„Managergehälter nur eine Nebenrolle“

Der Politologe Mario Candeias über eine gesetzliche Beschränkung von Managergehältern. Interview im Neuen Deutschland vom 8.1.2008

Zur Zeit werden die Gehälter deutscher Topmanager kontrovers diskutiert. Was halten Sie von der Forderung, diese gesetzlich zu begrenzen?

Das ist eine widersprüchliche Forderung. Von links macht sie wenig Sinn, da es eine eher moralische Kritik ist. Erstens sind die Durchsetzungsmöglichkeiten in einem globalisierten Managermarkt relativ schwierig. Zweitens ist die Möglichkeit des Unterlaufens gesetzlicher Regelungen von Seiten der Aufsichtsräte sehr groß, da Manager nicht Gehälter, sondern vielfältige andere Formen der Zuwendungen, wie Aktienoptionen und ähnliches erhalten. Und drittens ändert eine Begrenzung nichts an den Verteilungsverhältnissen in der Gesellschaft, vor allem die sog. shareholder bleiben doch unbehelligt.

Für Sie ist die aktuelle Debatte aus linker Perspektive damit überflüssig?

Nein. Positiv ist, dass Ungleichheiten in der Gesellschaft überhaupt thematisiert werden. Dass man diese aber an der Bezahlung der Manager festmacht, ist problematisch, da gesamtgesellschaftliche Ungleichheiten und deren Ursachen ausgeblendet werden. Ein gesellschaftliches Wohlstandsgefälle lässt sich nicht durch einfache staatliche Maßnahmen wie einer Deckelung von Managergehältern abwenden, sondern nur durch die Organisierung von sozialen Kämpfen. Das Suchen nach Sündenböcken halte ich für ein populistisch Ventil ohne Folgen.

Ist beispielsweise die Anhebung des Spitzensteuersatz ein geeignetes Instrument, Großverdiener finanziell zu belasten?

Selbstverständlich. Der Spitzensteuersatz, die Einführung der Vermögens- oder der Umbau der Erbschaftssteuer ist denkbar. Es gibt unzählige Vorschläge von Gewerkschaften, von der LINKEN und von unabhängigen Instituten, wo man grundsätzlich etwas an der Vermögensverteilung ändern will. Über die gesetzliche Ebene könnte etwas erreicht werden, was sich mittelbar auf die gesellschaftlichen Kräfteverhältnisse auswirken könnte. Ich bin der Auffassung, dass die Politik an der makroökonomischer Ebene ansetzen sollte. Die Managergehälter spielen in der Summe eine Nebenrolle innerhalb der großen Umverteilung zugunsten von Unternehmen und Finanzmärkten.

Trotz Fehlentscheidung der Vorstände werden diese mitunter durch hohe Abfindungen entlohnt. Ist eine gerichtliche Handhabe zur Unterbindung dieser Praxis sinnvoll?

Ich bin kein Rechtswissenschaftler. Aus diesem Grund weiß ich nicht, wie groß hier die Möglichkeiten sind. Ich halte es aber für falsch, bei eklatantem Fehlverhalten der Verantwortlichen, diesen eine Abfindung zu zahlen. Da ist es durchaus sinnvoll, sich gesetzliche Einschränkungen zu überlegen. Man sollte dabei die Praxis anderer Länder beachten. In den USA zum Beispiel existieren strafrechtliche Mechanismen für solche Fälle.

Wie könnte man die Topmanager bei gravierenden Fehlentscheidungen finanziell mehr in die Verantwortung nehmen?

Entweder greift man in die Eigentumsverhältnisse des Kapitalismus ein, was ich befürworte, oder man geht in Bereiche, wo es tatsächlich ein schuldhaftes Managerverhalten gibt. Da wiederum gibt es zwei unterschiedliche Ebenen. Das eine ist die Missbrauchsebene; das andere sind legale Fehlentscheidungen. Hier kommt es auf die Betrachtung an. Eine Massenentlassung ist aus Sicht der Beschäftigten natürlich eine Fehlentscheidung, kann für Kapitaleigentümer dagegen eine durchaus sinnvolle Maßnahme.

Heinz-Josef Bontrup datierte das Maximalgehalt eines Managers in dieser Zeitung auf das Zehnfache der jahresdurchschnittlichen Wertschöpfung. Was halten Sie von dieser Aussage?

Innerhalb des Kapitalismus sind die Fähigkeiten von Managern zur Organisation und Kontrolle wohl unerlässlich. Im marxschen Sinne produktiv, also mehrwertschöpfend sind sie nicht. Ihr Einkommen ist Abzug vom Profit und richtet sich in der Regel nach dessen Höhe. Ist das Hundertfache im Vergleich zum Durchschnittsverdiener gerecht oder das Zehnfache? Mit Leistungsgerechtigkeit hat das nichts zu tun. Wer mag zu bewerten, ob eine hart arbeitende Krankenschwester oder Softwareprogrammiererin gesellschaftlich weniger leistet als gewisse Manager? Kapitalistisch gedacht, sind die hohen Managereinkommen gerecht, sofern sie den Profit des Unternehmens steigern konnten, legen wir gesellschaftlichen Nutzen zugrunde, sieht die Sache anders aus.

Die Linke fordert immer wieder eine Beteiligung der Arbeitnehmer an den Profiten einer Kapitalgesellschaft. Ist das überhaupt im Rahmen der Marktwirtschaft möglich? Und wenn ja, wie?

Das ist durchaus möglich. Die Erfahrung zeigt aber, dass eine Kapitalbeteiligung von Beschäftigten an einem Unternehmen keines der Probleme, mit der ich unsere Gesellschaft konfrontiert sehe, löst. Die Beschäftigten geraten dabei in eine widersprüchliche Position: Sie wollen selbstverständlich ihre Kapitalanteile maximieren. Das funktioniert durch eine Intensivierung von Arbeit, durch höhere Ausbeutungsraten und schlechtere Arbeitsbedingungen. Als ‚Arbeitnehmer‘ treten sich selbst als ‚Arbeitgeber‘ gegenüber. Genauso skeptisch sehe ich eine Beteiligung an großen Pensionsfonds, die ganz im Sinne des Finanzkapitalismus funktionieren. Und bei großen Crashs sind dann die Vermögen oder Renten futsch.

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