Kein oeffentliches Eigentum verhoekern!

Gegen Privatisierung von Bundesvermögen zur Sanierung des Haushalts.
Um den Bundeshaushalt auszugleichen, plant die Regierung, in den beiden kommenden Jahren Bundeseigentum in einem Wert von 40 Milliarden zu veräußern. Bis zum Jahr 2009 sollen es insgesamt 54 Milliarden werden. Verkauft werden soll unter anderem der Rest der Telekom-Aktien, die noch in Bundesbesitz sind, die Deutsche Bahn oder Abschnitte von Bundesautobahnen. Diskutiert wurde auch, wie die Welt am 26.11. schreibt, der Verkauf von Immobilien, so von Ministerien. Das sei aber wieder verworfen worden. (Vorhaben, Minister zu verkaufen, sind noch nicht gemeldet worden.)
Der Verkauf von öffentlichem Eigentum ist nicht der richtige Weg, die Staatsfinanzen in Ordnung zu bringen. Der Staat braucht Sachvermögen, um seinen Aufgaben bei der Daseinsvorsorge oder der Preisregulierung nachzukommen. Zur Privatisierung gibt es Alternativen: Die Haushaltsdefizite sind durch höhere Steuereinnahmen zu beseitigen: Die Besteuerung der Gewinneinkommen und Vermögen muss wieder erhöht werden. Anzustreben ist der Stand von 1991. Denn würden die Gewinneinkommen wieder mit demselben effektiven Steuersatz belastet, wie dies Anfang der 90er Jahre der Fall war, dann hätte der Staat Mehreinahmen von rund 40 Milliarden Euro. Würden die hohen Vermögen und Erbschaften wieder angemessen besteuert, kämen je nach Ansatz weitere 15 Milliarden hinzu, und könnten die Bundesländer sich auf eine sorgfältigere Steuerpraxis verstehen, ließen sich viele zig Milliarden Steuerhinterziehung vermeiden.
Privatisierung widerspricht jeder vernünftigen Auffassung über geordnetes Wirtschaften. In der Privatwirtschaft schließlich gilt als Bankrotteur, wer mehr ausgibt als er einnimmt und dann gezwungen ist, einen großen Teil seines Vermögens zu verkaufen. Bevor der Bund Vermögen verkauft, ist doch wenigstens zu fragen, warum er so wenig eingenommen hat, obwohl doch seine Ausgaben nur sehr mäßig angestiegen sind. Der entscheidende Grund hierfür ist die anhaltend absinkende Besteuerung der Gewinne und Vermögen. Während der Anteil der Gewinne am Volkseinkommen kräftig angestiegen ist und auch die Vermögen beträchtlich angewachsen sind, sind die Einnahmen des Staates aus Gewinn- und Vermögensbesteuerung von 1991 bis 2004 von 69 Mrd. Euro auf 67 Mrd. Euro gefallen. Die Massensteuern dagegen haben in demselben Zeitraum kräftig zugelegt. Sie sind von 236 Mrd. auf 317 Mrd. angestiegen.
Damit ist eines klar: Der Staat verzichtet zunehmend darauf, Gewinn und Vermögen zu besteuern. Um das Defizit nicht zu groß werden zu lassen, werden erstens sozialen Leistungen und die öffentlichen Personalausgaben gekürzt und zweitens die Massensteuern erhöht. Die geplante Mehrwertsteuererhöhung ab 2007 und die weiteren Kürzungen im sozialen Bereich setzen diese Strategie fort. Dennoch lassen sich die Defizite so nicht eindämmen: Denn wenn der Staat Gewinnbezieher und Vermögensbesitzer reichlich beschenkt, dann ist die Freude dort zwar groß, aber die gesamtwirtschaftlichen Folgen sind fatal: Die so liebevoll Bedachten geben nicht aus, was sie zusätzlich einnehmen. Folglich nehmen Nachfrage und Wachstum ab und konsequenterweise sind zusätzliche Steuereinnahmen nicht in Sicht. Auf der anderen Seite steigen die Ansprüche an den Staat, weil nun noch mehr Erwerbslose zu versorgen sind. Weitere Kürzungen beim Arbeitslosengeld I und II werden die Folge sein.
