P/OeG Newsletter Februar/Maerz 2007

1. neue Sammlung von Recherche-Instrumenten
2. Grenzen der Nachhaltigkeit: Eigentum an Boden und Produktionsmittel
3. Bildungsprivatisierung: Schulen
4. Sparkassen und Landesbanken unter Privatisierungsdruck
5. Termine/Konferenzen

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1. Recherche-Instrumente bei p/ög
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wemgehoertdiewelt.de bekommte jetzt eine kleine Linksammlung – und zwar
mit ausgesuchten Recherche-Instrumenten und Datensammlungen zum
Themenfeld, zu finden bei
http://www.rosalux.de/cms/index.php?id=12791
Die Liste wird nach und nach wachsen, damit die Perlen aus dem Blog
nicht im digitalen Rauschen untergehen.

2. Grenzen der Nachhaltigkeit:
Privateigentum an Boden und Produktionsmittel
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In Mexico wird der Mais knapp und die Tortilla teuer. Der Regenwald in
Brasilien muss Zuckerrohr-Monokulturen weichen, ebenso wie der
Dschungel auf Sumatra den Ölpalmen-Plantagen. Und alles für die
Gewinnung regenerativer Treibstoffe, damit der Mobilitätswahn im
globalen Kapitalismus etwas grüner werde. Konzepte die sich zwar
„nachhaltig“, „bio“ oder „öko“ nennen, sich aber keine Rechnung ablegen
über die grundlegenden ökonomischen Vergesellschaftungsformen unter
deren Bedingungen produziert wird, geraten angesichts solcher Phänomene
in Zwickmühlen. Wer allerdings die Frage nach dem Zweck von
Privateigentum an landwirtschaftlicher Produktionsfläche und -mitteln
unter den Bedingungen kapitalistischer Globalisierung nicht aus den
Augen verliert, den überraschen Umweltzerstörung und soziale
Verelendung als Auswirkung „grüner“ Politikansätze aus dem Norden
überhaupt nicht. Was der frühen grünen Basis-Bewegung noch wenigstens
implizit klar war in ihrem Plädoyer für kurze Wirtschaftskreisläufe und
kleine Einheiten, das haben die IdeologInnen des „Grünen Kapitalismus“
(Böll-Stiftung) und der „Grünen Marktwirtschaft“ (Grüne
Bundestagsfraktion) verdrängt und vergessen: Dass echte Nachhaltigkeit
ohne theoretische und praktische Kritik kapitalistischer
Wachstumsdynamik und ihrer Eigentumsform nicht zu haben ist.

Tortilla-Krise in Mexico
http://www.heise.de/tp/r4/artikel/24/24543/1.html
Selbtorganisation in Mexico in der Anderen Kampagne
http://www.zmag.de/artikel.php?id=2014

Zuckerrohr für Bio-Sprit in Brasilien
http://www.stern.de/wirtschaft/unternehmen/maerkte/:Biosprit-Acker-Das-
Gold/583099.html
Die brasilianische Bewegung der Landlosen
http://www.labournet.de/internationales/br/landlose.html

Die Ölpalme
http://de.wikipedia.org/wiki/%C3%96lpalme
Indigene Proteste gegen Abholzungen in Sumatra
http://www.rimba.com/spc/spcpenan7.html

3. Bildungsprivatisierung: Schulen
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Die Privatisierung der Schulen scheint vielen undenkbar. Nachdem gegen
die Privatisierung der Unis nur noch Rückzugsgefechte stattfinden,
heißt das interessierte Ziel jetzt aber immer offener „Jede Schule ein
kleines Unternehmen“, wie der Freitag schon 2006 titelte –
http://www.freitag.de/2006/31/06310801.php . Im Februar diesen Jahres
war die Schulprivatisierung dann wieder mal im Gespräch. Um eine
Inwertsetzung dieser Sphäre bemüht sich z.B. der Bertelsmann-Konzern
schon länger. ´Running school´ – damit läßt sich noch mehr verdienen
als nur mit den staatlich garantierten Einnahmen aus dem
Schulbuchverkauf. Dem „Projekt »BERTELSMANN-Schulen«“ widmet sich ein
Open-Theorie-Projekt: http://www.opentheory.org/bertelsmann-schulen/
Das Projekt geht auf einen Artikel Rolf Jüngermann zurück, in dem er in
sympathischer Weise die Eigentumsfrage stellt: „Enteignet Bertelsmann –
PUBLIC EDUCATION IS NOT FOR SALE“ –
http://www.bipomat.de/momo/momo.html . Im Augenblick haben die
Privatisierer noch mit Akzeptanzproblemen zu kämpfen und verhalten sich
entsprechend: Den Türöffner bilden jedoch schon seit längerem
PPP-Projekte zur Instandsetzung/-haltung von Schulgebäuden und die
Bewirtschaftung der Pausenbrotstände. Das wird klar z.B. mit einem
Blick über die Presseschau zur Schulprivatisierung (mit starkem
Hessen-Bezug) von Wilhelm Rühl, http://www.meinepolitik.de/privbild.htm

4. Sparkassen und Landesbanken
Ein Korrektiv zum Privatbankensektor gerät unter Privatisierungsdruck
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Knapp die Hälfte des Spar- und Kreditgeschäfts wird in Deutschland von
öffentlichen Sparkassen und Landesbanken sowie von
Genossenschaftsbanken abgewickelt – von Kreditinstituten also, die
nicht das Ziel der unbedingten Gewinnmaximierung verfolgen. Weil sich
diese Kreditinstitute – anders als die privaten Banken – nicht den
Renditeer­wartungen der deregulierten Finanzmärkte unterwerfen müssen,
können sie gesellschaft­liche Aspekte in ihrer Geschäftspolitik
berücksichtigen. Angesichts beschleunigt fort­schreitender
Privatisierungstendenzen ist die Existenz dieses Korrektivs gefährdet:
An­zeichen hierfür waren die Teilprivatisierung der Landesbank HSH
Nordbank und die Aufweichung des Sparkassen-Bezeichnungsschutzes im
vergangenen Jahr. Aktuell sorgen der Verkauf der Landesbank
Berlin/Berliner Sparkasse, die Novellierungen der
Landes­sparkassengesetze in NRW und Hessen und die EU-Kritik an
angeblichen Wettbewerbs­verzerrungen durch Sparkassen und
Genossenschaftsbanken für weitere Angriffe auf das Geschäftsmodell der
Sparkassen. Der verlinkte Text (von Axel Troost und Martin Mathes, 17
Seiten Text, 2 Seiten Antrag, PDF) gibt einen Überblick über die
aktuel­len Privatisierungs-Entwicklungen, nachdem zuvor die Bedeutung
öffentlicher Kreditin­stitute für das Kredit- und Spargeschäft
dargestellt und Entwicklungstendenzen innerhalb des öffentlichen
Bankensektors skizziert wurden.

http://www.rosalux.de/cms/uploads/media/Sparkassen_und_Landesbanken.pdf

5. Termine/Konferenzen
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Tagung „Die Bahn ist keine Ware“ am 17. und 18. März in Berlin.
http://www.bahn-ist-keine-ware.de
Am Abend findet die Premiere des Dokumentarfilms „Bahn unterm Hammer“
statt – u.a. unterstützt durch die RLS – mit anschließender
Diskussionsveranstaltung und Party. Im Berliner Filmtheater Babylon,
Berlin-Mitte (Rosa-Luxemburgstr.30), Samstag, den 17.03.07 um 20 Uhr

***

LAC2007 – die 5. Internationale Linux Audio Conference wird stattfinden
vom 22.-25. März 2007 an der TU Berlin.
„LAC2007 aims at bringing together developers and users of Linux and
open source audio software with the target of information sharing,
project discussion and music. Highlights: Public Talks and Workshops,
Concerts, Tutorials, Proceedings, Live Audio/Video Stream“
http://www.kgw.tu-berlin.de/~lac2007/index.shtml
* Free admission to all events except the concerts

***

Gut zum Programm De-Privatisierung passt die Ent-Prekarisierung –
soziale Sicherheit als öffentliches Gut und die notwendigen Kämpfe
dafür. Eine Veranstaltungsreihe dazu von fels (für eine linke
Strömung), Berlin
http://www.nadir.org/nadir/initiativ/fels/de/2007/03/352.shtml

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Die Konferenz re:publica – http://www.re-publica.de/programm/ – greift
als Konferenz das auf, was einige unter “Web 2.0″, andere unter “Open
Source” oder “Social Media” verstehen: Soziale Netzwerke, Blogs,
Podcasts, Videocasts, Online- und Offline-Communities und -Services –
all diese Phänomene sind Themen bei re:publica ebenso wie deren
Hintergründe, die Philosophie, die Prinzipien, die rechtlichen
Grundlagen der sozialen (R)evolution im Netz.
Am 11. bis 13.4. in Berlin, Kalkscheune, Mitte.

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Please support the network.
We like to invite all of you to support this project, to come to the
workshops and to send information and empirical and theoretical
material to the mailing-list.

With best regards
Mario Candeias: mic-at-candeias.de
Markus Euskirchen: m-at-euse.de
Andrej Holm: a.holm-at-rz.hu-berlin.de
Dieter Klein: klein-at-rosalux.de
Sabine Nuss: nuss-at-rosalux.de
Rainer Rilling: rilling-at-rosalux.de
Anja Rozwando: anja.rozwando-at-googlemail.com

ppg network:
Rosa Luxemburg Foundation
Research Group Political Analysis
Franz-Mehring Platz 1
D-10243 Berlin
Germany

http://wemgehoertdiewelt.de
http://www.who-owns-the-world.org

Tel: +49 (030) 44310-179
Fax: +49 (030) 44310-222

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Auch in Oesterreich: Lieber reich und gesund als arm und Krank

Ein neues Buch zum Thema Gesundheitsprivatisierung in Österreich im internationalen Vergleich.
Und eine Homepage mit Zeitungsschau zum diesem Thema
http://www.krankegeschaefte.at/zumthema.htm
mit Newsletter.

Warum erhöhen Krankenkassen Selbstbehalte und reduzieren gleichzeitig ihre Leistungen?
Warum haben private Unternehmen wie Baukonzerne, Banken und Versicherungsriesen Interesse Krankenhäuser oder Pflegeheime zu betreiben?

Europas Gesundheitssysteme sind auf dem Weg zu amerikanischen Verhältnissen. Der Staat zieht sich zunehmend aus der Versorgung zurück. Stattdessen besetzen Privatunternehmen Schlüsselpositionen im Gesundheitswesen. Wer es sich leisten kann, bekommt weiterhin eine umfassende Versorgung. Andere müssen warten. Schon jetzt zahlen die Österreicherinnen und Österreicher fast ein Drittel aller Gesundheitsausgaben aus der eigenen Tasche – Tendenz steigend. In Deutschland gehören bereits 20 Prozent aller öffentlichen Krankenhäuser privaten Konzernen, die auch schon in Österreich Fuß gefasst haben.

Kranke Geschäfte mit unserer Gesundheit zeigt diese Entwicklungen im internationalen Vergleich auf, stellt die Akteure im Liberalisierungskarusell vor und deckt deren Pläne und Netzwerke auf. Ein Buch für alle, die Veränderungen im Gesundheitswesen mit Unbehagen verfolgen, denen aber die Zusammenhänge und Hintergründe bisher verborgen geblieben sind.

Privatisierungsfolgen in Neuseeland

Helen Clark, Premierministerin von Neuseeland, im Interview mit der NZZ:
«Wir brauchen einen starken Staat»
http://www.nzzfolio.ch/www/d80bd71b-b264-4db4-afd0-277884b93470/showarticle/519837ca-e9c2-4c20-918c-31ac11ad8045.aspx
kurzer Ausschnitt zum Thema Privatisierung und ihre Folgen:
Frage: Neuseeland hat damals im großen Stil Staatseigentum verkauft. Das war also keine gute Idee?
Helen Clark: Das waren oft Desaster! Zum Beispiel die Privatisierung der Eisenbahn und auch der Fluggesellschaft. Wir mussten beide in den letzten fünf Jahren zurückkaufen, sonst hätte Neuseeland weder das eine noch das andere. In der Telekommunikation wurde aus dem Staatsmonopol ein Privatmonopol, das Mitbewerbern den Zugang verwehren konnte.
(gefunden bei http://www.nachdenkseiten.de/?p=1983 )

Das vollstaendige Interview der NZZ:

Privatisierung – NZZ Folio 09/06
«Wir brauchen einen starken Staat»

Seit die Sozialdemokratin Helen Clark Neuseeland regiert, hat sie die Privatisierung behutsam zurückgedreht. Und das Land kann erstaunlich gute Wirtschaftsdaten vorweisen. Trotzdem oder deswegen? Von Anja Jardine

Frau Premierministerin, Neuseelands Wirtschaft floriert, es gibt kaum Arbeitslose. Verdanken Sie das den «Rogernomics» – den radikalen Wirtschaftsreformen der 1980er Jahre, benannt nach dem damaligen Finanzminister Roger Douglas?

