Privatisierung mit Folgen: Tausende landeseigene Wohnungen sind noch zu verkaufen – fuer Mieter ist das nicht immer gut

Helga Loesch hat Angst um ihr Zuhause. Seit 27 Jahren wohnt die 73-Jährige mit ihrem Mann an der Argentinischen Allee in Zehlendorf. Bald soll sie 79 Euro mehr Miete im Monat zahlen. „Wenn dann noch Mieterhöhungen dazukommen, wird das unbezahlbar“, fürchtet ihr Mann Jürgen. Schließlich seien es schon jetzt fast 1 000 Euro mehr, die sie im Jahr zahlen müssen. Grund für die Steigerung der Kaltmiete von 4,10 auf 5,58 Euro pro Quadratmeter sind Modernisierungen, die das US-Unternehmen Oaktree, der neue Eigentümer der ehemals landeseigenen Wohnungsbaugesellschaft Gehag, auch gegen den Willen der Mieter durchsetzen will.
„Daran zeigt sich deutlich, welche negativen Konsequenzen eine Privatisierung für Mieter hat“, erklärt Hartmann Vetter, Hauptgeschäftsführer des Berliner Mietervereins. Aber trotz dieser Erfahrungen bei der Gehag werden auch andere Gesellschaften weiter Wohnungen verkaufen. So will sich die finanziell angeschlagene Wohnungsbaugesellschaft Mitte (WBM) von 8 000 bis 10 000 Wohnungen trennen. Die Wohnungsbaugesellschaft Stadt und Land plant den Verkauf von 1 800 Wohnungen in der High-Deck-Siedlung in Neukölln, die Gesobau möchte 2 500 Wohnungen im Märkischen Viertel loswerden. Erst vor Jahresfrist hatte die zur Degewo-Gruppe gehörende Wohnungsbaugesellschaft Marzahn 3 858 Wohnungen an einen holländischen Investor verkauft.
Die SPD-Fraktion will diesen Ausverkauf nun stoppen – sie hat den Senat aufgefordert, dass die landeseigenen Unternehmen keine weiteren Wohnungen verkaufen sollen, es sei denn, es ist – wie bei der WBM – fürs finanzielle Überleben nötig. Außerdem forderte die Fraktion ein Gesamtkonzept für den weiteren Umgang mit den sechs großen landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften, die zurzeit etwa 275 000 Wohnungen besitzen. Ob die SPD die geplanten Verkäufe von Gesobau und Stadt und Land stoppen kann, ist zweifelhaft. Denn in der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung glaubt man nicht, dass diese Gesellschaften auf das Geschäft verzichten. Die Wohnungen sollen verkauft werden, weil die Sanierungskosten für die teils 30 bis 40 Jahre alten Häuser zu hoch wären. Viel mehr soll aber nicht verkauft werden. Ziel sei es, 250 000 bis 260 000 Wohnungen im Landesbesitz zu sichern, damit man sozial schwache Mieter versorgen kann.
Der SPD-Bauexperte Jürgen Radebold sagte der Berliner Zeitung, eine Arbeitsgruppe mit Vertretern der Finanzverwaltung und der Stadtentwicklungsverwaltung solle in den nächsten zwei Monaten ein Konzept für den Umgang mit den Wohnungsbaugesellschaften erarbeiten. Ob sich die Gruppe mit der Frage beschäftigt, ob das Land weitere Wohnungsbaugesellschaften verkauft, ist aber nicht sicher. Kurz vor den Wahlen im September dürften alle Beteiligten ein solches Thema vermeiden wollen, um Mieter nicht zu beunruhigen. Investoren hoffen bereits auf den Verkauf der Gesobau im Jahr 2007. Offiziell bestätigt das freilich niemand. Für diese Legislaturperiode gilt die Aussage der Koalition, es werde keine weitere Wohnungsbaugesellschaft verkauft.
Dass Verkäufe an Investoren nicht automatisch zu Problemen führen müssen, zeigt das Beispiel Lone-Star-Funds. Die US-Gesellschaft und ihr Tochterunternehmen, die Wohnpark Verwaltungs- und Betreuungsgesellschaft (WVB), haben seit Dezember 2000 5 500 Wohnungen in Hellersdorf gekauft und saniert. Dabei sei „durchaus auf die Interessen der Mieter Rücksicht genommen worden“, sagt Vetter. Nicht aus Nächstenliebe, sondern weil es in Hellersdorf ein Überangebot an Wohnungen gibt. Mehr als die ortsübliche Miete sei nicht drin, sagt WVB-Geschäftsführer Rainer Uhde. Eine sanierte 63 Quadratmeter große Wohnung kostet bei der WVB heute 456 Euro warm.
Die WVB umwirbt ihre Mieter: In ihren vier Wohnparks gibt es Beratungsstellen, einen Sicherheitsdienst, und bei Mietrückständen wird eine Finanzberatung angeboten. Zudem lockt sie mit Angeboten: Wer zum Beispiel nach dem 16. Februar einzieht, darf bis Ostern mietfrei wohnen.
Ganz anders als in Hellersdorf ist Wohnraum in Zehlendorf sehr begehrt. Hier braucht es keine Sonderaktionen, um zahlungskräftigere Mieter zu finden, wenn sich die alten eine Modernisierung nicht leisten können. Viele Mieter an der Argentinischen Allee sind alleinstehende Rentner. „Sie werden gehen müssen, weil ihnen die Wohnungen zu teuer werden, in denen sie seit Jahrzehnten leben“, fürchtet Barbara Boroviczény. Sie hat eine Initiative gegründet. Gemeinsam mit anderen Mietern will sie sich gegen die Modernisierung wehren. Denn die Mieter, die mit der Modernisierung nicht einverstanden waren, wurden im November 2005 auf Zustimmung verklagt – derzeit laufen die ersten Gerichtsverfahren.
Von Iris Brennberger, Ulrich Paul und Sarah Schelp
Quelle: Berliner Zeitung, 30. Januar 2006, http://www.berlinonline.de/berliner-zeitung/berlin/521944.html