Das Ende vom Lied ist leicht zu erraten: Nachdem wegen der Steuergeschenke die Reichen reicher und der Staat ärmer geworden sind, verkauft der Staat nun sein Vermögen an dieselben Reichen. Zu betonen ist: Die Käufer bezahlen den Kaufpreis mit den Steuergeschenken, die sie vorher vom Staat reichlich bekommen haben. denn es sind diese Geschenke, die das Haushaltsdefizit verursacht haben.
Grundsätze gibt es offenbar nicht mehr, wenn es ums Bereichern geht. Es ist hier wichtig, an den Leitgedanken des Artikel 115 des Grundgesetzes zu erinnern, der festgelegt, dass der Staat nur soviel Kredit aufnehmen soll, wie er durch Investitionen seinem Sachvermögen dazufügt. Sein Nettovermögen soll sich bei Beachtung dieser Regel durch Kreditaufnahme nicht verringern. Für die gegenwärtige Situation eines sehr großen Ungleichgewichtes auf dem Arbeitsmarkt sieht unsere Verfassung sicherlich eine Ausnahme vor. Hier kann die Kreditaufnahme höher ausfallen als die öffentlichen Investitionen. (Eine Verfassungsklage dagegen wäre also reiner Unsinn.) Was uns hier aber interessieren muss, ist die Grundidee, wonach der Staat sein Nettovermögen eben nicht verringern soll. Das allerdings, der Geist der Verfassung, zählt nicht mehr, wenn es ums Geschäfte-Machen geht.
 
Dass sich unsere Verfassung von der Grundidee leiten lässt, das öffentliche Vermögen nicht zu verringern, hat einen tieferen Sinn: In sehr vielen Leistungsbereichen versagt die Privatwirtschaft. Marktversagen ist traditionell von den unterschiedlichen Richtungen der Wirtschaftswissenschaft anerkannt. Erst der Neoliberalismus redet von Staats- und Demokratieversagen. Wir aber brauchen staatliche Leistungen in vielen Bereichen, so im Gesundheits- und Verkehrswesen, in der Wasser- und Energieversorgung und in vielen Breichen mehr. Ohne öffentliches Eigentum kann es keine wirksame Daseinsvorsorge des Staates geben. Viele Länder, die die Privatisierung sehr vorangetrieben haben, sind nun wegen unzureichender Leistungen der Privatunternehmen gezwungen, die entsprechenden Bereiche wieder zu öffentlichem Eigentum zu machen. Wir können uns diesem Umweg ersparen, indem wir gleich aus den Erfahrungen mit der Privatisierung lernen.
[Verfasser: Herbert Schui. WASG-28.11.2005)

Frankreich: Widerstaende gegen Privatisierung

Mit dem Börsengang ist die Teilprivatisierung des französischen Energiekonzerns EDF bereits vollzogen worden, die Eisenbahner fürchten ähnliches und sind in Streik getreten.
