Krieges wollte man auf den NATO-Partner Deutschland Rücksicht nehmen.

Mitte der 90er wurde der Schrank von einem Justizbeamten wieder geöffnet. Anlass war der Prozess gegen den Naziverbrecher Erich Priebke.

Im Juli 2011 urteilte das Militärgericht in Verona:

Sieben Mal lebenslängliche Haft, 2 Freisprüche. Außerdem müssen die Verurteilten Entschädigungen zahlen und die Kosten des Verfahrens tragen. … Das Gericht sieht es als erwiesen an, dass die Verurteilten des gemeinschaftlich begangenen, fortgesetzten Mordes an nicht kriegsbeteiligten Zivilistinnen und Zivilisten schuldig sind. Die Taten geschahen im Zeitraum vom 18. März bis zum 05. Mai 1944. In dieser kurzen Zeit überfielen Einheiten der Division Hermann Göring, unterstützt durch faschistische italienische Milizen, mehrere Dörfer in den Bergen der Toskana und Emilia-Romagna, töteten deren Bewohnerinnen und Bewohner, darunter zahlreiche Kinder unter 14 Jahren, Greise und Pfarrer, insgesamt circa 400 Menschen. (Juli 2011, Istoreco Reggio Emilia, Matthias Durchfeld und Marianne Wienemann)

Deutschland besteht auf die Staatenimmunität und erkennt gleichzeitig die Gerichte Italiens, eines EU-Mitglieds, nicht an. Die BRD meint, dass mit den 1961 gezahlten 40 Mio. DM „Wiedergutmachungszahlung“ jede weitere Klage ausgeschlossen sei und zum respektvollen Nachkriegsgeschäft übergegangen werden müsse. Einzelklagen ziviler Opfer gegen die BRD seien nicht zulässig.

Tatsächlich zeigte ein bereits 2008 gefälltes Urteil (ein ehemaliger italienischer Zwangsarbeiter hatte das Recht auf Entschädigung zugesprochen bekommen), wie die BRD mit derartigen gerichtlichen Entscheidungen umzugehen gedenkt. Die Zahlungen blieben aus, Italien drohte mit Pfändung von deutschem Regierungsbesitzes in Italien. Griechenland stellte ebenfalls Forderungen auf Entschädigung. Hier sollte das Goethe-Institut gepfändet werden.

Hätte der IGH den zivilen Kläger_innen recht gegeben und die Staatenimmunität bezüglich Kriegsverbrechen aufgehoben, hätte das weltweit Klagen auf Entschädigung auslösen können. Nicht nur Opfer von NS-Kriegsverbrechen weltweit hätten Erfolg bei Klagen haben können, sondern auch bspw. vietnamesische Opfer von Napalmeinsätzen der USA oder afghanische Bauern gegen die BRD. Möglicherweise wären demokratische Bewilligungen von Kriegseinsätzen zukünftig etwas schwerer geworden.

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