Ifo gegen private Wasserrohre / Studie: Staat muss Qualitaetseinbussen wie in England verhindern

Bereits im Dezember berichtete die Frankfurter Rundschau (22.12.2005):
Das Münchner Ifo-Institut für Wirtschaftsforschung warnt vor einer Privatisierung des Trinkwassernetzes. Beispiele aus dem Ausland zeigten, dass das ein Irrweg ist. Wegen hier zu Lande hoher Trinkwasserpreise und anstehender Investitionen in veraltende Rohrleitungen raten manche Experten zur Privatisierung kommunaler Versorger. Das Ifo warnt dagegen vor einem solchen Schritt. Erfahrungen in Großbritannien und Frankreich hätten gezeigt, dass so kein echter Wettbewerb entsteht, die Wasserqualität aber abnimmt, schreibt Ifo-Experte Matthias Egerer.
Hohe Trinkwasserpreise in Deutschland seien durch hohe Wasserqualität und bestehende Versorgungssicherheit teils gerechtfertigt, stellt er fest. In Großbritannien und Frankreich, wo die Trinkwasserversorgung privatisiert worden ist oder andere Wettbewerbselemente eingeführt wurden, „werden die Anlagen auf Verschleiß gefahren“, stellt Egerer klar. Damit würde gesellschaftliches Kapital vernichtet, Wasserressourcen verschwendet und gesundheitliche Beeinträchtigungen in Kauf genommen. Fazit sei, dass die Rohrleitungen in die Hand des Staates gehören, wenn man eine Benachteiligung von Verbrauchern verhindern will.
Lernen könne Deutschland dagegen von den Niederlanden, wo es auch ohne Privatisierungen möglich war, die Effizienz bei der Trinkwasserversorgung zu erhöhen, betont Egerer. Dort seien die wie in Deutschland vielfach kleinen kommunalen Versorger zu großen öffentlichen Aktiengesellschaften fusioniert worden, die eine gesetzlich festgelegte Mindestgröße aufweisen müssen.