Am Montag, 21. November 2005, zur Mittagszeit fand die erste Börsennotierung des bisher öffentlichen französischen Stromversorgungsunternehmens EDF ([extern] Electricité de France) statt. EDF ist mit 160.000 Mitarbeitern und über 27 Millionen Kunden Europas größter Energiekonzern. In den vorangegangenen vier Wochen sind Aktien für sieben Milliarden Euro verkauft worden, bei einem Preis von 32 Euro (für Privatpersonen) bzw. 33 Euro (für Großanleger) pro Aktie. Im Moment scheinen die Privatleute stärker angezogen worden zu sein als die Großanleger, so dass der für erstere reservierte Aktienanteil im Laufe der letzten vier Wochen um 10 Prozent erhöht worden war, jener für die Großanleger wurde entsprechend verringert. Am ersten Börsentag der EDF-Aktie notierte diese bei Börsenschluss am Abend bei 32 Euro (ungefähr 40 Cents unterhalb des Kurses am Mittag) und lag damit genau auf der Höhe des Ankaufpreises für Privatanleger. >>> http://www.heise.de/tp/r4/artikel/21/21411/1.html

MOSKAU, 13. Oktober (RIA Nowosti). Der einzige Weg, die Qualität der Wirtschaftspolitik in Russland zu steigern, besteht darin, den Ölsektor zu privatisieren und die Einschränkungen für den Zugang von Ausländern zur Energiewirtschaft aufzuheben. Diese Meinung äußerte Andrej Illarionow, Wirtschaftsberater des russischen Präsidenten, am Donnerstag in der „Iswestija“.
Seine neue Diagnose für Russland lautet „Petrokapitalismus“ (vom lateinischen „petroleum“). Die Supereinnahmen infolge der hohen Ölpreise hätten die politische Elite demoralisiert und die Qualität der Wirtschaftspolitik radikal verschlechtert, so Illarionow. In Russland sei ein „Petrostaat“ entstanden, der, vertreten von der Petro-Elite, eine uneffektive Petro-Politik realisiere. Schuld daran sei nicht das Öl, sondern die Einstellung der herrschenden Eliten dazu. Die Einträglichkeit des Ölsektors gebe den Beamten keine Ruhe, stellt der Präsidentenberater fest.
Russland geht den Weg einer Nationalisierung – Beispiele dafür sind der Erwerb der Ölgesellschaft Sibneft durch Gasprom und der Verkauf des Konzerns Power Machines an die Stromholding RAO UES. Dies führte zu einem Ausbleiben von Investitionen, zur Einstellung des Wirtschaftswachstums und zu einer radikalen Verringerung der Pro-Kopf-Einkommen. Illarionow prophezeit Russland die Zukunft eines Venezuela, das nach der Nationalisierung der Ölindustrie zu einem „Paria der internationalen Völkergemeinschaft“ geworden sei.
Die Macht lässt sich aber in der jetzigen Etappe nicht davon beeindrucken, führt er weiter aus. Die Öldollars kommen weiterhin in einem endlosen Strom her, und der Staat erhöht mit allen Mitteln die Staatsausgaben. Insofern gibt es dank der Ölkonjunktur immer mehr Beamte, während die Beschäftigung im Marktsektor sinkt.
Von einer niveauvollen Wirtschaftspolitik kann keine Rede sein, so Illarionow. Deshalb kann die Wirtschaft auch keine Erfolge aufweisen. Die Inflation nimmt zu, die Industrie entwickelt sich nicht, der Import schlägt alle Rekorde, während das Geld aus dem Land flüchtet. Die Wirtschaft wächst um 5,7 Prozent, während das Wachstum auch 15,3 Prozent hätte betragen können, wäre Russlands Führung bei der Wahl der ökonomischen Entwicklungsstrategie weitsichtiger gewesen.
Vorbilder für Russland sieht Illarionow in den GUS-Nachbarländern Aserbaidschan und Kasachstan. Dort gehört der gesamte Ölsektor privaten Unternehmen, dazu noch hauptsächlich ausländischen. Als Folge hat Aserbaidschan sein BIP bereits verdoppelt, während Kasachstan das im nächsten Jahr tun wird. Russland aber würde das laut der Prognose des Präsidentenberaters frühestens 2012 erreichen können.
Quelle: >>> http://de.rian.ru/articles/20051013/41760546.html

Weltbank-Studie "Where is the Wealth of Nations?"