Das glaube ich nicht. Die Deregulierung erfolgte vor zwanzig Jahren, danach sind wir jahrelang furchtbar gestrauchelt. Und ich bin überzeugt, dass die Rogernomics deshalb nicht funktioniert haben, weil es für den Staat keine angemessene Rolle gab, denn es bedarf in der Marktwirtschaft des 21. Jahrhunderts unbedingt einer Führungsrolle des Staates. Seit ich im Amt bin, versuche ich, die für Neuseeland herauszuarbeiten.

Worin besteht die Rolle?

Wir sind ein kleines Land, wir müssen als «Neuseeland Incorporated» arbeiten, wir müssen unsere Politik eng auf unsere Wirtschaft ausrichten – ihre Potentiale identifizieren, gezielt forschen und entwickeln, sicherstellen, dass genug Risikokapital zur Verfügung steht. Die Privatwirtschaft reisst sich nicht drum, Ideen zu finanzieren, die sich noch nicht bewiesen haben. Sowenig wie sie freiwillig Grundversorgung gewährleistet oder in Infrastruktur investiert. Das hat uns die Erfahrung gelehrt.

Neuseeland hat damals im grossen Stil Staatseigentum verkauft. Das war also keine gute Idee?

Das waren oft Desaster! Zum Beispiel die Privatisierung der Eisenbahn und auch der Fluggesellschaft. Wir mussten beide in den letzten fünf Jahren zurückkaufen, sonst hätte Neuseeland weder das eine noch das andere. In der Telekommunikation wurde aus dem Staatsmonopol ein Privatmonopol, das Mitbewerbern den Zugang verwehren konnte. Es mangelt in diesem Bereich noch heute an Wettbewerb und Angebot. Wir haben grosse Mühe, das zu korrigieren. Zum Beispiel versuchen wir gerade, im Bereich der Breitbandtechnologien das Gefüge aufzubrechen.

Warum gab es beim Verkauf keine Auflagen, die Grundversorgung und Wettbewerb sicherstellten?

Wir waren mit die ersten weltweit, die deregulierten. Das Pendel schwang von einer Art westlichem Albanien, das wir waren, zu einem Zustand ohne jede Regeln. Die privaten Energiekonzerne zum Beispiel haben über Jahre hinweg nur den Profit abgezogen und weder in Instandhaltung noch Erneuerung des Netzes investiert.

Was unter anderem dazu führte, dass 1998 für 66 Tage weite Teile Aucklands ohne Strom waren.

Ja. Ähnlich erfolglos war der Verkauf der Banken: der Postbank und auch der Bank of New Zealand. Es gibt heute keine neuseeländische Bank von Rang mehr, die meisten sind in australischer Hand. Und weil diese Grossbanken kein Interesse am kleinen Mann haben, konnte man in manchen Städten jahrelang kein Konto mehr eröffnen. Die Regierung musste auch da einspringen und hat in den Postfilialen eine Bank eingerichtet.

Hätte Neuseeland 1984 die Möglichkeit gehabt, die Reformen behutsamer durchzuführen?

Fest steht: Wir konnten nicht weitermachen wie bisher. Aber es hätte besser geplant sein müssen, von entsprechenden Massnahmen begleitet. So gibt es in Neuseeland zum Beispiel Potential für Nischenproduktion, doch dazu bedarf es hochqualifizierter Arbeiter und Innovation. Das hätte man parallel initiieren müssen. Vor allem hätten die Menschen wissen müssen, was auf sie zukommt. Die haben die Reformen nie gewählt. Auf diese Weise verliert man die demokratische Legitimation. Wir mussten das Wahlrecht ändern – vom britischen Modell zum deutschen Verhältniswahlrecht, das kleinen Parteien den Zugang erleichtert. Die Menschen haben uns nicht mehr vertraut.

Wie waren Sie persönlich in die Reformen involviert?

Ich war im Parlament, und ich war zweifelsfrei nicht einverstanden mit dem, was da geschah. Und als ich 1987 dann Ministerin für Wohnungsbau und Gesundheit wurde, musste ich mich mit den sozialen Konsequenzen der Reformen auseinandersetzen, und die waren enorm. Wenn man ein System mit freier Ausbildung und freiem Gesundheitswesen abschafft, bewegt man sich als Nation rückwärts.

Aber es gab keine nennenswerte Opposition. Die National-Partei machte weiter, wo Labour aufgehört hatte.

Moment, die Labour-Regierung hat in der ersten Reformrunde die Wirtschafts- und Finanzmärkte dereguliert, aber wir haben weder das soziale Netz gekappt noch den Arbeitsmarkt angefasst. Das hat die National Party getan, als sie 1990 an die Macht kam. Die haben Renten und Sozialleistungen gekürzt, Gebühren für Krankenhäuser und Universitäten eingeführt sowie die Gewerkschaften entmachtet. Es kam zu Massenentlassungen. Da ging es erst richtig abwärts.

Aber es war die Labour-Partei, die den Bauern über Nacht die Subventionen gestrichen hat.

Das war richtig. Wir mussten die Subventionen los werden – dauerhafte Bezuschussung der Produktion ist grundsätzlich falsch –, aber es geschah zu schnell, zu hart, zu radikal. Viele Farmer sahen ihr Lebenswerk zerstört. Mein Vater, ebenfalls Bauer, nahm Antidepressiva.

Wer die Krise durchgestanden hat, scheint heute sehr robust zu sein. Ist das so?

Ja, Sie finden keinen einzigen Bauern im Land, der zu den alten Zuständen zurückwill. Unsere Farmen sind hochproduktiv, und der abgelegenste Hochlandbauer hat ein ausgeprägtes unternehmerisches Bewusstsein. Aber es geht nicht nur um Milch, Fleisch, Wolle und Holz, sondern zum Beispiel auch um Biotechnologie. Wir haben vor Jahren eine Taskforce mit Leuten aus Industrie und Regierung eingerichtet, um auf diesem Feld eine klare Strategie zu entwickeln. Die Herausforderung besteht für uns darin, Mehrwert zu schaffen: Functional Food, Nahrungsergänzungsstoffe. Das müssen wir fördern, fördern, fördern.

Weit über 90 Prozent der rund 13 000 Milchbauern haben sich zu einer Grosskooperative zusammengeschlossen: Fonterra. Das sieht nach Sozialismus aus.

Wenn neuseeländische Milchproduzenten anfangen, sich gegenseitig zu unterbieten, haben sie auf dem Weltmarkt keine Chance; wir müssen nach aussen hin gemeinsam auftreten; unsere mittelgrossen Molkereien wären andernfalls längt von Nestlé oder sonstwem geschluckt worden. Deswegen haben wir dem Zusammenschluss eine Sondererlaubnis erteilt. Die Mitgliedschaft ist für die Bauern freiwillig, es gibt drei weitere kleinere Milchkooperativen, so dass im Inland durchaus Wettbewerb herrscht. Kooperativen spielten in Neuseeland schon immer eine grosse Rolle. Auch Obstbauern tun sich für Marketing und Vertrieb zusammen – die Kiwis unter Zespri, die Äpfel unter Enza.

Es ist also legitim, wenn ein Staat seine Industrien vor den rauhen Winden der Weltwirtschaft zu schützen versucht? Tut Europa mit seinen Subventionen für die Landwirtschaft nicht genau das?

Der Unterschied ist der, dass wir die Landwirtschaft als Industrie betrachten, während sie in Europa eher als Naturpflege gesehen wird. In Anbetracht der Grössenordnung der Landwirtschaft in Europa ist das absurd. Länder wie die Schweiz sollten unterscheiden zwischen der Unterstützung ländlichen Lebens einerseits und der Landwirtschaft als Industrie andererseits, denn so wie es nun läuft, profitieren grosse Agrarbetriebe am meisten von den Subventionen. Und das ist unfair gegen alle anderen.

Wie steht es mit dem Recht eines Staates auf Selbstversorgung?

Das ist altes Denken – allerdings auch in der Psyche der Briten tief verankert. Aber wir müssen den Mechanismen im neuen Europa vertrauen.

Subventionen gehören also gestrichen. Welche weiteren Lehren haben Sie aus den Rogernomics gezogen?

Nicht Privatisierung ist das zentrale Thema, vielmehr geht es darum, Staatsunternehmen so zu organisieren, dass sie nicht nach politischen Kriterien geführt werden, sondern nach unternehmerischen. Neuseeland hat nie Fabriken nach sowjetischem Muster besessen, sondern bei uns ging es um Infrastruktur. Die Eisenbahn gehört zur Grundausstattung, sie ist ein natürliches Monopol. Auch die Airline hätte nicht privatisiert werden sollen, es ist schwer, mit einer Fluggesellschaft Geld zu verdienen. Aber wir vermarkten Neuseeland durch Air New Zealand, deswegen brauchen wir eine Fluggesellschaft, um im Tourismus Geld zu verdienen.

Welche Rolle spielt die nationale Identität in einer globalisierten Wirtschaft?

Wenn wir als Regierung die Kultur nicht fördern, enden wir als Vorstadt von Los Angeles, Sydney oder Frankfurt. Aber wir haben unsere eigenen Geschichten zu erzählen. Europäischer Lebensstil in Neuseeland ist anders als in Europa, Maori gibt es nur hier.

Offensichtlich bedarf es immer wieder der Ermutigung, des Appells an dieses Nationalbewusstsein?

Jemand muss dafür Sorge tragen, dafür Raum schaffen, und dabei geht es letztlich auch um Geld. Warum werden in Neuseeland in letzter Zeit so viele interessante Filme gedreht? Weil wir dafür bezahlen! Wir haben einen Fonds eingerichtet, der Drehbuchautoren und Filmemacher anlockt. Das Gleiche gilt für Musik. Wir stellen sicher, dass neuseeländische Kultur präsent ist. Wenn wir unsere eigene Kultur in Mode, Musik und Kunst zum Ausdruck bringen, gibt das den Menschen Sicherheit.

Fördern Sie die Kultur auch aus ökonomischen Gründen?

Ganz gewiss, denn ikonische Industrien wie Film haben einen Multiplikatoreffekt, der das Image eines Landes prägt, wovon wiederum Tourismus und Handel profitieren. Wir versuchen hier eine ganzheitliche Marke aufzubauen.

Nach den Reformen stand es schlecht um das gesellschaftliche Wohlbefinden. Das soziale Klima war rauh.

Das stimmt, es gab eine latente Aggression, und solche Spannungen in der Gesellschaft darf man nicht auf die leichte Schulter nehmen. Schauen Sie nur, was in Frankreich passiert: zehn Prozent Arbeitslosigkeit, konzentriert in Ghettos, da brennen die Städte. Und wenn Sie sich die Geschichte Deutschlands vor Augen führen, so war es in Zeiten von Armut und Arbeitslosigkeit in der Weimarer Republik, als Hitlers Stunde kam. Ein soziales Gefüge sollte sehr behutsam restrukturiert werden. So gesehen hatten wir in Neuseeland damals erstaunlich wenig Krawall.

Aber eine sehr hohe Jugendselbstmordrate.

Ich bin überzeugt, dass das mit der hohen Jugendarbeitslosigkeit zu tun hatte. Junge sahen keine Zukunft. Seit sie wieder Hoffnung haben, ist die Rate zurückgegangen.

Ihre Politik stand von Anfang an unter dem Slogan «Closing the Gap» (Schliessen der Kluft).

Es ging sowohl um die Kluft zwischen Maori und weissen Neuseeländern als auch zwischen Arm und Reich. Was die Angleichung der Einkommen anbelangt, so müssen wir zusehen, dass unsere besten Leute im Land bleiben, aber auch im untersten Segment Jobs erhalten. Ein Instrument, trotz den Differenzen soziale Sicherheit zu gewährleisten, sind Steuererleichterungen für geringe Einkommen, Investitionen in Gesundheit und Ausbildung, Pensionen. Wir sind Sozialdemokraten, wir wollen keine Bettler auf der Strasse. Schauen Sie sich in Neuseeland um, Sie werden keine finden.

Anja Jardine ist NZZ-Folio-Redaktorin.