Marsch gegen die Privatisierung: Am Donnerstag wollen die Postler gegen den geplanten Boersengang des gelben Riesen aufmarschieren – Die Protestmassnahmen koennten theoretisch in einen Streik muenden

Der Wiener Standard (17.01.) berichtet von den Kämpfen gegen die Postprivatisierung: „Der Post-Börsengang spaltet nicht nur Regierung und Opposition, sondern geht wie ein Riss quer durch alle Lager. Während SPÖ und sozialdemokratische Gewerkschafter (FSG) den Zeitpunkt für falsch befinden, eine Wachstumsstrategie und eine Absicherung des staatlichen 51-Prozentanteils vermissen, findet Ex-Finanzminister und SPÖ-Parade-Industrieller Hannes Androsch, dass die Republik sogar 75 Prozent minus eine Aktie über die Börse privatisieren könnte.

„Noch kein Übernahmekandidat“
Denn bei einer Privatisierung von 49 Prozent werde die Post noch nicht zum Übernahmekandidaten, widerspricht Androsch seinem Parteichef Alfred Gusenbauer. Im Gegenteil: „Wenn man eine großzügige Mitarbeiterbeteilung macht und einige österreichische Kernaktionäre einbindet, dann kann man auch auf 25 Prozent plus eine Aktie privatisieren“, sagte Androsch zum STANDARD. Eine staatliche Sperrminorität (25 Prozent plus eine Aktie) sei unter den genannten Bedingungen ausreichend Schutz.
Er, Androsch, verstehe zwar die Bedenken der Gewerkschaft, die „möglichst viele Rechte abgesichert wissen will“, und ebenso die Unterstützung der Gewerkschaftsposition durch die SPÖ. Androsch: „Das ist verständlich, wenn man sich etwa das Verscherbeln der Austria Tabak ansieht.“ Aber schließlich hätten die Privatisierungen Anfang der 90er-Jahre unter Ex- Minister und Ex-ÖIAG-Chef Rudolf Streicher begonnen und die Unternehmen gehörten heute allesamt zu den erfolgreichsten Firmenbeispiele an der Wiener Börse.

Geschäftswelt wäre von Streik am meisten betroffen
Kommt es entgegen allen Erwartungen doch zu Arbeitsniederlegungen, würde dies vor allem die Geschäftswelt zu spüren bekommen. Sie verschickt mit Rechnungen, behördlichen Schriftstücken und Reklamematerial die meisten Poststücke. Einen Beschluss über Protest- und Kampfmaßnahmen gegen den Post-Börsengang haben die rund 100 Mitglieder des Zentralvorstands der Gewerkschaft der Post- und Fernmeldebediensteten bereits im Dezember 2005 gefasst – und zwar mit den Stimmen der Christgewerkschafter.
Einen Streikbeschluss im engeren Sinn umfasse dieser aber (noch) nicht. Dafür brauche es zusätzlich einen ÖGB-Beschluss, sonst bekommen die Streikenden kein Geld.
Unwahrscheinlich war ein Streikbeschloss aber bereits vor der Sitzung – auch deshalb, weil diesen die Telekombediensteten mittragen müssten. Und die haben weder einen Grund noch eine Legitimation dafür. Denn die Telekom schreibt Rekordgewinn und es steht kein nennenswerter Personalabbau bevor. „Wir können einen Streik nicht wirklich rechtfertigen“, sagt denn auch ein hoher Gewerkschaftsfunktionär zum STANDARD. Die Post bleibe vorerst ja mehrheitlich im Staatsbesitz.
Zank um den Post-Börsengang gibt es auch bei den Grünen. Der Anlass: Parteichef Alexander van der Bellen kann sich eine Vollprivatisierung der Post vorstellen, wenn die Versorgungssicherheit gewährleistet ist. Das kritisieren die Alternativen und Grünen GewerkschafterInnen (AUGE/UG) als „nicht nachvollziehbar“, weil die Privatisierung von Infrastrukturunternehmen „insbesondere unter dem Aspekt der Versorgungssicherheit der Bevölkerung mit Postdienstleistungen absolut kontraproduktiv“ wirke. Nachsatz der AUGE: „Wenn bereits jetzt hunderte Postämter geschlossen und tausende MitarbeiterInnen abgebaut worden sind, kann sich jeder ausmalen, was wohl passieren würde, wenn ein Unternehmen wie die Post voll privatisiert ist.“

