Uups, she did it again!

Warum nicht ein „Gesetz zur Leerstandsnutzung“?
Gesine Lötzsch legt nach in der von ihr selbst angestoßenen Kommunismus-Debatte, diesmal in der taz:

Konkret heißt das für uns heute, dass wir die Eigentumsfrage stellen. Diese Frage ist radikal. Sie ist die Gretchenfrage. Für die Reformer ist ihre Beantwortung die Voraussetzung für eine wirkliche Verbesserung der Lebensverhältnisse.
Die Mehrheit der Menschen wurde in den vergangenen Jahren ihres öffentlichen Eigentums beraubt: Krankenhäuser, Wohnungen, Energieversorger. Wir wollen das öffentliche Eigentum zurück. Diese Forderung ist deshalb so aktuell und real, weil viele Menschen gerade in der Finanzkrise erlebten, dass der Markt bei der Absicherung wichtiger Lebensbereiche versagt hat. Die Rückgewinnung des öffentlichen Eigentums ist deshalb eine aktuelle radikale Forderung, die von meiner Partei ausdrücklich unterstützt wird.
In unserem Programmentwurf bekommt der Begriff demokratischer Sozialismus Konturen. Insbesondere in der Verbindung mit der Eigentumsfrage wird er ganz konkret in der Alltagspolitik anwendbar und bleibt damit nicht nur Vision. Kein linker Reformer kommt mehr um die Eigentumsfrage herum. Ohne öffentliches Eigentum werden auch die kleinsten Reformen nicht umzusetzen sein. Alle Hoffnungen, die Menschen mit uns verbinden, blieben folgenlos.

Noch konkreter wäre – angesichts des polizeigewaltsam beendeten Eigentumskonflikts in der Liebigstr. 14 – die Revision einer Koalition, in der sich der zuständige Minister aus den Reihen des Koalitionspartners für Polizeigewalt und politikfreie Räume entschieden hat, und das auch noch, bevor alle Möglichkeiten ausgereizt waren (über Enteignung/Entschädigung des Eigentümers nach Art. 14 GG wurde z.b. überhaupt nicht diskutiert). Andernfalls bleibt die Regierungsbeteiligung in Berlin nicht nur ein Beleg für die Ungefährlichkeit derer, die mit dem Kommunismusbegriff produktiv arbeiten wollen (nocheinmal Lötzsch: „Obwohl unsere Partei in zwei Bundesländern in der Regierung ist und in NRW eine Regierung aus SPD und Grünen ermöglicht hat, wird immer noch behauptet, dass eine Regierungsbeteiligung der Partei Die Linke zum Untergang des Abendlandes führen würde.“), sondern gleich auch noch für deren Scheinheiligkeit.

Die LINKE muss ja nicht gleich aus jeder Regierungskoalition aussteigen. Radikal-reformerische wäre es aber – statt nur zu jammern, wie im Fall der Räumung der Liebigstr. 14 – sich etwas einfallen zu lassen, womit der eigene radikal-reformerische Anspruch auch eingelöst wird. Z.B. wenn es um Immobilienspekulation, Wohnungspolitik, Stadtumbau und Gentrifizierung geht, ein „Gesetz zur Leerstandsnutzung“ auszuarbeiten, einzubringen und durchzusetzen.

Der zentrale radikal-reformerisch regulative Ansatz: Stadtzerstörerische und unsoziale Immobilienspekulation dadurch zu verhindern, dass Nutzung im Leerstand legalisiert wird.

Der Mechanismus: Wohn- oder Geschäftshäuser oder auch -räume, die länger als ein Jahr leerstehen, werden offensichtlich nicht ihrem Zweck gemäß zum Wohnen oder Gewerbetreiben genutzt, sondern aus spekulativem Interesse diesem Zweck entzogen. Daher erlaubt das Gesetz, solche Räumlichkeiten nach einem jahr dokumentiertem Leerstand auch ohne Einwilligung des Eigentümers einem dieser Zwecke zuzuführen. Aus der zweckgemäßen Nutzung entspringt dann den NutzerInnen gegenüber dem Eigentümer und umgekehrt ein Anspruch auf Formalisierung (Nutzungsvertrag), um so die Betriebskosten für die Nutzung durch die NutzerInnen zu decken. Der Nutzungsvertrag gilt, solange die Nutzung läuft. Die Umwandlung des Nutzungsvertrages in einen Miet-/Pachtvertrag ist bei beiderseitigem Einverständnis über die Bedingungen des Miet/Pachtverhältnisses möglich. Weitere Konkretisierungen müssen die Juristen formulieren (und zwar ohne die Substanz zu verwässern).

Wen der Eingriff ins Privateigentum hier irritiert, der vergegenwärtige sich die völlig selbstverständlichen Eingriffe, wenn es etwa um Arbeitsrechte oder Ernährungssicherheit geht. Auch Wohnen hat Grundrechtsrang (Art. 13 GG) und warum nicht auch die „Unverletzlichkeit der Wohnung“ mal sozial denken, in Zeiten, in denen die Bedrohung auch eher eine soziale ist und nicht eine staatsterroristische. Über bestehende Praxen und Vorschläge wie Zwischennutzung oder den Hamburger Ansatz geht ein solcher Vorschlag hinaus, weil ZwischennutzerInnen immer prekär gehalten werden (falls der solvente Mieter oder Investor doch noch vom Himmel fällt) und der Vorschlag in Hamburg auf „kurzfristige Wiedervermietung“ zielt – also wiederum die Initiative nicht auf die Leerstands-NutzerInnen überträgt.

Ein derartiges Gesetz zur Leerstandsnutzung würde die Eigentumsfrage tatsächlich konkret stellen.

Hinterlasse eine Antwort