Die vor einigen Wochen erschienene Studie monetarisiert, was ihr so unter kommt: Fischbestände, Wälder, Bodenschätze und Energievorkommen, immaterielle Güter wie Bildung, Regierungsführung und Behördenqualität. Während bei den Ärmsten ein Drittel bis die Hälfte des Reichtums aus Naturressourcen besteht, liegt dieser Anteil in der BRD bei einem Prozent. In den reichen Ländern liegt mehr als 80 % des Reichtums in so genanntem immateriellen Kapital wie Bildung und funktionierendem Rechtssystem. Lesenswert in diesem Zusammenhang auch Marco Morosinis Artikel „Reichtum oder Wohlstand“ in GAIA 1/2005 und eine Replik von Rademacher.

Kritik an der Privatisierung von Petrom

19. September 2005, Neue Zürcher Zeitung
Kritik an der Privatisierung von Petrom
Der rumänische Präsident rügt Abkommen mit OMV
Der rumänische Staatspräsident Basescu stösst sich daran, dass die Kraftstoffpreise in seinem mit Rohölreserven reichlich gesegneten Land im Gleichschritt zu den Weltmarktnotierungen laufend in die Höhe klettern. Schuld daran sei der im Sommer 2004 erfolgte Verkauf der nationalen Mineralölgesellschaft an die österreichische OMV.
T. K. Wien, 18. September
Benzinpreiserhöhungen sind für die meisten Volkswirtschaften ein Ärgernis, doch in Rumänien mit einem Durchschnittseinkommen von monatlich nur 353 Fr. können sie zu einer Frage des wirtschaftlichen Überlebens werden. Die sukzessive Anpassung des Literpreises Normalbenzin von 27 000 auf rund 37 000 Lei (Fr. 1.58) innerhalb eines Jahres wird in Bukarest umso stossender empfunden, als 80% des Konsums aus eigenen, auf nationalem Territorium gelegenen Rohölreserven stammen. Die rumänische Explorations- und Verteilergesellschaft Petrom lässt sich dadurch freilich nicht beirren: Der Chef des Unternehmens erklärte zu Beginn der letzten Woche, die Absatzpreise müssten an die Vorgaben des Weltmarktes angepasst werden, wolle sich Rumänien nicht dem Vorwurf des Preisdumpings aussetzen.
Basescus Schelte
Der Präsident der Petrom, der Österreicher Wolfgang Ruttenstorfer, liess darüber hinaus verlauten, dass sich das Unternehmen wöchentlich mit dem rumänischen Wirtschaftsminister zur Abstimmung der Geschäftspolitik treffe. Diese Erklärungen reichten dem rumänischen Staatspräsidenten Traian Basescu freilich nicht. Bei seiner Abreise an den Uno-Gipfel fand er Anfang letzter Woche vernichtende Worte für die Petrom-Preispolitik. In New York angekommen, bezeichnete er den im Sommer 2004 erfolgten Verkauf des Unternehmens (und damit auch der gesamten nationalen Rohölreserven) an eine private Gesellschaft (die von Ruttenstorfer geführte österreichische OMV) als «Fehler», und nach seiner Rückkehr am Samstag zweifelte er offen an der Rechtmässigkeit des Privatisierungsvertrages, den er nun überprüfen und später möglicherweise auch veröffentlichen will. Damit hat der streitbare Basescu, der seit Amtsübernahme Ende des vergangenen Jahres immer wieder direkt in die Regierungsgeschäfte eingreift, in ein weiteres Wespennest gestochen.
Reputationsprobleme
Verfassungsspezialisten werfen ihm vor, dass rumänische Staatspräsidenten solche Prüfungen gar nicht vornehmen dürfen, sondern sich im Zweifelsfalle an die zuständigen staatlichen Stellen (in diesem Fall die Wettbewerbsbehörde) wenden müssten. Der ehemalige sozialdemokratische Regierungschef Nastase verteidigte die von ihm selbst (und auch vom österreichischen Regierungschef Schüssel) intensiv «begleitete» Abtretung einer 51%-Aktienmehrheit der Petrom an die OMV als ein vorteilhaftes Geschäft, das der Regierung mit einer Restbeteiligung von 40% genügend Einfluss auf die Preisgestaltung lasse.
