p/ög-Jahrestagung „Krise der Privatisierung“

Die 5. Jahrestagung des Netzwerkes p/ög (Privatisierung/Öffentliche Güter) hat sich in diesem Jahr um das Thema „Krise der Privatisierung“ gedreht.

Mario Candeias faßt die Ergebnisse zusammen: Vom Scheitern der Mythen. Privatisierungskrisen
Der Staat ist wieder chic, Privatisierungen out – so scheint es. Doch Vorsicht, warnen Referenten auf der 5. Jahrestagung des ppg-netzwerkes (privatisation/public goods) im Hause der Rosa Luxemburg Stiftung vom 14. Dezember 2007 – es gibt auch linke Mythen.
So warnt Werner Rügemer vor 75 Anti-Privatisierungsaktivisten, Forschern und Politikern, dass Staatseigentum wahrlich kein Garant für die Gewährleistung des Gemeinwohl sei. „Der Staat ist vielmehr ein Akteur der Privatisierung.“ Umso mehr, wenn er nicht nur aktiv Eigentum veräußert, sondern wenn staatseigenen Unternehmen selbst Profitmaximierung und Wettbewerbsfähigkeit als leitende Maxime verordnet werden. Doch tatsächlich kann von einer Krise der Privatisierung gesprochen werden: der Staat müsse immer wieder bei gescheiterten Privatisierungen einspringen.
Die Staatsintervention wird nötig, um die Schulden bankrotter Unternehmen zu übernehmen und die Bereitstellung wesentlicher öffentlicher Güter zu gewährleisten. Eric Swyngedouw (swyngedouwwater.pdf) zeigt, wie daher Investoren von dem Versuch einer direkten Leistungserbringung und Kontrolle mehr und mehr zu Strategien der Inwertsetzung über Finanzialisierung und Public-Private-Partnerships übergehen. “Fonds wollen kein Wasser managen, sondern Geld.“ Doch in der Regel zeigt sich: „there is no profit in water“, die Profitrate ist niedrig, staatliche Subventionen werden notwendig.
Etwas anders im Krankenhausbereich: Dort werden ordentliche Profite erwirtschaftet, doch so Jane Lethbridge (lethbridge-paper.pdf, lethbridge-slides.pdf), diese werden mit deutlich sinkender Qualität (für Normalversicherte) und höherer Arbeitsbelastung bei sinkenden Reallöhnen erkauft – trotzdem werden nur 0,07 Prozent der Kosten eingespart. Kein gutes „Geschäft“ für die Allgemeinheit.
Entsprechend nehmen die Proteste gegen Privatisierungen zu. In Großbritannien nimmt die Labour-Regierung bereits Abstand von der weiteren Privatisierung der staatlichen Health Care. Werner Raza spricht von der dritten Welle des Protests – es fällt den Neoliberalen zunehmend schwerer die Segnungen der Privatisierung zu propagieren, nicht zuletzt angesichts einer wachsenden Zahl kritischer internationaler Studien der Privatisierungsfolgenabschätzung, wie etwa des Wissenschaftsnetzwerkes Presom oder der ppg.
Weitreichende soziale Kämpfe für Deprivatisierungen wie in Bolivien, von denen Cythia Vargas Amurillo berichtete, führen bereits zu neuen, partizipativen Steuerungsformen öffentlicher Güter. Doch um die Entwicklung von Alternativen in Europa ist es noch nicht gut bestellt. Werner Rügemer meint: „Die Mythen glaubt keiner mehr, aber das Projekt der Privatisierung wird fortgeführt“ – die Arbeit der ppg, zur Entwicklung von Alternativen ebenso.

themen:

  • legitimationskrisen der privatisierung
  • failed privatisations (gescheiterte privatisierungen)
  • deprivatisation – die rückkehr des öffentlichen

mit:
jane lethbridge (PSIRU, london), cyntia vargas amurrio (la paz/bolivien), eric swyngedouw (manchester), werner rügemer (köln), werner raza (wien), benedict ugarte chacón (berlin), tim engartner (köln), philipp terhorst (berlin), christina deckwirth (marburg), andrej holm (berlin), rainer rilling (berlin)

A. Legitimationskrisen
1. Ende der Privatisierungsmythen – Werner Rügemer (Köln) – Audio:mov/mp4
(freier Journalist, Mitglied von Transparency International und aktiv in Anti-Privatisierungskämpfen; Veröffentlichung u.a.: ›Privatisierung in Deutschland‹, Westfälisches Dampfboot, Münster 2006)

2. Privatisierungseffekte in der EU – Werner Raza (Wien) – Audio:mov/mp4
(Ökonom, Wirtschaftsuniversität Wien, V: Kurswechsel, Heft 3/2004: ›Privatisierung öffentlicher Dienstleistungen‹)

Diskussion & Moderation: Rainer Rilling (Rosa Luxemburg Stiftung) – Audio:mov/mp4

B. Failed Privatisations – gescheiterte Privatisierungen
1. Die Bahnprivatisierung, eine Farce – Tim Engartner (Köln) – engartner_bahn.pdf, Audio:mov/mp4
(Wirtschafts- und Sozialwissenschaftler, Uni Köln, aktiv in der attac-Kampagne ›Bahn für alle‹, veröffentlicht demnächst: ›Die Privatisierung der Bahn. Über die Implementierung marktorientierter Verkehrspolitik‹, VS-Verlag 2008)

2. Gesundheit und Commerz – Jane Lethbridge (London) – lethbridge-paper.pdf, lethbridge-slides.pdf, Audio:mov/mp4
(Independent health policy consultant, Mitglied von Public Services International Research Unit, Projekte im Rahmen des UN Research Institute for Social Development, V: ›Implications of healthcare liberalization for workers’ security‹, in: Winners or Losers? Liberalizing Public Services, hgg. v. Ellen Rosskam, ILO 2006)

3. Wasser- und Kapitalflüsse – Eric Swyngedouw (Manchester) – swyngedouwwater.pdf, Audio:mov/mp4
(Prof. für Geographie an der Uni Manchester, verbindet die Ansätze der Political Geography und der Political Ecology, V: Social Power and the Urbanization of Water: Flows of Power, Oxford University Press 2004)

Diskussion & Moderation: Christina Deckwirth (Marburg) – Audio:mov/mp4

C. Deprivatisierung – Die Rückkehr des Öffentlichen

1. Nach der Deprivatisierung… – Cyntia Vargas Amurrio (La Paz/Bolivien) – Audio:mov/mp4
(Mitarbeiterin der NGO Agua Sustentable, aguasustentable.org, aktiv in den Kämpfen)

2. Alternativen im Öffentlichen – Benedict Ugarte Chacón (Berlin) – benedictugarte.pdf, Audio:mov/mp4
(Politologe und Aktivist der Initiative Berliner Bankenskandal sowie von ABRISSBERLIN – gegen die Politik des Abrisses und der Privatisierung, für Freiräume, kulturelle Vielfalt, freie Bildung und Alternativen)

3. Paradoxien der Deprivatisierung – Philipp Terhorst (Berlin) – Audio:mov/mp4
(politischer Bewegungsforscher, Promovend am Water Engineering and Development Centre der Loughborough University mit Schwerpunkt Südamerika

Diskussion & Moderation: Andrej Holm (Berlin) – Audio:mov/mp4

This Post is also available in: Englisch

One Response to “p/ög-Jahrestagung „Krise der Privatisierung“”

Hinterlasse eine Antwort