Daten zur Vermoegensverteilung

Ausgangspunkt zur Erschliessung von Material zur finanziellen Seite – genauer: der Banken und des Finanzkapitals – sind FINWeb,Banking on the Web (Göttingen), die Financial Site (Würzburg), Site-By-Site! (USA) sowie als Bank- und Finanzportal Qualisteam.
Eine Studie der BIS (Bank for International Settlements) zur Consolidation in the Financial Sector (2001) [pdf] gibt einen Überblick zu Konzentrations- und Zentralisationsbewegungen in diesem Bereich. Derlei Dimensions of the Worldwide Merger Boom analysiert Frederic L. Pryor im Journal of Economic Issues [pdf].Zum Thema Produktivvermögen liefert Web 100 – Big Business on the Web ein Verzeichnis der größten US-amerikanischen und internationalen Firmen auf dem Web, auch nach Zweigen incl.einer Suchfunktion.
Breiter (350 000 Unternehmen) und ebenfalls mit ausführlicher Suchfunktion unter Einschluss von links zu Forschungsreports Corporateinformation.
Die SECEDGAR Database ist eine umfangreiche allgemein zugängliche Datenbank zu US-amerikanischen Unternehmen, ähnlich wie Hoover’s Online (das eine Dependence zu deutschen Unternehmen aufbaut), das European Business Directory und die The Corporate Library. Sehr nützlich ist zudem PR Newswire, das die unternehmenseigenen Medien global kompiliert. Eine weit weniger komplette, kritisch orientierte Zusammenstellung bietet Corporate Ownership von Fair. Ein Führer zu Transnationalen Konzernen und ihrer Wirkung/Verantwortung in Entwicklungsländern findet sich bei Eldis.
Raschen Zugang zu Daten über einzelne Unternehmen geben das
American City Business Journal und als eine Quelle zu
Geschäftsberichten die Annual Reports Gallery bzw. der CEO Express, nicht mehr kostenlos: FreeEDGAR. Für den EU-Bereich die spezielle Website zu Gewerblichem Eigentum und der Sonderbericht der EU Industrial Property (1998) [pdf]. Personalen Reichtum weltweit listet Bornpower.

Konferenz: Sachzwang Privatisierung?

Strategien zur Verteidigung öffentlicher Güter in Europa

mit:
Oskar Lafontaine (Vorsitzender der Fraktion Die Linke. im Bundestag)
Sahra Wagenknecht (MdEP)
Harald Wolf (Wirtschaftssenator des Landes Berlin)
Francis Wurtz (Vorsitzender der Linksfraktion GUE/NGL im Europaparlament)
Dr. Werner Rügemer (Journalist und Buchautor)
Prof. Dr. Jörg Huffschmid (Universität Bremen)
Veronika Hannemann (Ver.di Bezirk Berlin, Fachgruppe Wasser)
Alexis Passadakis (Attac, Weed)
Benedict Ugarte Chacón (Initiative Berliner Bankenskandal)
Dr. Klaus Lederer (Vorsitzender der Linkspartei.PDS Berlin, angefragt)

Samstag, 7. Oktober 2006
im Europahaus, Unter den Linden 78, Berlin

Sachzwang Privatisierung?
Ob Wasser oder Energieversorgung, Krankenhäuser oder Verkehrsbetriebe, Post oder Bahn, Sozialwohnungen oder Schulen – es gibt kaum einen Bereich, der vom Privatisierungswahn der letzten 15 Jahre verschont geblieben ist. Dass mehr und mehr öffentliche Güter zur Ware werden, ist einerseits die Folge der neoliberalen Politik der EU-Kommission. Zum anderen sind durch Steuergeschenke an Reiche und große Unternehmen Haushaltslöcher entstanden, die durch den Verkauf des „Tafelsilbers“ wieder gefüllt werden sollen.
Was kann man gegen den Verkauf öffentlichen Eigentums und die Kommerzialisierung sozialer Leistungen tun und wie kann man die Rekommunalisierung privatisierter Betriebe vor Ort durchsetzen? Wir laden herzlich dazu ein, mit ExpertInnen aus Politik, Wissenschaft und sozialen Bewegungen über diese Fragen zu diskutieren. Ziel ist es, anhand von konkreten Beispielen (Berliner Wasserbetriebe, Berliner Sparkasse) die Hintergründe und Folgen von Privatisierungen aufzuzeigen und Strategien zur Rekommunalisierung privatisierter Betriebe zu entwickeln.

Programm:

13 – 15 Uhr:
Droht die Privatisierung von Sparkassen und welche Alternative gibt es?
mit Harald Wolf, Prof. Dr. Jörg Huffschmid, Benedict Ugarte Chacón

15 – 17 Uhr:
Lokale Proteste gegen Privatisierung und Strategien der Rekommunalisierung am Beispiel der Berliner Wasserbetriebe
mit Dr. Werner Rügemer, Alexis Passadakis, Veronika Hannemann, Dr. Klaus Lederer (angefragt)

17.30 – 19.30 Uhr
Von Frankreich lernen? Der Kampf gegen Deregulierung und Privatisierung in der EU
mit Oskar Lafontaine, Sahra Wagenknecht, Francis Wurtz

Um Anmeldung wird gebeten.

Telefon: +32-2-28-45619 (Brüssel) oder 030-227-70419 (Berlin)
mailto:Sahra.Wagenknecht@europarl.europa.eu
http://www.sahra-wagenknecht.de

Neue Publikation: Schleichende Privatisierung. Kritik der deutschen und internationalen Entwicklungshilfe im Wassersektor

Für das Forschungs- und Dokumentationszentrum Chile-Lateinamerika (FDCL) und die Berliner Landesarbeitsgemeinschaft Umwelt und Entwicklung (BLUE 21) legt Thomas Fritz eine aktuelle Bestandsaufnahme und Kritik der modernisierten Privatisierungsstrategie der deutschen und internationalen Entwicklungszusammenarbeit im Wassersektor vor. Download als pdf: http://www.fdcl-berlin.de/index.php?id=678

Trotz zahlreicher Rückschläge und teilweisem Rückzug einzelner Wasserkonzerne aus Entwicklungsländern halten die bilaterale und multilaterale Entwicklungshilfe unbeirrt an ihren Privatisierungszielen fest. Selbst die in mehreren Evaluierungen bestätigte, vollkommen mangelhafte Armutswirkung der deutschen Wasserprojekte führt zu keiner Trendumkehr. Im Gegenteil: Zunehmend deutlicher kristallisiert sich eine lediglich modifizierte Strategie schleichender, schrittweiser Privatisierung heraus. Es ist zu befürchten, dass diese Strategie in das geplante neue Wasserkonzept des Bundesentwicklungsministeriums Eingang findet.

Diese neue Publikation der beiden Berliner entwicklungspolitischen Organisationen stellt zum einen die wichtigsten Privatisierungstrends auf multilateraler Ebene dar, in die sich die deutsche Entwicklungshilfe bruchlos einfügt. Zum anderen schildert sie die ernüchternden Erfahrungen mit den deutschen Public-Private-Partnerships im Wassersektor. Am Beispiel Boliviens liefert sie Einblicke in die undemokratische Privatisierungspraxis der beiden deutschen Entwicklungsagenturen GTZ und KfW. Das Papier kommt zu dem Schluss, dass sich entgegen aller offiziellen Mythen die Wasserprivatisierung als überaus ineffizient erweist. Während die erhofften Neuinvestitionen äußerst gering ausfallen, werden öffentliche Kassen und Gebührenzahler zunehmend geschröpft.

Inhalt:

1. EINFÜHRUNG
2. PRIVATISIERUNGSSTRATEGIE DER MULTILATERALEN ENTWICKLUNGSZUSAMMENARBEIT
2.1. Trotz Misserfolgen: Die Wasserprivatisierung geht weiter
2.2. Die neue Konditionalität der Privatisierung
2.2.1. Ownership und Selektivität
2.2.2. Die Formierung des Hilfskartells
2.3. Die Weltbank: Finanzier und Ideologe der Privatisierung
2.3.1. Die Private Sector Development Strategy
2.3.2. Output-based Aid
2.3.3. Exklusive Finanzierung statt explizite Konditionalität
2.3.4. Die Water Resources Sector Strategy
2.3.5. Ideologischer Kampf um Finanzierungsbedarf
2.3.6. Der Mythos von der Mobilisierung privaten Kapitals
2.3.7. Riskante internationale Finanzierung
2.3.8. Kostendeckende Tarife: Die Ärmsten schröpfen
2.4. Harmonisierung der Geberpraktiken: Die Rolle der OECD
2.4.1. Die Entstaatlichung des Wassersektors
2.5. Die Globalisierung der Lieferbindung: Multi-Geber-Initiativen
2.5.1. Public-Private Infrastructure Advisory Facility
2.5.2. Emerging Africa Infrastructure Fund
2.5.3. Water and Sanitation Program
2.5.4. Global Water Partnership
2.5.5. European Water Initiative und EU Water Facility
3. PRIVATISIERUNGSSTRATEGIE DER DEUTSCHEN ENTWICKLUNGSZUSAMMENARBEIT
3.1. Die Fusion von Entwicklungshilfe und Wirtschaftsförderung
3.1.1. Bedeutung der deutschen Entwicklungshilfe im Wassersektor
3.1.2. Deutsche Interessen am globalen Wassermarkt
3.1.3. Neoliberales Staatsverständnis des Entwicklungsministeriums
3.1.4. Das Dogma der „Entwicklungspartnerschaft“
3.2. Erfahrungen mit deutschen Public Private Partnerships im Wassersektor
3.2.1. PPPs: teuer…
3.2.2. … und ineffizient
3.2.3. Armutsorientierung mangelhaft
3.2.4. Schleichende Privatisierung
3.2.5. Manufacturing Consent
3.3. Mit dem Strom schwimmen: Deutsche Ziele in den Entwicklungsbanken
3.4. Bolivien: Die ‚ehrlichen Makler‘ in Aktion
3.4.1. Das Gesetz 2029 und die Enteignung der Wasserkomitees
3.4.2. Rollenkonflikt: Die GTZ als Moderator und Partei
3.4.3. Der deutsche Plan Bolivia
3.4.4. Widerstand gegen Aktienmodell
3.4.5. Aguas del Illimani: Deutschland greift ein
3.4.6. Entwicklungszusammenarbeit versus Demokratie
3.5. Weiter auf dem Privatisierungspfad: Empfehlungen der BMZ-Gutachten
4. DER PRIVATISIERUNG WIDERSTEHEN
5. ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS
6. LITERATUR

Weitere Informationen finden sich unter: http://www.fdcl-berlin.de/index.php?id=678

Diese Publikation ist Teil des Projektes „Schleichende Privatisierung. Das „deutsche Modell“ der Wasserversorgung in Bolivien“, gefördert von der Bewegungsstiftung. Weitere Informationen dazu finden sich unter: http://www.fdcl-berlin.de/index.php?id=597

Berliner SPD positioniert sich gegen Wohnungsprivatisierungen

Nicht nur in der Linkspartei sondern auch in der SPD gibt es eine Auseinandersetzung um die Privatisierung von kommunalen Wohnungen. Auf dem Parteitag der Berliner SPD stellte die Parteilinke einen Antrag gegen weitere Wohnungsverkäufe an „international agierende Finanzinvestoren“. Dem Antrag wurde zugestimmt.
Ob die SPD SenatorInnen diesen Beschluss tatsächlich umsetzen werden ist jedoch unklar. Zumindest FInanzsenator Sarazin ist bisher ein harter Verfechter der Privatisierungspolitik und hat für dass kommende Jahr bereits den Verkauf von über 15.000 Wohnungen der WBM angekündigt.
Auch die Immobilienbranche und die IHK in Berlin zeigen sich besorgt und kritisieren den Beschluss des SPD Landesparteitages. Rainer Uhde, Geschäftsführer der WVB-Wohnpark, die 5 500 Hellersdorfer Wohnungen des US-Investors Lone Star verwaltet: „Berlin braucht doch Investoren, sie so vor den Kopf zu stoßen, finde ich nicht richtig.  (…) Die glauben alle an die Zukunft von Berlin, da müssen wir stolz drauf sein.“ Die IHK verweist in einer Stellungnahme auf das „private kapital, dass in die Stadt geflossen“ sei und wirft der Berliner SPD fehelenden finanzpolitischer Sachverstand vor.
ausführlichere Berichte in Berliner Tageszeitungen:

Landeverbot für Heuschrecken? Wirtschaft kritisiert SPD-Beschluss

Partei will Wohnungen nicht mehr an Finanzinvestoren verkaufen

Briten, Amerikaner, Holländer – international agierende Finanzinvestoren haben in den vergangenen Jahren mehr als 100 000 Wohnungen in Berlin gekauft. Und das Interesse ist ungebrochen. So will beispielsweise das neu gegründete Unternehmen Puma Brandenburg, hinter dem britische Finanzinvestoren stehen, in den nächsten Jahren mehr als eine Milliarde Euro in deutsche Wohnimmobilien investieren – und sich dabei zunächst auf Berlin konzentrieren. Weitere Kaufinteressenten stehen bereit.
Doch für sie alle dürfte der Erwerb von Wohnungen nicht ganz einfach werden – zumindest wenn es nach der Berliner SPD geht. Die Genossen beschlossen nämlich am Sonnabend auf ihrem Parteitag, dass künftig keine landeseigenen Immobilien mehr an Finanzinvestoren verkauft werden sollen. Nach Ansicht der SPD geht es diesen Investoren nicht um langfristige Investitionen, sondern um schnelle Gewinne. Vorrang soll der Verkauf von Wohnungen an Mieter haben, an Genossenschaften, sowie an klein- und mittelständische Betriebe, so genannte Brancheninvestoren. Außerdem will die SPD die Zahl der landeseigenen Wohnungen auf 270 000 festschreiben – das bedeutet, es dürfen kaum noch Wohnungen verkauft werden. Denn zurzeit sind ohnehin nur noch rund 275 000 Wohnungen im Besitz der Stadt.
Die Industrie- und Handelskammer (IHK) übte gestern heftige Kritik am SPD-Beschluss. IHK-Sprecher Holger Lunau sagte, er sei „realitätsfern“. Gerade die international agierende Investoren hätten in den vergangenen Jahren viele Wohnungen saniert. „Wir fordern die SPD-Senatoren auf, sich an den Beschluss nicht gebunden zu fühlen“, so Lunau. Der Hauptgeschäftsführer des Berliner Mietervereins, Hartmann Vetter, lobte den Beschluss und rief die SPD-Senatoren auf, ihn ernst zu nehmen. Ähnlich äußerte sich die Linkspartei.PDS. Der Abgeordnete Carl Wechselberg sagte, „den Worten müssen jetzt Taten folgen“. Auf Distanz ging Wechselberg zu dem von der SPD beschlossenen Verkaufsverbot von Wohnungen an Finanzinvestoren. „Die alle über einen Kamm zu scheren, finde ich übertrieben“, sagte er. Es komme vielmehr darauf an, was der Erwerber mit den Wohnungen mache und ob er die Mieterschutzrechte akzeptiere.
Inwiefern der SPD-Parteitagsbeschluss in praktische Politik umgesetzt wird, ist noch offen. Die SPD-geführten Senatsverwaltungen für Finanzen und Stadtentwicklung äußerten sich dazu gestern nur ausweichend. Zurzeit werde ein Gesamtkonzept für die landeseigenen Wohnungsunternehmen erarbeitet, sagten die Behördensprecher. Ob der SPD-Parteitagsbeschluss in das Konzept einfließe, wollten sie nicht sagen.
Auf Unverständnis stößt der SPD-Beschluss zum Verkaufsstopp an Finanzinvestoren in der Immobilienbranche. „Ich kann den Beschluss nicht nachvollziehen“, sagt Rainer Uhde, Geschäftsführer der WVB-Wohnpark, die 5 500 Hellersdorfer Wohnungen des US-Investors Lone Star verwaltet. „Berlin braucht doch Investoren, sie so vor den Kopf zu stoßen, finde ich nicht richtig“, sagt Uhde. Natürlich gebe es auch bei international agierenden Investoren Unterschiede. „Man muss sich nur den richtigen aussuchen.“ Der Manager meint: „Die glauben alle an die Zukunft von Berlin, da müssen wir stolz drauf sein.“
Schwierig könnte sich der SPD-Beschluss auf die Sanierungspläne der Wohnungsbaugesellschaft Mitte (WBM) auswirken. Sie muss bis zu 15 700 Wohnungen verkaufen, um ihre Pleite abzuwenden – 3 000 davon in diesem Jahr. Die ersten 1 700 Wohnungen in der Dammwegsiedlung sind bereits ausgeschrieben. Die Resonanz darauf ist groß. Neben Berliner Unternehmen zeigen andere deutsche Firmen, aber auch ausländische Investoren Interesse am Kauf, sagte eine WBM-Sprecherin gestern. Die WBM will das Geschäft unbeirrt zum Abschluss bringen. Die WBM-Sprecherin sagte: „Wir schließen nicht von vornherein international agierende Kaufinteressenten aus. Es sind nicht alles Heuschrecken.“

http://www.berlinonline.de/berliner-zeitung/berlin/539829.html

SPD-Linke zieht in den Häuserkampf

Der Verkauf städtischer Wohnungen an Finanzinvestoren soll verboten werden. Ein Parteitagsbeschluss ist dazu in Vorbereitung

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Die SPD will auf einem Landesparteitag am Sonnabend den Verkauf städtischer Wohnungen an „international agierende Finanzinvestoren“ grundsätzlich ablehnen. Nur „kleinteilige Einzelbestände“ dürften noch privatisiert werden, um öffentliche Wohnungsunternehmen zu sanieren oder deren Bestände „zu bereinigen oder umzuschichten“.

Verkauft werden soll vorrangig an Mieter, Genossenschaften und mittelständische Branchenunternehmen. Etwa zwölf bis 15 Prozent des Berliner Wohnungsbestands sollen auf Dauer in öffentlichem Eigentum bleiben. Berlin liegt derzeit mit 14,7 Prozent auf dem Niveau Hamburgs und Frankfurts (Main). Grundlage eines solchen Parteitagsbeschlusses wird ein „Eckpunktepapier“ des linken SPD-Flügels sein, das dem Tagesspiegel vorliegt. Die „Berliner Linke“ vertritt die Mehrheit der Parteitagsdelegierten.

Große Finanzinvestoren hätten „systematisch kein Interesse“, die Substanz der Wohnungen langfristig zu erhalten, wird das weitreichende Verkaufsverbot im Thesenpapier begründet. Dem Parteifreund und Finanzsenator Thilo Sarrazin wird vorgeworfen, „im Widerspruch zur ganz überwiegenden Mehrheit“ in der SPD zu stehen, weil er kommunale Wohnungsunternehmen für entbehrlich halte. Die acht Leitsätze des Papiers sollen in einen Parteitagsantrag münden, der „flügelübergreifend konsensfähig ist“, kündigte der Sprecher der Linken, Mark Rackles, an. Auch der Vize-Landesvorsitzende Marc Schulte geht davon aus, dass die wohnungspolitischen Leitlinien der SPD-Linken „die Meinungsbildung in der Partei wiedergeben“.

Zwar wird im Thesenpapier eingeräumt, dass der Wohnungsmarkt in Berlin sehr entspannt und mieterfreundlich sei. Aber das gelte nicht flächendeckend, sondern nur für bestimmte Wohnungstypen und -größen. Außerdem könne sich die Situation mittel- und langfristig gravierend ändern. Benötigt würden die öffentlichen Wohnungsunternehmen, weil sie „dämpfenden Einfluss“ auf das Mietniveau hätten, das Wohnumfeld verbesserten, soziale Leistungen (Mieter- und Schuldnerberatung) anböten und Wohnungen für sozial schwache Bevölkerungsgruppen vorhielten.

Beklagt wird, dass die kommunalen Wohnungen in der Stadt ungleich verteilt sind. Sozial schwierige Bezirke wie Neukölln und Friedrichshain-Kreuzberg seien unterdurchschnittlich versorgt. Alle städtischen Wohnungsbaugesellschaften werden von der SPD-Linken aufgefordert, so eng wie möglich mit dem Senat zu kooperieren: bei der Investitions- und Instandhaltungsplanung, bei der Festlegung der Mieten und rechtzeitig vor dem geplanten Abriss oder Verkauf von Wohnungen.

Die wirtschaftliche Konsolidierung der Unternehmen soll konsequent fortgesetzt werden. Problematisch bleibe der hohe Schuldenstand. Die städtischen Gesellschaften stehen bei den Banken mit 7,75 Milliarden Euro in der Kreide.

http://archiv.tagesspiegel.de/archiv/28.03.2006/2430167.asp

Widerstand gegen Wohnungsverkäufe wächst

Von Gilbert Schomaker

Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD) droht eine empfindliche politische Niederlage. Die einflußreiche Berliner Linke (BL), die weite Teile der Berliner Sozialdemokratie dominierte, lehnt den Verkauf von städtischen Wohnungen in größerem Stil ab. In einem Eckpunktepapier greift die BL den Finanzsenator direkt an.
Die notwendige Klarheit in dieser Frage habe durch Äußerungen des Finanzsenators gelitten, der die öffentlich gehaltenen Wohnungsbestände aus grundsätzlichen Erwägungen heraus für entbehrlich hält. „Diese Position wird im Widerspruch zur ganz überwiegenden Mehrheit in SPD-Fraktion und SPD-Landesverband vertreten“, schreiben die Autoren der SPD-Gruppierung.
In ihrem Papier befürchten sie, daß die Mieten mittelfristig in Berlin wieder ansteigen werden. Deswegen sei es wichtig, etwa 12 bis 15 Prozent aller Wohnungen im städtischen Besitz zu halten. Das soll auf dem am 1. April anstehenden Parteitag festgeschrieben werden, um den Wohnungsmarkt beeinflussen zu können. Die Wohnungsbaugesellschaften sollen in einem gesamtstädtischen Konzept enger zusammenarbeiten, um Kosten zu sparen.
Wegen der hohen Schulden von 7,75 Milliarden Euro sollen die Wohnungsbaugesellschaften, die in der Vergangenheit auch Millionenbeträge an den Landeshaushalt abgeführt haben, entlastet werden. Die Berliner Linke schlägt vor, Dividendenerwartungen zurückzustellen, auf Gewinnabschöpfung bei der Entlassung aus Sanierungsgebieten zu verzichten. Genau eine solche Renditeanforderung hatte aber immer wieder der Finanzsenator an die landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften gestellt.
Im Gegensatz zu Sarrazin lehnt die wichtige SPD-Gruppierung auch Paketverkäufe mit Tausenden von Wohnungen oder den Verkauf ganzer Wohnungsbaugesellschaften ab. Städtische Wohnungen dürften nicht an Finanzinvestoren fallen, die nur mittelfristig, nämlich 10 bis 15 Jahre, planen. Da gebe es die Gefahr, daß nicht in die Substanz der Wohnungen investiert werde. Nur Notverkäufe zur Konzernsanierung seien erlaubt. Dann sollen die Wohnungen aber den Mietern, dann Genossenschaften und erst dann Finanzinvestoren angeboten werden.
Finanzsenator Sarrazin sagte gestern, daß er einen Verkauf von 8000 bis 11 000 Wohnungen zur Rettung der Wohnungsbaugesellschaft Mitte für notwendig hält. Weil der Senat notfalls mit Geld das Unternehmen stützen will, haben die Banken das Aussetzen der Tilgung für ein Jahr beschlossen.
Aus der Berliner Morgenpost vom 24. März 2006

http://morgenpost.berlin1.de/content/2006/03/24/berlin/818674.html

IHK: SPD-Linken fehlt finanzpolitischer Sachverstand

Das innerhalb der SPD diskutierte Verkaufsverbot städtischer Wohnungen an „international agierende Finanzinvestoren“ zeugt nach Ansicht der IHK Berlin von fehlendem finanzpolitischen Sachverstand. „Sollten sich die SPD-Linken auf einem Parteitag am Samstag mit einem solchen Antrag durchsetzen, wäre das eine schwere Hypothek für alle kommunalen Wohnungsbaugesellschaften“, kritisierte heute der stellvertretende IHK-Hauptgeschäftsführer Ludger Hinsen. Denn gerade ausländische Unternehmen hätten in den vergangenen Jahren große Wohnungsbestände saniert. Viele kommunalen Wohnungsbaugesellschaften wären aufgrund ihrer prekären finanziellen Lage dazu nicht im Stande gewesen.
„Nur noch einen kleinteiligen Verkauf von Wohnungen an Mieter, Genossenschaften und mittelständische Branchenunternehmen zuzulassen, ist der falsche Weg“, betonte Hinsen. Die Privatisierung einer kompletten Gesellschaft dürfe nicht ausgeschlossen werden. In der Vergangenheit habe sich gezeigt, dass sowohl die Gesellschaften als auch die Mieter vom Verkauf großer Bestände profitieren. Zudem sei privates Kapital in die Stadt geflossen, das bei der Sanierung von Wohnungen insbesondere kleinen und mittelständischen Firmen zu Aufträgen verholfen hat.
Der stellvertretende IHK-Hauptgeschäftsführer verwies auch darauf, dass der Plan des linken SPD-Flügels die Konsolidierungspolitik von Finanzsenator Thilo Sarrazin konterkariert. Das sei angesichts der Klage Berlins vor dem Bundesverfassungsgericht auf Entschuldungshilfen des Bundes kontraproduktiv. Hinsen: „Mit einer falschen Finanzpolitik kann Berlin von den anderen Bundesländern keine Hilfe erwarten.“
Aus IHK-Sicht gibt es keinen ersichtlichen Grund – auch nicht aus Mieterinteressen -, dass die öffentliche Hand Wohnungsbaugesellschaften besitzen muss. Die Mieten für landeseigene Wohnungen sind nicht günstiger als bei privaten Gesellschaften. Auch auf dem Wohnungsmarkt gilt das Prinzip, wonach Angebot und Nachfrage den Preis bestimmen und nicht die Eigentumsverhältnisse. In Berlin stehen rund 100.000 Wohnungen leer. Schon aus ordnungspolitischen Gründen sollte sich der Staat von Wohnungsbaugesellschaften trennen. Der Schutz sozial Schwacher ist auch ohne landeseigene Gesellschaften gesichert. Die öffentliche Hand kann zum Beispiel für sozial Benachteiligte Belegungsrechte sichern oder Mietkosten übernehmen.
Pressemitteilung der IHK Berlin vom 28.03.2006
 http://www.berlin.ihk24.de/BIHK24/BIHK24/produktmarken/index.jsp?url=http%3A//www.berlin.ihk24.de/BIHK24/BIHK24/servicemarken/presse/presseinfo/pressemeldungen/SPDWohn.jsp