Der gegenwärtige Ministerpräsident Popescu Tariceanu kann sich an der Bedrängnis seines Vorgängers jedoch nur beschränkt erfreuen. Er erkennt im Vertragswerk mit der OMV zwar ebenfalls «nicht sonderlich vorteilhafte Klauseln», meint jedoch, dass eine Revision des 1,5- Mrd.-Euro-Geschäftes aus Rücksicht auf die Reputation des auf ausländische Investoren angewiesenen Landes unangebracht und – wegen juristischer Gegenmassnahmen der OMV – auch gefährlich wäre. Einen Ausweg aus dem Dilemma hat nun aber möglicherweise Tanasescu, Nastases Finanzminister und heutiger Vorsitzender des parlamentarischen Haushaltsausschusses, gefunden: Um die Revision des Petrom-Privatisierungsvertrages zu vermeiden und die Energierechnungen für die Bevölkerung verdaubarer zu machen, schlägt er dem Parlament vor, die Treibstoff-Abgaben während sechs Monaten um 13% und den entsprechenden Mehrwertsteuersatz von 19% auf 16% zu kürzen. Dem Dumping-Vorwurf würde sich damit nicht Petrom, sondern der Staat aussetzen.
Diesen Artikel finden Sie auf NZZ Online unter:
>>> http://www.nzz.ch/2005/09/19/wi/articleD5JGO.html

Stephan Finsterbusch / FAZ.net
19. September 2005
Japans Wahlschlacht ist geschlagen, der Kantersieg von Ministerpräsident Junichiro Koizumi gefeiert, nun geht’s ans Eingemachte. Der Regierungschef läutet die letzten Runden im Rennen um die Privatisierungen der riesigen Staatsbetriebe ein. Nach den milliardenhohen Verkäufen der Anteile an Eisenbahn-, Flug- und Telefongesellschaften, an Öl-, Tabak- und Energieunternehmen während der vergangenen zwei Jahrzehnte stehen nun Post-, Autobahn- und Hypothekenbankgesellschaft auf den Verkaufslisten des Fiskus. Hält Koizumi doch an seiner Parole fest: „Ohne Reformen kein Wachstum“.
So hat er nun weitere Einschnitte ins Gefüge der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt auf der Agenda. Mitte dieser Woche geht es los. Dann wird der Regierungschef dem Oberhaus abermals seine geplanten Gesetzesänderungen für die Aufspaltung und den Verkauf der Japan Post Corp. vorlegen. Anfang November dürften seine jahrelang umstrittenen Pläne zur Privatisierung der Staatspost mit ihren 280.000 Mitarbeitern und 25.000 Zweigstellen beschlossene Sache sein. Sicherten ihm doch die parteiinternen Gegner gerade ihre Zustimmung für sein Vorhaben zu.
Die Postprivatisierung bleibt weiterhin umstritten
Anfang August hatten sie Koizumi noch einen Strich durch die Reformrechnung gemacht. Nun geben sie klein bei. Der Ministerpräsident, der nach einer Abstimmungsniederlage vor vier Wochen das Unterhaus aufgelöst, Neuwahlen ausgerufen und parteiinterne Gegner kaltgestellt hatte, war aus der Parlamentswahl Anfang September als Sieger hervorgegangen. Seitdem kann er sich im Unterhaus auf eine satte Zwei-Drittel-Mehrheit stützen.
Denn nach wie vor ist die Postprivatisierung umstritten. Ist doch die Institution seit mehr als hundert Jahren ein Pfeiler des politischen Systems. Über Generationen diente sie Politikern als Hausbank zur Finanzierung von Infrastruktur- und Prestigeprojekten. Darüber hinaus haben acht von zehn japanischen Haushalten ein Sparbuch, sechs von zehn eine Lebensversicherung bei der Post. Die hier verwalteten Vermögenswerte belaufen sich auf 2,5 Billionen Euro. Das ist mehr als die jährliche Wirtschaftsleistung der Bundesrepublik. Damit ist die Japan Post Corp. dreimal so groß wie die Deutsche Bank und doppelt so groß wie die amerikanische Citigroup.
