Bankenverstaatlichung?

Heiner Flassbeck im Interview mit der SZ v.27.03.2008

sueddeutsche.de: Der Staat soll sich in dieser Frage heraushalten?
Flassbeck: Es ist immer eine schwierige Gratwanderung. Ich bin nicht dafür zu sagen: „Lasst alles laufen, lasst alles zusammenbrechen“ – das kann man verantwortungsvoll nicht sagen. Aber das Wichtige ist, dass sich der Staat Gedanken macht, wie man solche verrückten Spiele, die die ganze Weltwirtschaft in Gefahr bringen, in Zukunft verhindern kann. Der Staat muss in vielen Bereichen für Regulierung sorgen. Demnächst steht wieder eine große Währungskrise an, vor allem in Osteuropa sind Währungen gefährdet. Auch dort werden wieder erhebliche systemische Risiken auftreten, auch dort wurden über internationale Spekulationen Preise in die falsche Richtung getrieben.
sueddeutsche.de: Die US-Investmentbank Bear Stearns – eine Legende der Wall Street – ist von der Großbank JP Morgan Chase mit einem wahren Kraftakt vor der Pleite gerettet worden, nachdem die US-Notenbank den Deal mit 30 Milliarden Dollar besicherte. Ist dieses massive Eingreifen des Staates noch zu rechtfertigen?
Flassbeck: Wenn man den Eindruck hat, dass der Zusammenbruch einer solchen Bank einen Domino-Effekt auslöst, fünf andere Banken zu Fall bringt und Einlagen von Privaten gefährdet, dann kann man solch einen Eingriff rechtfertigen. Ich bin dann aber dafür, die Bank gleich zu verstaatlichen, anstatt staatliches Geld hineinzustecken, damit irgendein anderer Investor – in diesem Fall JP Morgan – womöglich das große Geld macht. Der Staat sollte die Bank gleich selbst kaufen und nach ein paar Jahren wieder verkaufen.
sueddeutsche.de: Ist die Verstaatlichung angeschlagener Banken der einzige Ausweg aus der Misere?
Flassbeck: Es ist nicht die einzige Lösung, oft aber die beste. Auch in Großbritannien hätte man Northern Rock sofort verstaatlichen können. Wenn man erwarten muss, dass die Einlagen der Bürger gefährdet sind, dann muss der Staat sowieso massiv eingreifen. Dann kann er, wie gesagt, gefährdete Banken auch gleich verstaatlichen. Wenn die Ideologie wieder einmal dagegen spricht, verstehe ich die Ideologie nicht mehr.
sueddeutsche.de: Auch das Bundesfinanzministerium will einen Bankencrash mit viel Geld verhindern – und pumpt Milliardenbeträge in die Mittelstandsbank IKB und in etliche Landesbanken. Warum darf eine heruntergewirtschaftete Bank nicht einfach pleitegehen?
Flassbeck: Es gehen schon Banken pleite. Wenn es im überschaubaren Rahmen geschieht, ist das völlig in Ordnung. Aber: Banken sind keine normalen Unternehmen, die Menschen haben dort ihr Erspartes hingetragen und – zum Teil auf staatlichen Druck – dort für ihr Alter vorgesorgt. Da kann sich der Staat nicht einfach heraushalten. Das würde die Ziele der privaten Altersvorsorge unmittelbar torpedieren. Aber die IKB sollte man pleitegehen lassen – dort gibt es wenig oder gar keine Einlagen.

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