Die Woba als Paradebeispiel. Dresdner Wohnungsverkauf erregt bundesweit Aufsehen – Kritik wird lauter

Der Verkauf des Dresdner Wohnungsunternehmens Woba kommt in die letzten Phase. Während in der Stadt bereits über den Einsatz des Kauferlöses gestritten wird, mehren sich bundesweit die warnenden Stimmen.
Gong zur letzten Runde: Bis Montag müssen die Interessenten für den Kauf der Dresdner städtischen Wohnungsgesellschaft Woba – dem Vernehmen nach sind das die Immobilienfonds Appellas, Corpus und Fortress sowie der italienische Mischkonzern Pirelli – ihre Angebote vorgelegt haben. Danach bleibt noch etwas mehr als ein Monat, um mit den Höchstbietenden über Details zu verhandeln. Im März entscheidet der Stadtrat, wer die Gesellschaft mit ihren rund 48 000 Wohnungen übernimmt. Es werde, sagt Finanzbürgermeister Hartmut Vorjohann, »Wettbewerb bis zur letzten Minute« geben.
Gerungen wird schon jetzt um die Verwendung des Verkaufserlöses, der Schätzungen zufolge 650 Millionen Euro betragen könnte. Der Stadtrat hatte ursprünglich beschlossen, das Geld ausschließlich in die Schuldentilgung zu stecken. Im Etat für 2007 hat Vorjohann aber 60 Millionen für Investitionen in Verkehrsbauten und die Sanierung von Schulen, Kitas und Kulturpalast eingestellt.
Die Linksfraktion, die den Verkauf gegen heftige Widerstände aus der Partei mehrheitlich unterstützt, zugleich aber auf einem Junktim zwischen Verkauf und Schuldentilgung besteht, sah sich einer Zerreißprobe ausgesetzt, hat aber nach Aussagen von Stadträtin Christine Ostrowski einen Kompromiss erzielt. Dieser sieht im Kern vor, die 60 Millionen in einen Extratopf zu zahlen, daraus die auch von der Linken lange geforderten Investitionen zu finanzieren und den Topf bis 2010 wieder aufzufüllen. Mehrerlöse sollten »radikal« in die Entschuldung fließen.
Skeptiker dürften sich jedoch in ihren Befürchtungen, mit dem Geld würden Haushaltslöcher gestopft, bestätigt sehen. Die Kritiker finden sich nicht mehr nur in der Dresdner Kommunalpolitik oder beim Deutschen Mieterbund, der vor einem »nicht wieder gut zu machenden Fehler« warnt. Auch Sachsens CDU-Innenminister Albrecht Buttolo bezeichnet den Verkauf kürzlich als »schlechthin unsinnig«, weil die Stadt eine »wichtige Manövriermasse für die kommunale Daseinsvorsorge« preisgebe.
Dass Buttolos Äußerungen in der »Welt« erschienen, belegt zudem, dass der Woba-Verkauf zunehmend bundesweit als Musterfall für den Umgang mit Wohnungen in öffentlichem Besitz angesehen wird. Von knapp vier Millionen solcher Wohnungen sind bereits 600 000 verkauft, in der Regel an angelsächsische Immobilienfonds; eine weitere Million steht zur Veräußerung. Die »Zeit« widmete diesem Thema kürzlich ein umfangreiches Dossier und ging dabei ebenfalls auf den Fall Dresden ein.
Politisch wird das Thema sehr kontrovers diskutiert – quer zu den vorhersehbaren Fronten. Kritiker des Woba-Verkaufs verweisen mit Genugtuung auf ein Interview des Hamburger CDU-Bürgermeisters Ole von Beust in der »Zeit«, in dem die Wahlniederlage im Bund analysiert wird. Von Beust bekennt sich dort zu einer »gewissen Schutzfunktion«, die der Staat ausüben oder für die er Standards setzen müsse. Vor einem Verkauf kommunaler Wohnungen aus ordnungspolitischen oder finanziellen Gründen könne er nur warnen.
Während Dresdner Linke wie Ostrowski in diesem Zusammenhang auf die sehr weitreichende »Sozialcharta« für den Verkauf verweisen, gehen führende Genossen der Linkspartei zum Woba-Verkauf deutlich auf Distanz. Als Oskar Lafontaine letzten Samstag auf der Berliner Rosa-Luxemburg-Konferenz Bausteine für ein Gründungsmanifest vorstellte und Widerstand gegen jegliche Privatisierung kommunaler Dienstleistungen als eine der »Grundlinien« bezeichnete, die in Regierungsbeteiligung nicht überschritten werden dürften, kritisierte der Fraktionschef nicht nur den auch von der Linkspartei mitgetragenen Beschluss zum Verkauf der Berliner Wohnungsgesellschaft GSW, sondern ausdrücklich auch die Vorgänge in Dresden: »Das war ein Fehler.« Linke Politik sei stärker als die der anderen Parteien auf Glaubwürdigkeit angewiesen, so Lafontaine. Wer sich gegen Privatisierungen ausspreche, müsse dies auch in politischer Verantwortung durchhalten.
Von Hendrik Lasch
Quelle: Neues Deutschland vom 18.01.2006 >>> http://www.nd-online.de/funkprint.asp?AID=84273&IDC=2&DB=

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