Weltgrößtes Finanzhaus oder gefesselter Riese?
Theoretisch erscheint sie als weltgrößtes Finanzhaus; praktisch aber ist sie ein gefesselter Riese. Kundeneinlagen darf die Post nicht in Aktien anlegen. In den Jahren des Tokioter Börsencrashs und der anschließenden Finanzkrise war das ein Plus. Für viele Anleger war die Post eine sichere Bank. Noch heute sind knapp 80 Prozent der Postbankeinlagen in heimischen Staatsanleihen geparkt, 10 Prozent stecken in erstklassig bewerteten Firmenanleihen, 5 Prozent in Anleihen anderer großer Industriestaaten und 5 Prozent in Geldmarktpositionen. Neben ihrem bedächtigen Anlageverhalten genoß die Post umfassende Staatsgarantien und war von Mindestreserven, Steuer- sowie Dividendenzahlungen befreit.
Koizumi will das ändern. Er peilt an, die Einlagen in die Privatwirtschaft zu lenken. Dazu soll die Post in den kommenden zwei Jahren in vier unabhängige Unternehmen gespalten und zwischen 2007 und 2017 privatisiert werden. Davon versprechen sich Tokios Reformer Verkaufserlöse von bis zu 40 Milliarden Euro. Darüber hinaus rechnen sie mit Steuereinnahmen von jährlich vier Milliarden Euro. Der japanische Staat kann die Einnahmen gut gebrauchen. Denn wegen der schuldenfinanzierten Konjunkturprogramme der neunziger Jahre verbucht er derzeit Verbindlichkeiten von 5,7 Billionen Euro.
Die Privatisierung ist schon lange im Gange
Dem standen in den zurückliegenden zwei Jahrzehnten Privatisierungseinnahmen von 230 Milliarden Euro gegenüber. So brachte der Staat schon in den achtziger Jahren erste Anteile der Japan Airlines und der Nachfolgegesellschaften der Staatseisenbahn an die Börse. Er trennte sich von alten Zucker-, Tabak- und Telekommonopolen. Allein im vergangenen Jahr verkaufte er Anteile an Unternehmen wie der Ölexplorationsgesellschaft Inpex und dem Energieversorger J-Power. Darüber hinaus reduzierte er gerade seinen Anteil an der Telefongesellschaft NTT von 40 auf 33 Prozent und nahm so 4 Milliarden Euro ein. In den kommenden Monaten werden weitere milliardenschwere Aktienpakete auf den Markt gebracht.
Die Einnahmen aber dürften die Aufwendungen des Staates kaum aufwiegen. Sind doch die Privatisierungen an umfassende Neuausrichtungen gekoppelt. Dabei stehen die Altschulden im Mittelpunkt. Sie verbleiben in der Regel bei der öffentlichen Hand. Allein die staatliche Eisenbahngesellschaft JNR hatte vor den ersten Anteilsverkäufen 1987 Schulden von 275 Milliarden Euro in ihren Büchern stehen. Diese Last teilten sich die mittlerweile börsennotierten und mit Gewinn arbeitenden JNR-Nachfolgeunternehmen und eine Liquidationsgesellschaft. Wirklich verkleinert wurde sie dadurch nicht.
Privatisierung bedeutet auch, Altschulden zu realisieren
Grund war ein schlechtes Marktumfeld während Japans Finanzkrise sowie eine gute Portion Mißmanagement durch die Liquidationsgesellschaft. Der Staat sprang ein. Er übernahm die Hälfte der Schulden und bediente sie über seinen offiziellen Haushalt sowie über ein Schattenbudget. Das speiste sich aus einem Topf, den das Finanzministerium immer wieder auffüllte. Dazu bediente es sich der riesigen Posteinlagen, deren Verwaltung den Finanzbeamten jahrzehntelang unterstand. Koizumi entzog ihnen mit seiner Machtübernahme im April 2001 diese Aufgabe und läßt sie seitdem schrittweise auf das Management der Post übertragen.