Schutz der Kleinen
SP-Justizsprecher Hannes Jarolim hat beim Post-Börsengang den Schutz der Kleinaktionäre auch im Fall eines so genannten passiven Kontrollerwerbs verlangt. Bundeskanzler Schüssel sei gefordert, Stellung zu beziehen, dass das Übernahmerecht auch in diesem Fall zur Anwendung komme und damit ein Angebot an den Streubesitz gelegt werden müsse.
Von einem passiven Kontrollerwerb spricht man dann, wenn ein bestehender Großaktionär aussteigt oder bei einer Kapitalerhöhung nicht mitzieht, so dass die Kontrolle über das Unternehmen automatisch auf den nächstgrößten Aktionär übergeht – etwa von der ÖIAG auf einen anderen Großinvestor. Für Anlegerschützer Wilhelm Rasinger ist eine gelbe Volksaktie nur dann gut, wenn Kleinanleger im Übernahmegesetz besser gestellt werden.“
Quelle: http://derstandard.at/?url=/?id=2306820

Postprivatisierung in Oesterreich: Schelte gruener Gewerkschafter fuer Van der Bellen

Die Presse berichtet am 17.01.2006, dass die Idee einer Vollprivatisierung auf heftigen Widerstand stößt.
Die Alternativen und Grünen Gewerkschafter (Auge/
UG) kritisieren die Aussagen von Grünen-Parteichef Alexander van der Bellen zum Post-Börsegang heftig. Von der Bellen lehnt eine Vollprivatisierung der Post nicht ab, wenn die Versorgungssicherheit gewahrt bleibt. Genau „unter dem Aspekt der Versorgungssicherheit der Bevölkerung mit Postdienstleistungen wirkt eine Privatisierung derartiger Infrastrukturunternehmen absolut kontraproduktiv“, konterte die Grüne Gewerkschaft.
„Wenn bereits jetzt schon hunderte Postämter geschlossen und tausende Mitarbeiter abgebaut worden sind, kann sich jeder ausmalen, was wohl passieren würde, wenn ein Unternehmen wie die Post voll privatisiert ist“, sagte wiederum Markus Koza, Bundessekretär von Auge/UG. Die Gewerkschaft fürchtet auch um die soziale und arbeitsrechtliche Absicherung der Postler für den Fall, dass im Zuge der Liberalisierung immer mehr Teilzeit-Jobs geschaffen würden.
Ludwig Dvorak, der Vorsitzende der Sozialistischen Jugend Österreich, nannte die Aussagen Van der Bellens als „weiteren Kniefall vor der ÖVP“: „Es ist unglaubwürdig, sich globalisierungskritisch zu geben, nur um dann der Privatisierung öffentlicher Dienste zuzustimmen.“
Quhttp://www.diepresse.com/Artikel.aspx?channel=e&ressort=eo&id=532434elle:

Privatisierung der Luebecker Entsorgungsbetriebe?

