Wem gehört die ökonomische Bildung?

Eine neue Studie [PDF] von Lucca Müller und Reinhold Hedtke über die Lobbyarbeit von Wirtschaftsverbänden in der ökonomischen Bildung verdeutlicht den Einfluss von Lobbyverbänden auf Bildungseinrichtungen. Ausgangspunkt der Studie ist die Frage: „Wer mit wem?“, also die Frage, wer in welcher Form Einfluss auf diejenigen hat, die entscheiden, was Schüler_innen zu wirtschaftlichen Themen lernen sollen.

Lucca Müller und Reinhold Hedtke schreiben zusammenfasend:

Hinter der bildungspolitischen Forderung, ökonomische Bildung durch ein eigenes Schulfach Wirtschaft zu Lasten anderer Fächer auszuweiten, steht ein einflussreiches Netzwerk von Wirtschaftsverbänden, privaten Großunternehmen und wirtschaftsliberal-konservativen Einrichtungen und Akteuren.

Das Netzwerk steht für eine ökonomische Bildung, auf die Privatunternehmen, Wirtschaftsverbände und wirtschaftsliberal-konservative Organisationen inhaltlich erheblichen Einfluss nehmen. Alle anderen Interessen und Institutionen wie Arbeitnehmer-, Verbraucher- oder Umweltverbände oder die Sozialwirtschaft bleiben marginal.

Die von Wirtschaftsverbänden, Privatunternehmen und wirtschaftsliberal- konservativen Organisationen breit in die Schulen gestreuten Lernmaterialien sind nicht selten wissenschaftlich und politisch tendenziös und fördern oft einseitig unternehmernahe Weltbilder, Akteure und Interessen.

Eine Alternative zu diesem ideologisch, interessenspezifisch und parteipolitisch einseitig strukturierten Netzwerk für mehr ökonomische Bildung existiert bisher nicht. Das Schulfach Wirtschaft wird so zum Fach der Wirtschaft. Bleiben andere wissenschaftliche und politische Positionen und gesellschaftliche Gruppen weiter randständig, wird der Pluralismus aus der ökonomischen Bildung vertrieben. Deshalb muss die Bildungspolitik den öffentlichen Bildungsauftrag der Schulen auch in der ökonomischen Bildung gegenüber einseitigen Einflüssen verteidigen. [S. 6]

Der zweite Teil der Studie von Lucca Möller zeigt die Vernetzung von Personen, Projekten und Publikationen auf. Am Beispiel des Kongresses „Wirtschaft und Schule“, ausgerichtet einmal im Jahr vom Handelsblatt, wird die einseitige parteipolitische Vernetzung sichtbar.

Lucca Möller schreibt:

Repräsentanten von Organisationen, die sich für die Interessen von Unternehmern und Unternehmen einsetzen, machen gut ein Drittel der auf den Handelsblatt-Kongressen Referierenden aus, Tendenz stark steigend. Dazu gehören Kammern, Arbeitgeber- und Unternehmensverbände, die wirtschaftsnahe Wissenschaft und Stiftungen. VertreterInnen von ArbeitnehmerInnen, Betriebsräten, Gewerkschaften, Verbraucherverbänden, Umweltverbänden, Fair-Trade-Organisationen und ähnlichen Organisationen befinden sich nicht unter den zu Vortrag oder Diskussion geladenen Gästen. [S. 39]

Der Einfluss auf die ökonomische Bildung ist der Studie folgend strukturell einseitig und wird von mächtigen Akteuren dominiert. Die Studie führt die gezielte Beeinflussung gesellschaftlicher Diskurse vor Augen – Diskurse verstanden als „Fluss von Wissen bzw. sozialen Wissensvorräten durch die Zeit“ (Siegfried Jäger).

Die ganze Studie ist hier nachzulesen: http://www.iboeb.org/moeller_hedtke_netzwerkstudie.pdf

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