Moderne Raubzuege

In der Jungen Welt vom 1.4.06, S. 10 beschreibt Sahra Wagenknecht, wie deutsche Großbanken in Zusammenspiel mit der EU-Kommission, dem Berliner Senat und der Anwaltskanzlei Freshfields die Privatisierung von Sparkassen durchsetzen wollen.
Privare = rauben (Latein). Damit ist über das Wesen von Privatisierungen eigentlich alles gesagt. Es geht um den Raub von gesellschaftlichem Vermögen und die Umleitung von Einnahmen (Zinsen, Mieten, Dividenden u.a.) auf private Konten bei gleichzeitiger Abwälzung von Schulden, Risiken und sonstiger »Altlasten« auf die Allgemeinheit. Erwünschter Nebeneffekt ist die Zerschlagung organisierter Kernbelegschaften im öffentlichen Dienst, um künftigen Streikaktionen vorzubeugen und flächendeckend Löhne senken zu können.
Zum Gelingen derartiger Raubzüge tragen verschiedene Akteure bei. So bedienen sich die Großbanken und Konzerne willfähriger Anwaltskanzleien zur juristischen Absicherung ihrer Beute; hinzu kommen unerfahrene oder korrupte Politiker, die auf kurzfristige Privatisierungserlöse schielen, ohne die langfristigen Folgen zu berücksichtigen, und Institutionen wie die EU-Kommission, die keine Gelegenheit auslassen, die Privatisierung öffe ntlicher Güter im Interesse des Großkapitals voranzutreiben. Wie die verschiedenen Akteure zusammenwirken und welche Tricks sie anwenden, um eine Privatisierung selbst in jenen Bereichen zu erzwingen, in denen die Widerstände gegen einen Ausverkauf öffentlicher Güter groß sind, soll im Folgenden am Beispiel der Berliner Sparkasse beschrieben werden.
Lobbypartner EU-Kommission
Das aus Sparkassen, Genossenschaftsbanken und Privatbanken gebildete Drei-Säulen-Modell in Deutschland ist den privaten Großbanken schon lange ein Dorn im Auge. Schließlich verhindert es die Übernahme von Sparkassen und steht damit einer Machtkonzentration im deutschen Bankenmarkt im Weg. Daß die deutschen Banken »im Geschäft mit Privatkunden unter der Konkurrenz der Sparkassen leiden und daher nicht annähernd an die Ergebnisse ihrer ausländischen Konkurrenz herankommen« (Handelsblatt 3.8.04) ist ein Verslein, das die deutsche Bankenlobby bei jeder sich bietenden Gelegenheit wiederholt. Sie weiß, wo sie hinwill.
In Italien etwa wurde im Gefolge einer rüden Privatisierungspolitik der Marktanteil des staatlichen Bankensektors von 75 Prozent Anfang der neunziger Jahre auf nur noch zehn Prozent heruntergedrückt. Parallel zu diesem Prozeß explodierten die Gebühren für Bankdienstleistungen. Im Ergebnis kostet ein Girokonto in Italien heute doppelt so viel wie im europäi schen Durchschnitt.
In Deutschland hingegen ist der Widerstand gegen eine Privatisierung von Sparkassen nach wie vor groß. Folgerichtig suchte und sucht der Bundesverband Deutscher Banken nach Bündnispartnern in Brüssel. Mit Erfolg: 2005 wurden nach einem Entscheid der Europäischen Kommission die Staatsgarantien für öffentlich-rechtliche Kreditinstitute abgeschafft, was die Sparkassen und Landesbanken dazu zwingt, ihre Geschäftspolitik stärker an den Renditeerwartungen der Kapitalmärkte auszurichten. An der Aushandlung dieses Deals war als Staatssekretär im Bundesfinanzministerium übrigens just jener Caio Koch-Weser beteiligt, der kürzlich von der Deutschen Bank mit einem hochdotierten Posten für seine Lebensleistung belohnt wurde.
Aber damit nicht genug: Derzeit erwägt die EU-Kommission, das seit 2003 ruhende Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland wieder aufzunehmen, das zur Zulassung privater Sparkassen führen könnte. Im Mittelpunkt des Verfah rens steht das in Paragraph 40 des Kreditwesengesetzes (KWG) verankerte Namensmonopol für Sparkassen, das den Namen »Sparkasse« für den öffentlichen Bereich reserviert. Zwar ist es der EU-Kommission laut Artikel 295 des EU-Vertrags untersagt, sich in die Eigentumsordnung eines EU-Mitgliedslandes einzumischen, und auch die EU-Bankenrichtlinie erlaubt es, nur bestimmten Instituten den Namen »Sparkasse« zuzuordnen. Doch wo die Wirtschaftslobby ruft, ist Binnenmarktkommissar Charlie McCreevy zur Stelle und wittert pflichtschuldig Verstösse »gegen die Kapitalverkehrs- und Niederlassungsfreiheit«.
Folgen des Bankenskandals
Anlaß des erneuten Vorstoßes der EU-Kommission ist der für 2007 geplante Verkauf der Bankgesellschaft Berlin, zu der auch die Berliner Sparkasse gehört. Sollte ein privater Investor bei der Veräußerung zum Zuge kommen, wäre dies sehr wahrscheinlich der von den privaten Banken lang herbeigesehnte Präzedenzfall, der das gesamte Drei-Säulen Modell zum Einsturz bringen kann.
Daß es eine Auflage der Europäischen Kommission zur Veräußerung der Bankgesellschaft durch das Land Berlin überhaupt geben konnte, ist den Verantwortlichen des Berliner Bankenskandals anzulasten. Diese haben die Bankgesellschaft in den neunziger Jahren dazu benutzt, um ihre politischen und geschäftlichen Freunde mit Pöstchen und Krediten zu versorgen und hochlukrative Immobilienfonds zu teilweise sittenwidrigen Konditionen (von steuerlichen Verlustzuweisungen bis zu langjährigen Mietgarantien und dem Recht zur Rückgabe zum Nominalwert am Ende der Laufzeit) an etwa 70 000 Anleger aufzulegen. Risiken und Verluste aus diesem Geschäft wurden auf den öffentlich-rechtlichen Teil der Berliner Bankgesellschaft abgewälzt.
Die Sozialisierung der Verluste begann im August 2001, als das Land Berlin der Bankgesellschaft eine Kapitalzuführung von 1,755 Mrd. Euro zukommen ließ. Da diese Summe nicht ausreichte, um eine Pleite abzuwenden und das damalige Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen (BAKred, heute BAFin) im November 2001 mit der Schließung der Bankgesellschaft drohte, beschloß das Berliner Abgeordnetenhaus am 9.4.2002 das Risikoabschirmungsgesetz, wodurch Risiken von bis zu 21,6 Milliarden Euro, die aus faulen Krediten, Wertverlust von Immobilien u. ä. resultieren, vom Land übernommen wurden.
Für die Verluste der Bankgesellschaft bezahlen mußten unter anderem die Bediensteten des Landes Berlin, deren Löhne und Vergütungen um durchschnittlich zehn Prozent gesenkt wurden. Laut Berliner Senat bringt dieser »Solidarpakt«, zu dem sich verdi nach dem Austrit t des Landes Berlin aus dem Arbeitgeberverband nötigen ließ, eine weitere Entlastung der Personalausgaben um 250 Millionen im Jahr 2003 und um jeweils 500 Millionen in den Jahren ab 2004.
Wie zu erwarten war, rief die Unterstützung der Bankgesellschaft durch das Land Berlin die Brüsseler Wettbewerbshüter auf den Plan. Zwar wurden die staatlichen Beihilfen von der EU-Kommission nachträglich genehmigt; allerdings nur unter der Bedingung daß sich die Bankgesellschaft von mehreren Tochtergesellschaften trennt und 2007 selbst verkauft wird. Damit könnte die zur Bankgesellschaft gehörende Berliner Sparkasse die erste öffentliche Bank in Deutschland werden, die von privaten Investoren übernommen wird. Sicher ist dies allerdings noch nicht. Denn nach wie vor gilt Paragraph 40 des Kreditwesengesetzes, der es privaten Banken nicht erlaubt, eine Sparkasse zu betreiben. Sollte eine private Bank im Bieterverfahren zum Zuge kommen, müßte die erworbene Bank also unter anderem N amen weitergeführt werden. Das freilich ist gerade nicht der Sinn der Sache.
Mit dem Berliner Sparkassengesetz, das seit Juni 2005 in Kraft ist, versuchte der Berliner Senat, das Unmögliche möglich zu machen: Die Sparkasse sollte de facto privatisiert, die öffentlich-rechtliche Fassade und damit der Name jedoch gewahrt bleiben. Um dies zu erreichen, wurde die Sparkasse in eine teilrechtsfähige Anstalt umgewandelt und die Landesbank Berlin in eine Aktiengesellschaft transformiert, die vom Land Berlin mit der Trägerschaft an der Sparkasse beliehen wurde. Der Clou besteht also darin, daß die Sparkasse ein öffentlich-rechtliches Institut bleibt – allerdings unter dem Dach einer AG, die von privaten Investoren gekauft werden kann.
Fraglich ist allerdings, ob das Berliner Sparkassengesetz juristisch haltbar ist. Zwar existieren in diesem Gesetz einige Paragraphen, welche die Gemeinwohlverpflichtung der Berliner Sparkasse sichern sollen. Allerdings verfügt die Berliner Sparkasse als teilrechtsfähige Anstalt über kein eigenes Vermögen, und auch die von der Sparkasse erzielten Gewinne sollen in die Taschen des privaten Trägers fließen. Hier genau lauert das Problem: Eine Ausschüttung der Gewinne einer Sparkasse an Private ist mit Paragraph 40 KWG nicht vereinbar. Denn nach diesem Gesetz müssen die Überschüsse einer Sparkasse entweder beim Institut verbleiben oder gemeinnützig verwendet werden. Das sieht auch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) so.
Da allerdings kein privater Investor auch nur einen müden Euro für ein Institut verausgaben dürfte, das seine Gewinne nicht ausschütten darf, hat Finanzsenator Sarrazin die BaFin in einem Brief gebeten, ihre Auffassung zu überdenken. Zur Unterstützung verweist er dabei auf die Tatsache, daß die Berliner Sparkasse schon in der Vergangenheit – seit Gründung der börsennotierten Bankgesellschaft im Jahr 1994 – ihre Gewinne an die Bankgesellschaft ausgeschütt et hat. »Würde Paragraph 40 KWG tatsächlich eine gemeinnützige Verwendung von Überschüssen voraussetzen und zugleich jegliche Ausschüttungen an private Träger ausschließen, so hätte die BaFin seit Schaffung des Konzerns Bankgesellschaft rechtswidrig gehandelt und müßte sich fragen lassen, warum sie seit zehn Jahren nicht gegen die Verwendung der Bezeichnung ,Berliner Sparkasse‘ eingeschritten ist«.
Richtig ist daran, daß schon die Gründung der Bankgesellschaft Berlin AG gegen geltendes Recht verstoßen und die undurchsichtige Struktur der Bankgesellschaft AG sowie die daraus resultierende unheilvolle Vermischung privater Interessen mit öffentlichen Haftungsgarantien zum Bankenskandal geführt hat. Mit Verweis auf rechtswidrige Bestimmungen der Vergangenheit nun allerdings zu fordern, man müsse erneut ein Institut schaffen, das die öffentlich-rechtliche Fassade mißbraucht, um möglichst hohe Profite auf private Konten zu schleusen, ist mehr als dreist.
An die Überzeugungskraft seines Arguments scheint Sarrazin daher selbst nicht recht zu glauben. Aus eben jenem Grund hat er Binnenmarktkommissar McCreevy zur Wideraufnahme des besagten Vertragsverletzungsverfahrens gegen das Namensmonopol der Sparkasse angeregt. Die unabsehbaren Folgen, die eine Privatisierung von Sparkassen für die mittelständische Wirtschaft, die Beschäftigten und Verbraucher in ganz Deutschland nach sich ziehen würden, interessieren im Berliner Senat offenbar weniger.
Ein passendes Gesetz
Wie Report Mainz am 20. März berichtet hat, wurde das umstrittene Berliner Sparkassengesetz übrigens von der Kanzlei Freshfields, Brückhaus, Deringer erarbeitet – eine »der besten Adressen für milliardenschwere Wirtschaftsdeals«, die »mit dem Bundesverband deutscher Banken und vielen Großbanken über Berateraufträge eng verbunden« ist. Nun ist es nichts Außergewöhnliches, daß sich die Legislative bei Gesetzesvorhaben juristische Expertisen einholt. Daß Lobbykanzleien jedoch den Auftrag bekommen, Gesetze von Anfang an mitzuschreiben, ist ein relativ neues Phänomen. Im Fall des Sparkassengesetzes übernahmen Anwälte von Freshfields auch die Aufgabe, den Berliner Abgeordneten in Anhörungen das Gesetz zu erklären.
Im Übertölpeln von Parlamentariern, Senatoren und Ministern hat die Kanzlei schon einige Erfahrung. So beriet die Kanzlei das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Wohnungswesen bei der Einführung der LKW-Maut. Als das Verkehrsministerium nicht in der Lage wa r, den von Freshfields verfaßten 17 000-Seiten-Vertrag selbst zu interpretieren, erhielt die Kanzlei einen weiteren Beratervertrag, damit Modalitäten und Höhe der Schadensersatzforderung ermittelt werden konnten. Auch bei der jüngsten Privatisierung des Dresdner Wohnungsbestandes hatte Freshfields die Finger im Spiel: Sie hat die Stadt Dresden beim Verkauf der städtischen Anteile an der WOBA Dresden GmbH beraten. Käufer war der US-Finanzinvestor Fortress, der die Anteile der Stadt für rund 1,75 Milliarden Euro übernahm; der Deal zählte zu den größten Immobilienverkäufen von Kommunen in Deutschland. Das Interessante daran: Noch im Dezember 2005 beriet Freshfields die Gegenseite, d. h. den Finanzinvestor Fortress, beim Kauf von Wohnungen der Dresdner Bank – Wohnungen, die mit der WOBA in eine gemeinsame Holding gesteckt werden sollen, die spätestens Anfang nächsten Jahres an die Börse gebracht werden soll.
Laut Eigendarstellung verfügt die Kanzlei Freshfields Bruckh aus Deringer »über die wohl umfassendste Erfahrung in Public Private Partnership-Projekten sowohl in Deutschland als auch international. Die Sozietät hat sich in diesem Bereich einen einmaligen Erfahrungshintergrund geschaffen, der eine Reihe von Pilotprojekten mit Modellcharakter einschließt.« Zu diesen Projekten mit Modellcharakter dürfte die angestrebte Privatisierung der Berliner Sparkasse ebenso zählen wie die Privatisierung von Krankenhäusern in Hessen und Hamburg, die Privatisierung von Wasserunternehmen, Stadtwerken und Flughäfen ebenso wie die Teilprivatisierung von Landesbanken. Auch international hat sich Freshfields mit umstrittenen Privatisierungen bzw. Public-Private-Partnerships (PPP) einen Namen gemacht. In Großbritannien war die Kanzlei beispielsweise an der Überführung einiger Londoner U-Bahnlinien in ein PPP-Projekt beteiligt und begleitete zahlreiche Schulprojekte sowie sämtliche PPP-Gefängnisprojekte.
Die angestrebte Privatisierung der Berline r Sparkasse folgt in ihren Grundzügen einem Modell, das schon bei der Teilprivatisierung der Berliner Wasserbetriebe erprobt wurde. In beiden Fällen wurde der Berliner Senat von Frehsfields-Anwalt Benedikt Wolfers beraten. In beiden Fällen ging bzw. geht es um eine Privatisierung unter Wahrung der öffentlich-rechtlichen Rechtsform – ein Modell, das sich laut Wolfers vor allem dann anbietet, wenn die öffentlich-rechtliche gegenüber der privatrechtlichen Form manifeste wirtschaftliche Vorteile bietet oder die Widerstände gegen eine vollständige Privatisierung zu groß sind.
Wie das neue Sparkassengesetz war auch die im Jahr 1999 in einem geheimen Vertrag von der damaligen Finanzsenatorin Annette Fugmann-Heesing (SPD) mit den Konzernen RWE und Veolia (ehemals Vivendi) geregelte Teilprivatisierung der Berliner Wasserbetriebe (BWB) juristisch und politisch höchst umstritten. Um eine Privatisierung bei Wahrung der öffentlich-rechtlichen Rechtsform zu ermöglichen, wurde damals eine Holding geschaffen, die nach dem Vorbild der Berliner Bankgesellschaft AG sowohl eine Anstalt des öffentlichen Rechts (die Berliner Wasserbetriebe BWB) als auch diverse privatwirtschaftliche Beteiligungen und Tochtergesellschaften unter ihrem Dach vereinte. Und wie schon bei der Bankgesellschaft Berlin hat dieses Holding-Modell den Vorteil, daß es eine massive Subventionierung der privatwirtschaftlichen Unternehmen durch die Anstalt öffentlichen Rechts ermöglicht. Lieferten die Berliner Wasserbetriebe vor der Teilprivatisierung noch Gewinne an den Berliner Haushalt ab, so gehen diese Erlöse nun in erster Linie an die privaten Gesellschafter.
Umstrittenster Punkt des Vertrages ist, daß den privaten Erwerbern eine jährliche Rendite von sieben bis acht Prozent auf das »betriebsnotwendige Kapital« zugesichert wurde – über eine Laufzeit von 28 Jahren. Zwar wurde dieser Teil des Vertrags durch einen Beschluß des Verfassungsgerichts vom 21. Oktober 1999 für nichtig erklärt, trotz dieses Urteils bestand der SPD-PDS-Senat jedoch darauf, den privaten Wasserkonzernen die vereinbarte Zusatzrendite zuzuschanzen. Denn als hätten die Beteiligten geahnt, daß das Teilprivatisierungsgesetz von 1999 juristisch unhaltbar ist, wurde im Vertrag eine Klausel verankert, nach der das Land Berlin sich verpflichtet, die geringeren Gewinne oder höheren Verluste, die sich ergeben, falls das Teilprivatisierungsgesetz ganz oder teilweise für nichtig oder aufgrund einer Entscheidung eines Verfassungsgerichts mit höherrangigem Recht für unvereinbar erklärt wird (»Nichtigerklärung«), in vollem Umfang auszugleichen.
Um die unverschämte Rendite bezahlen zu können, muß das Land Berlin nun auf entsprechende Einnahmen verzichten, teils sogar draufzahlen. Gleichzeitig müssen die Berliner Haushalte tiefer in die Tasche greifen. Allein 2004 sind die Wasserpreise in Berlin um über 15 Prozent gestiegen; bis 2009 dürfte sich die Preise um etwa 30 Prozen t erhöht haben. Dabei liegt Berlin schon jetzt bei den Preisen für Wasser und Abwasser bundesweit an der Spitze.
Auch wenn die herrschenden Parteien und Medien nach wie vor ein Loblied auf die Privatisierung singen – auf Dauer läßt sich nicht verbergen, daß es sich bei der Privatisierung öffentlicher Dienste in aller Regel um Raubzüge privater Konzerne und ihrer Berater und Verbündeten handelt, die sich auf Kosten von Beschäftigten, Verbrauchern und Steuerzahlern eine goldene Nase verdienen wollen. Entsprechend nimmt der Widerstand gegen Privatisierungen zu, in manchen Fällen wird auch schon über eine Rückführung privatisierter Unternehmen in öffentliches Eigentum nachgedacht.
Alternativen zum Ausverkauf
Wie die Entwicklung in Berlin zeigt, ist dabei selbst ein Wandel vom Bock zum Gärtner nicht ausgeschlossen. So hat sich der Landesparteitag der Berliner SPD Ende letzten Jahres für die Aufhebung des Beschlusses zur Teilprivatisierung der Berliner Wasserbetriebe ausgesprochen und die Abgeordneten sowie die sozialdemokratischen Senatsmitglieder dazu aufgefordert »zu prüfen, unter welchen Bedingungen die Teilprivatisierung der BWB rückgängig gemacht werden kann und bis April 2006 darüber Bericht zu erstatten«. Auf den Bericht darf man gespannt sein – auch wenn kaum zu erwarten ist, daß eine Berliner SPD mit Wowereit, Sarrazin und Fugmann-Heesing in ihren Reihen einen entsprechenden Kurswechsel einleiten wird.
Was für die Berliner SPD gilt, gilt jedoch auch für die Berliner Linkspartei; schließlich trägt Senator Wolf einen Großteil der Verantwortung für die Verabschiedung des neuen Sparkassengesetzes. Klar ist, daß sich ohne massiven Druck aus der eigenen Partei, aus d er Öffentlichkeit, aus Gewerkschaften, Verbänden und sozialen Bewegungen nichts zum Guten ändern wird. Klar ist auch, daß der rot-rote Senat die Forderungen nach einem Stopp von Privatisierungen nicht gänzlich ignorieren kann, wenn er eine Schlappe bei den anstehenden Wahlen im September vermeiden will. Diese Situation gilt es zu nutzen.
Wenn die sich neu formierende Linke ihre Glaubwürdigkeit als Opposition zum Neoliberalismus nicht von vornherein aufs Spiel setzen will, muß die Linkspartei ihre bisherige Politik im Berliner Senat ändern. Im Hinblick auf die Privatisierungspolitik und den Umgang mit dem Berliner Bankenskandal sollte eine Fortsetzung der rot-roten Koalition davon abhängig gemacht werden, ob folgende Forderungen in die Tat umgesetzt werden:

  • Keine weiteren Privatisierungen öffentlichen Vermögen und kein Outsourcing öffentlicher Dienstleistungen an private Anbieter.
  • Revision des Sparkassengesetzes: Der Bestand der Berliner Sparkasse als vollrechtsfähiger Anstalt des öffentlichen Rechts mit eigenen Organen, eigenem Vermögen und eigener Bankerlaubnis muß garantiert und zugleich sicherstellt werden, daß die Gewinne der Berliner Sparkasse für gemeinnützige Zwecke verwendet werden und nicht in private Taschen zu fließen. Eine solche Gesetzesrevision würde außerdem die Frage einer möglichen Privatisierung elegant lösen, denn kein privater Investor dürfte unter solchen Konditionen noch Interesse bekunden. Zugleich könnte der Auflage der Europäischen Kommission durch Veräußerung der Sparkasse entweder an den Sparkassenverbund selbst oder an eine gemeinnützige Stiftung Rechnung getragen werden. Es gibt nämlich keine Auflage der Kommission, die das Land Berlin zur Privatisierung verpflichtet. Wie und an wen die Sparkasse veräußert wird, liegt in der Verantwortung des Berliner Senats.
  • Keine weitere Aufträge an Kanzleien wie Freshfields, die im Interesse privater Konzerne die Privatisierung öffentlicher Güter vorantreiben; Offenlegung aller Verträge, die der Senat mit Anwälten, Wirtschaftsberatern und Wirtschaftsprüfungsgesellschaften geschlossen hat.
  • Revision des Teilprivatisierungsgesetzes der Berliner Wasserbetriebe und in der Perspektive die Rekommunalisierung der BWB.