In der Internet-Zeitung „HL-live.de“ ist zu lesen: „Die politischen Parteien diskutieren über eine Privatisierung der Entsorgungsbetriebe. Die FDP möchte eine Einrichtung, die von der Politik völlig unabhängig ist, die CDU würde gerne eine Anstalt öffentlichen Rechts schaffen. Die SPD steht Privatisierungen kritisch gegenüber.
„Die SPD tritt auf die Euphoriebremse. Eine Privatisierung städtischer Aufgaben und Gesellschaften ist mit Blick auf die in Lübeck gemachten Erfahrungen kein Allheilmittel“, so Peter Reinhardt, SPD-Fraktionschef. „Lohndrückerei, Arbeitsplatzabbau, erhebliche Verschlechterung der Arbeitsbedingungen und umfangreiche Vorleistungen der öffentlichen Hand trüben die angebliche Erfolgsbilanz der Privatisierungsfans.“
Bei der Bewertung der Privatisierung des Krankenhauses Süd falle negativ ins Gewicht, dass umfangreiche Nachforderungen von der öffentlichen Hand zu erfüllen waren und ein weiterer Verkauf von Gesellschafteranteilen zu einem symbolischen Preis notwendig wurden. Ebenso negativ falle der Verlust von 77 Arbeitsplätzen und der Abbau von 17 % der Betten ins Gewicht.
Reinhardt: „Die geforderte Übertragung der städtischen Gebäudereinigung versagte im Praxistest. Sie erwies sich bei genauer Betrachtung mit spitzem Bleistift als unwirtschaftlich und hätte zu erheblichen Mehrkosten für den Steuerzahler geführt. Gleiches gilt für die neuerlich von der Mehrheit in der Bürgerschaft geforderte Privatisierung der öffentlichen Beleuchtung. Die Berichte über die angestrebte Erhöhung der Mieten für die Geschäftsräume im Flughafensind nicht verwunderlich. Sie sind die zwingende Konsequenz aus der nur ‚mit erheblichen Bauschschmerzen‘ zugestimmten Veräußerung der Flughafengesellschaft und der Ankündigung des neuen Gesellschafters, Umsatz und Ertrag erheblich auszuweiten.“
Die SPD sehe deshalb keine Notwendigkeit, ihre Haltung zur Zukunft des Entsorgungsbetriebs zu überdenken. „Wir fordern unverändert eine Überführung der EBL in eine Anstalt öffentlichen Rechtes. Abfallbeseitigung, Entwässerung und Straßenreinigung sind Aufgabe der öffentlichen Daseinsvorsorge.“
Die FDP hält dagegen. Dr. Michaele Blunk, Fraktionsvorsitzende der Liberalen in der Bürgerschaft: „Aufgabe von Verwaltung und Politik ist es, die Bedingungen für die Privaten so förderlich wie möglich zu gestalten. Dafür brauchen wir optimal ausgebildetes Personal, das effizient eingesetzt wird. Diese Effizienz geht verloren, wenn der erreichte hohe Standard nicht ständigem Wettbewerb ausgesetzt wird. Das allein reicht noch nicht, weil die Gelder der Steuer- oder Gebührenzahler auch bei abfallender Leistung fließen. Die EU-Richtlinie hat mit Sicherheit unzumutbare Härten für unsere Hafenarbeiter. Aber der ideologisch-reflexartige Aufschrei der sich sozial nennenden Politiker bei den Begriffen ‚Konkurrenz‘ und ‚Privatisierung‘ geht völlig an den realen Notwendigkeiten vorbei. In der Stadt steht demnächst die Umwandlung der Entsorgungsbetriebe an. Überholte Strukturen haben zu dramatischen Verlusten geführt. Aber die CDU kann sich nur zur Umwandlung in eine Anstalt öffentlichen Rechts (AöR) mit möglichst großem Einfluss von Politik und Verwaltung durchringen, die das Desaster mit zu verantworten haben. Die FDP wird sich für einen Beschlusstext einsetzen, der garantiert, dass bei den verschiedenen Sparten (Entwässerung, Stadtreinigung, Abfall u.a.) die Fragen nach Rechtsform, Teilprivatisierung, Synergien, Einsparungen usw. auf der Tagesordnung bleiben. Die AöR darf nach Beendigung der externen ‚Durchleuchtung‘ nicht in alte Gewohnheiten zurück fallen. Die positiven Beispiele von Privatisierungen in der Stadt sollten allen Mut machen.““
Quelle: http://www.hl-live.de/aktuell/textstart.php?id=17964

kurz erklaert V: Secondary Picketing

picketing

  • einpfählend
  • Absperrung durch Streikposten
  • Aufstellung von Streikposten

secondary picketing

  • Streikposten bei nichtbetroffenen Firmen

Der gegenwärtige Streik von Mitarbeitern der Flughafen-Catering-Firma Gate Gourmet zeigt, wie verschiedene Einzelkapitalisten – LTU (Reiseunternehmer), Flughafengesellschaft, Gate Gourmet, Zeitarbeitsfirmen, Private Sicherheitsfirmen – zusammenarbeiten und zusammenhalten, um den Widerstand von Beschäftigten zu brechen (im konkreten Fall geht es in erster Linie um eine 10%ige Lohnsenkung).