Mit den anstehenden Privatisierungen stehen dem Fiskus nun weitere Altschulden ins Haus. Ende des kommenden Fiskaljahres soll die staatliche Housing Loan Corp., die mehr als 18 Millionen privaten Hausbauern zinsgünstige Kredite gewährte und selbst hoch verschuldet ist, in neue Strukturen überführt sein. Darüber hinaus wird mit Hochdruck an der Privatisierung der Japan Highway Corp. gearbeitet. Die ersten Schritte auf diesem Weg sind gemacht. Im Frühjahr sollen die wichtigsten gesetzlichen Meilensteine für die ersten Anteilsverkäufe passiert sein.
In den vergangenen fünf Jahrzehnten liefen bei der staatlichen Autobahnbaugesellschaft Schulden von 300 Milliarden Euro auf. Wie der Schuldenberg aber abgetragen werden kann, ist offen. Eins steht schon fest, eine Überbrückungslösung mit Hilfe der Posteinlagen wird es nicht geben. Denn die Post steht selbst vor der Privatisierung, dafür hat Regierungschef Koizumi gesorgt.
>>> http://www.faz.net/s/Rub0E9EEF84AC1E4A389A8DC6C23161FE44/Doc~EFF9E7D3D115249E886B17AD9E38F0003~ATpl~Ecommon~Scontent.html

Neuerscheinung: Kurzschluss. Privatisierung von Energieversorgung im Sueden und die Rolle von Konzernen, Weltbank und GATS

Von Barbara Dickhaus ist bei weed eine neue Broschüre erschienen. Aus der Ankündigung: „Energieversorgung ist von grundlegender Bedeutung für gesellschaftliche Entwicklung. Aufgrund dieser wichtigen sozialen und wirtschaftlichen Rolle wurde Energieversorgung lange Zeit durch staatliche Unternehmen bzw. als öffentliche Dienstleistung bereitgestellt. In den Ländern Asiens, Afrikas und Lateinamerikas wurde öffentliche Energieversorgung jahrzehntelang nicht nur von den Regierungen sondern auch durch Internationale Organisationen und Gelder der Entwicklungszusammenarbeit finanziert. Doch diese Rahmenbedingungen der Energieversorgung haben sich mit dem Liberalisierungsprozess seit den 1980ern grundlegend geändert. Dabei zeichnet sich eine Mehrebenenpolitik ab: Von verschiedenen Akteuren und auf unterschiedlichen Ebenen werden Privatisierung und Liberalisierung forciert und Investitionsrechte internationaler Konzerne juristisch abgesichert. Durch die von Weltbank, transnationalen Konzernen und WTO vorangetriebene internationale Handels- und Investitionspolitik im Energiesektor werden die zentralen Prinzipien von Versorgungsgerechtigkeit und demokratischer Entwicklung unterminiert. In der Studie werden die Ziele und Strategien der zentralen Akteure von Energieprivatisierung im Süden kritisch analysiert und Ansatzpunkte für die Entwicklung von Alternativen vorgestellt.“
Aus dem Inhalt:
* Energieversorgung als öffentliche Dienstleistung: Versorgungsgerechtigkeit und wirtschaftspolitische Zielsetzungen
* Akteure, Institutionen und Strategien der Privatisierung im Energiesektor: nationale Regierungen, regionale Freihandelsabkommen, Weltbank, GATS und TNK (Mehrebenenpolitik)
* TNK und private Beratungsunternehmen als Profiteure der Privatisierung
* Das GATS als Instrument der weltweiten Liberalisierungspolitik
* Ansatzpunkte und Kriterien für die Entwicklung von Alternativen zur Privatisierung von Energieversorgung
>>> http://www.weed-online.org/themen/84686.html