Zu wenig Toiletten. Regierungen, Wasserwerke und Privatunternehmen verantwortlich fuer Abwassernotstand

1,1 Milliarden Menschen haben keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser und 2,6 Milliarden Menschen zu keiner sanitären Entsorgung. Verantwortlich hierfür sei vor allem das Versagen von staatlichen Institutionen und Unternehmen im Wasser- und Abwasserbereich. Dies ist das Fazit des Weltwasserentwicklungsberichts, der gestern in Mexiko City vorgestellt wurde. Der 600 Seiten umfassende Bericht entstand in Zusammenarbeit von 24 UN-Organisationen. Er vermittelt einen systematischen Einblick in globale Wasserprobleme und Ansätze zu deren Lösung.
Im Vergleich zum ersten Weltwasserbericht, der vor drei Jahren veröffentlicht wurde, fällt auf, dass die Ursachen der Probleme viel konkreter und ohne falsche Rücksicht auf die Regierungen betroffener Länder benannt werden. Dass Wasserprivatisierungen in den letzten Jahren gescheitert sind, wird am Beispiel der bolivianischen Provinzstadt Cochabamba dargestellt, wobei der Name des involvierten Unternehmens – des US-Konzerns Bechtel – allerdings unerwähnt bleibt. Im UN-Bericht wird auch ausgeführt, dass der Umfang der Investitionen des Privatsektors im Wasserbereich nicht den Erwartungen entspricht und in letzter Zeit sogar rückläufig ist. Trotzdem, heißt es im Bericht, „wäre es ein Fehler“, auf den Privatsektor verzichten zu wollen.
Laut Bericht sind „Missmanagement, Korruption, das Fehlen angemessener Institutionen, bürokratische Trägheit und ein Mangel an Investitionen zur Ausbildung von Fachleuten und zum Bau von Infrastruktur“ wesentlich für die Misere der Trinkwasserversorgung und Abwasserentsorgung in vielen Ländern verantwortlich. Diese Kritik trifft sowohl die Verantwortlichen von Wasserbetrieben als auch die für Wasserfragen zuständigen Behörden. In dem Bericht wird ausführlich dargestellt, wie ein verantwortungsbewusstes Handeln („good governance“) aussehen kann. Dazu gehöre maßgeblich eine stärkere Partizipation der Bevölkerung.
Auffällig ist, wie stark sich auch in UN-Institutionen mittlerweile die Überzeugung durchgesetzt hat, dass es ein Menschenrecht auf Wasser gibt. Vor einigen Jahren noch haben sich vor allem Aktionsgruppen und soziale Bewegungen für dieses Menschenrecht eingesetzt. Dabei stießen sie damals auf zum Teil massiven Widerstand der Befürworter einer Privatisierung der Wasserversorgung, wie Weltbank und Regionale Entwicklungsbanken. Im neuen UN-Bericht steht nun am Anfang der Zentralen Empfehlungen: „Wir müssen anerkennen, dass der Zugang zu sauberem Wasser ein fundamentales Recht ist.“ Es bestehe eine gemeinsame Verpflichtung, dafür zu sorgen, dass alle Menschen Zugang zu sauberem Trinkwasser und einer sanitären Entsorgung erhalten.
Regierungschefs aus aller Welt hatten im Jahre 2000 in New York eine Liste von Millenniumszielen verabschiedet, die bis 2015 erreicht werden sollen. Dazu zählt die Halbierung der Zahl der Armen, aber auch der Menschen, die keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser haben. Bei der Formulierung der Ziele blieb der sanitäre Bereich unberücksichtigt. Erst zwei Jahre später wurde bei einer Konferenz für nachhaltige Entwicklung in Johannesburg das Ziel hinzugefügt, die Zahl der Menschen mit Zugang zu einer sanitären Entsorgung zu verdoppeln.
Im Weltwasserentwicklungsbericht wird im Detail dargestellt, dass das Millenniumsziel im Trinkwasserbereich zwar global erreicht wird, nicht aber in ohnehin benachteiligten Regionen wie im südlichen Afrika. Das Ziel, die Zahl der Menschen ohne häusliche Abwasserentsorgung zu halbieren, wird hingegen weltweit und in vielen Ländern verfehlt. Aus dem Abschnitt über Äthiopien geht hervor, dass dort nur zehn Prozent der Bevölkerung über eine grundlegende sanitäre Entsorgung verfügen. Dieser Missstand trägt entscheidend dazu bei, dass Durchfallerkrankungen die häufigste Todesursache von Kindern sind.
Notwendig wäre ein verstärkter Einsatz von Entwicklungsgeldern für Wasser- und Abwasserprojekte. Doch das Volumen dieser Mittel stagniert bei drei Milliarden Dollar im Jahr.
Der UN-Bericht soll beim Weltwasserforum in Mexiko City, der kommende Woche beginnt, diskutiert werden – Gelegenheit auch für die deutsche Regierung, sich zu einem entschiedeneren Engagement zur Verwirklichung der Millenniumsziele in diesem Bereich durchzuringen.

www.unesco.org/water/wwap

Quelle: taz, 10.3.2006

Das Privatisierte wird politisch

In Berlin gründete sich ein Bündnis gegen Privatisierung. Die taz berichtete:

Eine neues Bündnis will die umstrittene Privatisierung öffentlicher Betriebe bekämpfen. Vor allem im anstehenden Wahlkampf will sich der parteiübergreifende Zusammenschluss bemerkbar machen – wenn er denn so lange hält.
Die Linke kann sich nicht nur spalten. Am Freitagabend trafen sich im Abgeordnetenhaus ein bunter Haufen, um das „Bürgerbündnis gegen Privatisierung“ zu gründen. Mitglieder von WASG, der Linkspartei, der Sozilistischen Alternative (SAV), der DKP waren genauso gekommen wie parteilose GewerkschafterInnen, Globalisierungskritiker von Attac und einige „interessierte Bürger ohne politischen Zusammenhang“. Den Raum für die mehr als 50 AktivistInnen hatte der Donnerstagskreis der SPD organisiert, in dem sich die letzten linken Berliner SozialdemokratInnen versammeln.
Den gemeinsamen Konsens formulierte Joachim Oellerich von der Berliner MieterInnengemeinschaft, die zu dem Treffen eingeladen hatte. „Wir wenden uns gegen jegliche Privatisierung, egal ob sie in knallhart neoliberaler Manier oder auf scheinbar sozialverträgliche Art und Weise vollzogen wird.“ Das Repertoire potenzieller Aktionen ist groß, wie sich beim Brainstorming der Anwesenden zeigte. Während einige mit Informationsveranstaltungen die von Privatisierung betroffenen Beschäftigten ansprechen wollen, überlegten andere schon, die Zentrale der Wohnungsbaugesellschaft Mitte (WBM) zu besetzen. Das landeseigene Unternehmen hat 1,2 Milliarden Euro Schulden und will daher die Hälfte seiner Wohnungen verkaufen.

Reden über Rückkauf
Eine weiterer geplanter Themenschwerpunkt soll die 1999 erfolgte Teilprivatisierung der Berliner Wasserbetriebe sein. Attac will bei einer Veranstaltung am 28. April über einen Rückkauf durch das Land diskutieren lassen. Andere Bündnismitglieder wollen gegen die Privatisierung im Nahverkehr, im Bildungsbereich und im Gesundheitswesen aktiv werden. Mit seinen Aktionen will sich das Antiprivatisierungsbündnis im anstehenden Berliner Wahlkampf bemerkbar machen.
Wird also demnächst die von manchen erträumte linke Einheitsfront zumindest außerparlamentarisch Wirklichkeit? Zweifel bleiben. Viele der Anwesenden haben schon lange Bündniserfahrung und organisierten Zusammenschlüsse gegen den Bankenskandal oder den Abriss des Palastes der Republik. Doch meist sprang der Funke nicht auf die breite Masse über. Jüngere Menschen fehlten bei dem Treffen am Freitag fast ganz.
Auch inhaltlich blieben viele Fragen offen. Ein ehemaliges Mitglied der Postgewerkschaft betonte, dass es nicht reiche, nur die Rücknahme der Privatisierung zu fordern. Man müsse dann etwa im Postsektor auch fragen, was mit den Arbeitsplätzen der privaten PIN-AG geschehe, die viele Aufgaben der Post übernommen hat. Eine Gewerkschafterin machte darauf aufmerksam, dass einige einst im öffentlichen Dienst Beschäftigte nach der Privatisierung bessere Arbeitsverträge als vorher hätten und daher an ihrem jetzigen Status gar nichts ändern wollten.
Eine anderen möglichen Kritikpunkt an dem neuen Bündnis nahm Oellerich vorweg. Beim Widerstand gegen die Privatisierung gehe es keineswegs um die Rückkehr zu den alten Zeiten des Berliner Filzes. Stattdessen forderte der Mietervertreter eine Rekommunalisierung mit demokratischer Mitbestimmung.
Auch die Präsenz der verschiedenen linken Parteien könnte für das neue Bündnis zum Problem werden. Zwar betonten deren VertreterInnen, dass man den Parteienstreit nicht ins Bündnis tragen wolle. Ob sich das in der Praxis durchhalten lässt, muss sich erst zeigen. Schon beim Gründungstreffen konnte sich die mit Michael Prütz prominent vertretene Delegation der WASG einige Sticheleien in Richtung der Senatsparteien nicht verkneifen.
PETER NOWAK
taz Berlin, 6.3.2006
Dazu der Kommentar von Felix Lee:

Ein Bündnis trifft den Nerv der Zeit.
Hurra, wieder einmal hat Berlin ein linkes Bündnis mehr. Gegen den Verkauf öffentlicher Infrastruktur wendet sich die nun gegründete Initiative und nennt sich „Bürgerbündnis gegen Privatisierung“. Allein der dröge Name wird schon dafür sorgen, dass sich diesem Zusammenschluss nicht die Massen anschließen werden. Doch wäre es ein Fehler, diese Initiative als Marginalie abzutun. Zu groß ist die Empörung über die Politik des rot-roten Senats. Dieses Bündnis trifft den Nerv der Zeit.
Bereits seit Jahren ist die Berliner Privatisierungslobby parteiübergreifend eifrig dabei, Betriebe der öffentlichen Daseinsfürsorge zu verscherbeln. Das häufig getreu dem Motto: Der Profit wird privatisiert, die Schulden sozialisiert.
Spätestens beim Verkauf der Wohnungsbaugesellschaft GSW ist deutlich geworden, dass die Leistungen keineswegs preiswerter geworden sind, wie immer behauptet wurde. Im Gegenteil: Sorgten die gemeinnützigen Wohnungsbaugesellschaften einst dafür, dass die Mieten stabil blieben, sind sie nun, in privater Hand, selbst zum aggressiven Preistreiber geworden.
Dass jetzt ein Bündnis entstanden ist, dass sich für die Rückführung ehemals öffentlicher Betriebe einsetzt, zeigt: In der Privatisierungspolitik hat ausgerechnet die linkeste aller linken Regierungskonstellationen versagt. Nur deswegen hat der fundamentaloppositionelle und PDS-feindliche Teil der WASG einen so starken Zulauf.
Es mutet vielleicht seltsam an, dass mit VertreterInnen der Sozialdemokraten und der Linkspartei.PDS auch solche Kräfte im Bündnis sitzen, deren Parteispitzen den Ausverkauf der öffentlichen Betriebe zu verantworten haben. Dass sie dabei sind zeigt: Der Unmut hat selbst die eigenen Reihen erreicht.
taz Berlin, 6.3.2006

Umfrage: Hessen sind gegen den Verkauf von Sparkassen

07. Februar 2006 Der Sparkassen- und Giroverband Hessen-Thüringen hat seine Kritik an der Sparkassenreform der Landesregierung mit einer Umfrage untermauert. Das Meinungsforschungsinstitut Forsa hatte 1000 Hessen nach ihrer Meinung zu der Novelle gefragt, nach der es künftig möglich sein soll, daß Sparkassen von ihren Trägern, also den Städten und Kreisen, an andere Sparkassen oder die Landesbank Hessen-Thüringen verkauft werden können. Der Verband lehnt dieses Vorhaben ab.
Der Umfrage zufolge würden es 73 Prozent bedauern, wenn es an ihrem Wohnort keine selbständige, kommunale Sparkasse mehr gäbe. Die anderen 27 Prozent gaben an, sie würden es nicht bedauern. Selbst wenn die Sparkassen an die Landesbank verkauft würden, bei der es sich gleichsam um die oberste Sparkasse des Bundeslandes handelt, würden dies 80 Prozent bedauern. Der Sparkassen- und Giroverband hat auch gefragt, was die Hessen davon hielten, wenn die Sparkassen an private Kreditinstitute ginge, obwohl die Landesregierung dies gar nicht zulassen will. Eine Übernahme durch private Banken würden 81 Prozent der Befragten ablehnen.
62 Prozent gaben an, ohnedies seien ihre Erfahrungen mit privatisierten Unternehmen eher schlecht, und 50 Prozent kreuzten an, die Leistungen von ehemals öffentlichen Unternehmen hätten sich nach der Privatisierung verschlechtert. Der Sparkassen- und Giroverband ging nicht weiter auf die Möglichkeit an, das Gesetzesvorhaben mit Bürgerbegehren zu stoppen. Er ließ Forsa allerdings fragen, wie sich die Hessen in einem Bürgerentscheid verhalten würden. 82 Prozent würden gegen einen Verkauf von Sparkassen votieren, lediglich 14 Prozent dafür. Die anderen machten keine Angaben. (Text: mak./F.A.Z.)
Quelle: http://www.faz.net/s/Rub8D05117E1AC946F5BB438374CCC294CC/Doc~E1D1998DD964C4FBAA8F8BB0F6F38E017~ATpl~Ecommon~Scontent.html

Oeffentliches Gut Nahrungsmittel?

Die Basler Zeitung berichtete am 30.12.2006:
„Bern. SDA/baz. Jean Ziegler fordert die Schliessung der Nahrungsmittelbörse von Chicago. Nahrungsmittel dürften nach Ansicht des UNO-Berichterstatters für das Recht auf Nahrung nicht privaten Spekulationen unterworfen werden. Die Preise für Nahrungsmittel müssten vielmehr international vertraglich festgelegt werden, sagte Ziegler in einem am Montag veröffentlichten Interview mit der «Mittelland Zeitung». Nahrungsmittel seien öffentliche Güter und keine Ware wie jede andere. Beim heutigen Produktionsstand könnten problemlos zwölf Milliarden Menschen ernährt werden, also das Doppelte der jetzt existierenden Menschheit, sagte Ziegler weiter. «Der Krieg, den die westlichen Länder zu führen aufgerufen sind, ist der Krieg gegen den Hunger und die Verzweiflung.» Ein weiteres grosses Problem sei die Korruption in Afrika. Diese werde aber von vielen westlichen Grossbanken und Konzernen zur Durchsetzung bestimmter politischer oder wirtschaftlichen Zielen gefördert. Hoffnung setze er deshalb in die 300’000 weltweit agierenden Nichtregierungsorganisationen, sagte Ziegler. Sie seien eine «neue politische Macht, mit der die etablierten Parteien schon jetzt rechnen müssen».“

Mit CEC-Verkauf schliesst Rumaenien die Banken-Privatisierung ab. Entstaatlichung startete erst vor acht Jahren – Premier warnt vor ueberzogenen Preiserwartungen fuer CEC

Bukarest – Nach dem bevorstehenden Verkauf der rumänischen Sparkasse CEC (Casa de Economii si Consemnatiuni) werden sich über 90 Prozent des rumänischen Banksektors in ausländischem Besitz befinden und die Privatisierung der Banken bereits im Vorfeld des EU- Beitritts des Landes abgeschlossen sein. In Vorbereitung der CEC-Privatisierung hat die rumänische Regierung per Dringlichkeitserlass verfügt, dass ein Paket von bis zu 5 Prozent der Aktien an die Mitarbeiter und die Mitglieder des Verwaltungsrates verkauft werden soll.
Der Wert der CEC wird laut einem Bericht der rumänischen Nachrichtenagentur Rompres vom Dienstag auf 500 Mio. Euro geschätzt. Unter den Bietern für das zum Verkauf angebotene Paket von 75 Prozent sind neben der RZB-Tochter Raiffeisen International (RI) aus Österreich auch die Banca Monte dei Paschi di Siena, die griechische EFG Eurobank Ergasias, die National Bank of Greece, die ungarische OTP Bank und die französisch-belgische Dexia. Raiffeisen hat zuletzt erklärt, gute Chancen für einen CEC-Zuschlag zu sehen. Zwei Kandidaten der ersten Runde – Rabobank und Societe Generale – haben inzwischen ihr Interesse zurückgezogen. Weil die Erste Bank bei der BCR zum Zug kam, verfolgt sie auch ihr früheres Interesse an der CEC nicht weiter. Erste-Bank-Chef Andreas Treichl bestätigte heute, dass er den rumänischen Finanzminister Sebastian Vladescu offiziell vom Rücktritt der Erste Bank aus dem Bieterverfahren um die CEC informiert habe.

Zögerlicher Beginn
Zunächst war die Reform des Bankensystems in Rumänien viele Jahre nach der Wende 1989 kaum vorangekommen. Der Beginn des Privatisierungsprozesses in Bankensektor liegt erst acht Jahre zurück, als die Rumänische Bank für Entwicklung (BRD) 1998 von der französischen Societe Generale übernommen wurde. Ein Jahr später wurden 45 Prozent der Bancpost an die General Electric Capital Corporation und die Banco Portugues de Investimento verkauft; 2002 wurde dann das Bancpost-Mehrheitspaket von der griechischen Eurobank Ergasias übernommen.
2001 erfolgte die Privatisierung der Banca Agricola (BA), die an die Raiffeisen Zentralbank (RZB) verkauft wurde. BA war damals erheblich verschuldet – im Vorfeld der Privatisierung wurden ihr die Schulden jedoch von Gläubiger, dem rumänischen Staat, erlassen.

Fortsetzung 2005
Die Privatisierungen wurden 2005 im Eiltempo fortgesetzt: Die rumänische Bank-Austria-Tochter HVB Bank Romania schluckte um 248 Mio. Euro die Bank des Ex-Tennisstars Ion Tiriac. Die Eurom Bank wurde an die zweitgrößte israelische Bank, Leumi, verkauft.
Den Höhepunkt stellte jedoch im Dezember 2005 der Verkauf eines Mehrheitspakets von 62 Prozent der Banca Comcerciala Romana (BCR) an die Erste Bank Austria für 3,75 Mrd. Euro dar – ein Rekorddeal sowohl für die rumänische, als auch für die österreichische Seite.
Viel bescheidener dürfte hingegen der Kaufpreis ausfallen, den man für die Sparkasse CEC erzielen wird. Medienberichten zufolge wurden für 75 Prozent der CEC-Aktien bisher höchstens 300 Mio. Euro geboten. Selbst Premierminister Calin Popescu Tariceanu warnte vor allzu hohen Erwartungen in bezug auf die CEC: „Was die finanzielle Performance betrifft, liegt die CEC, die bisher Verluste schreibt, weit hinter der BCR. Wir werden keinesfalls einen ähnlichen Preis erzielen können wie für die BCR, da sollten wir uns keine falschen Hoffnungen machen“, so Tariceanu. Kritiker warfen daraufhin dem Premierminister vor, durch diese Äußerungen die Chancen für einen erfolgreichen Verkauf der CEC gemindert zu haben.
Quelle: http://derstandard.at/?url=/?id=2299851

"European Rivers Network" & Wasser-Aneigung von Oben per Mega-Staudaemmen geht weiter

Das European Rivers Network (ERN) ist ein europäisches Informations- und Arbeitsnetzwerk von Organisationen und Einzelpersonen für den Schutz der Flüsse. Ziel von ERN ist es, Vereine und Organisationen zu vernetzen und die Kommunikation zwischen diesen Organisationen zu verbessern (Umwelt- , Kultur-, Menschenrechts- und Bildungsorganisationen) und Sensibilisierungskampagnen zugunsten lebendiger Flüsse durchzuführen. ERN unterstützt das nachhaltige, vernünftige Management von lebendigen Flüssen im Gegensatz zur Ausbeutung, Verschmutzung und Degradation, die oft Folge des bisherigen Wasserbaues war. ERN hat einen Newsticker in drei Sprachen, der auch die Wasserprivatisierungsthematik beinhaltet.

Dokumentation eines taz-Artikels:

„Megawasserprojekte, die soziale und ökologische Probleme verschärfen, sollen nicht mehr gebaut werden. Das schlug eine internationale Kommission schon vor fünf Jahren vor. Heute zeigt sich: Daran halten sich nur wenige, auch Deutschland nicht.

Alle Mega-Staudämme haben enorme ökologische und soziale Folgen: der Drei-Schluchten-Staudamm in China, die Narmada-Staudämme in Indien und das Atatürk-Staudammprojekt im Südosten der Türkei. Vor genau fünf Jahren wurden daher von der Weltstaudammkommission (WCD) Richtlinien für den Staudammbau vorgelegt. Diese sollen die negativen Folgen abschwächen.

Danach wurde der Industrie, den Regierungen und den Finanziers empfohlen, die Betroffenen stärker zu berücksichtigen und Alternativen zu Staudämmen zu entwickeln. Doch diese Richtlinien spielen etwa bei der Kreditvergabe für neue Dämme kaum eine Rolle, mahnt jetzt das International Rivers Network (IRN). Es hat für heute Vertreter aus Banken, Regierungen, Wirtschaft und Nichtregierungsorganisationen zu einer internationalen Tagung nach Berlin geladen.

Weltweite Proteste führten 1997 dazu, dass die Weltstaudammkommission (Worldcommission on Dams, WCD) ins Leben gerufen wurde. Sie setzte sich aus Betroffenen und aus VertreterInnen aus Regierungen, Industrie, Verbänden und Wissenschaft zusammen. Zwei Jahre lang untersuchte die Kommission die Kosten und Nutzen von Großdämmen. Sie traf Personen, die über brutale Vertreibungen sowie mangelnde Entschädigung der Betroffenen berichteten. Die Richtlinien, die die Experten daraufhin erarbeiteten, sollten dafür sorgen, dass die Menschenrechte künftig stärker berücksichtigt werden.

Dennoch, so moniert der World Wildlife Fund, würden momentan 400 größere Staudämme gebaut – weitere sind geplant. Dabei sei bei vielen der Nutzen fraglich. „Die Staudammindustrie, die Weltbank und viele Regierungen wehren sich gegen den Einfluss, der den betroffenen Bevölkerungsgruppen eingeräumt werden soll“, bestätigt Ann Kathrin Schneider vom IRN. Besonders erstaunlich sei das Verhalten der Weltbank. Obwohl sie die Richtlinien offiziell mittrage, nehme sie die Standards bei ihrer Kreditvergabe nicht auf.

Auch die deutsche Position sei widersprüchlich. Offiziell habe die Regierung die Staudamm-Richtlinien anerkannt. Doch ist – zumal mit dem Regierungswechsel – unklar, inwieweit sie sich an sie hält. Beispiel 1: Der Bau des Ilisu-Staudamms am Tigris. Die deutsche Züblin ist am Baukonsortium beteiligt. Nun erwägt sie, die Außenwirtschaftsförderung bei der deutschen Regierung zu beantragen. Die Erfolgsaussichten gelten als gut.

Beispiel 2: Deutschland unterstützt den Nam-Theun-2-Staudamm in Laos. INR-Frau Schneider sagt: „Es wurde nicht ernsthaft geprüft, welche Alternativen zur Armutsbekämpfung es neben der Wasserkraft in Laos gab.“ Manfred Konukiewitz vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit (BMZ) will den Vorwurf allerdings nicht gelten lassen. „Es wird kontinuierlich geprüft, ob die Einnahmen aus dem Staudamm von Laos zur Armutsbekämpfung genutzt werden.“

http://www.irn.org/wcd/5/main.html

taz Nr. 7820 vom 15.11.2005, Seite 9, 101 von Ariane Brenssell“

Rolle von Morgan Stanley bei der Bahn in der Kritik

Reuters meldet: „Verkehrspolitiker verschiedener Fraktionen haben die Rolle der US-Investmentbank Morgan Stanley bei der Bahn kritisiert. Nachdem die Bank von dem Staatsunternehmen den Auftrag zum Verkauf der Reederei Scandlines erhalten hat, sprachen die Verkehrsexperten am Samstag von einem möglichen Interessenkonflikt der Bank. Die Bank ist an einem Regierungs-Gutachten zur Privatisierung der Bahn beteiligt und überwacht zudem die Geschäftsentwicklung des Unternehmens. Morgan Stanley ist zudem in einem Banken-Konsortium für eine 800-Millionen-Dollar Anleihe der Bahn. „Wie soll Morgan Stanley ein objektives Gutachten verfassen, wenn sie gleichzeitig Millionen an der Bahn verdienen?“, sagte die CSU-Politikerin Renate Blank dem „Spiegel“. Der SPD-Verkehrsexperte Uwe Beckmeyer sagte: „Es ist schon fragwürdig, wenn Morgan Stanley zunächst als Gutachter im Auftrag des Bundes und dann als Verkäufer für die Deutsche Bahn AG auftritt.“ Der Grüne Winfried Hermann stellte die Frage, ob die Bahn die Bank nicht mit Aufträgen belohne, damit diese sich für einen Börsengang des Konzerns mit Netz ausspreche. Eine Privatisierung in dieser Form verlangt Bahnchef Hartmut Mehdorn.
Bahn-Sprecher Werner Klingberg wies die Kritik zurück. Morgan Stanley habe bereits einen Auftrag zum Verkauf von Scandlines gehabt, bevor die Bank als Regierungs-Gutachter aufgetreten sei. Der Verkauf war dann aber aufgeschoben worden. Zudem habe sich Morgan Stanley bei einer Präsentation mit dem besten Angebot gegen zehn bis zwölf andere Institute durchgesetzt. „Wir sehen da kein Problem“, sagte Klingberg.“
Quelle: http://de.today.reuters.com/news/newsArticle.aspx?type=companiesNews&storyID=2005-12-18T102856Z_01_HUM837729_RTRDEOC_0_DEUTSCHLAND-FIRMEN-BAHN.xml