Derartigen Allianzen im Unternehmerlager läßt sich durch mobile und flexible Streikformen begegnen, wie sie in englischsprachigen Ländern als secondary picketing diskutiert und praktiziert werden: Wenn einzelne kleine Belegschaften nicht genügend Druck machen können, dann bilden ArbeiterInnen von außen effektive Streikposten, um die betroffene Verwertungskette an ihrem schwächsten Punkt zu treffen und damit größtmöglichen Druck zu machen.

Die Flughafen-Blockade am 14.1. war ein solcher Versuch des secondary picketing.

"Vorbildfunktion fuer ganz Lateinamerika"

Edgardo Lander, Berater des venezolanischen Präsidenten Hugo Chávez, über die neue Rolle des Erdölproduzenten Venezuela, darüber, warum die US-Regierung so verärgert ist und warum die EU auch nicht besser ist.
taz: Venezuelas Präsident Hugo Chávez ist einer der wenigen Regierungschefs, die sich offen den USA entgegenstellen. Hat Ihr Land gar keine Angst vor der größten Militärmacht der Welt?
Edgardo Lander: Doch. Wir fürchten langfristig sogar einen militärischen Angriff. Noch sind die USA im Irak gebunden. Aber wenn sie wieder freie militärische Kapazitäten haben, könnte es sein, dass sie sich auf uns konzentrieren.
Weil Präsident Chávez so viel im Fernsehen redet und die USA provoziert?
Weil wir über die größten Ölvorkommen des amerikanischen Kontinents verfügen. Neben dem Irak ist Venezuela eines der wenigen Länder, die ihre Förderung noch steigern können. Leider betrachten die USA seit der Monroe-Doktrin von 1823 Lateinamerika als ihren Hinterhof. Sie glauben daher, dass unsere Ölreserven eigentlich ihnen gehören. Vielleicht wird Venezuela ja bald zu einer Gefahr für die nationale Sicherheit der USA erklärt.
Zur Zeit konzentrieren sich die militärischen Drohungen der USA aber mehr auf den Iran.
Der Iran ist isolierter als Venezuela. Wir haben in den letzten Jahren viel für unsere außenpolitischen Beziehungen getan. Gegenüber anderen lateinamerikanischen Staaten, China und Frankreich. Das macht es den USA schwer, uns zu drohen.
Wovor haben die USA denn Angst?
Die Macht der USA stützt sich ja auf die Sonderrolle des Dollars als weltweite Reservewährung. Wir haben unsere Währungsreserven in Euro umgetauscht. Wenn Länder wie China, Japan oder Saudi-Arabien unserem Beispiel folgen, dann wäre es um die wirtschaftliche Vormachtstellung der USA geschehen. Auch die Art und Weise, wie wir die gesamtamerikanische Freihandelszone (ALCA) sabotiert haben, dürfte die USA sehr geärgert haben. Außerdem hat Venezuelas Souveränität eine Vorbildfunktion für ganz Lateinamerika.
Stört der Führungsanspruch Venezuelas nicht die anderen lateinamerikanischen Staaten?
Im Unterschied zu den meisten anderen Ländern hat Venezuela durch seine Ölvorkommen finanzielle Spielräume. Das drängt uns gewissermaßen in diese Rolle. Früher war Venezuela wie viele lateinamerikanische Staaten eher isoliert. Die neoliberale Wirtschaftspolitik hatte in fast allen Ländern Lateinamerikas den Binnenmarkt zerstört. So ist eine starke Abhängigkeit vom Export entstanden. Da fast alle die gleichen Güter exportierten, müssen sie untereinander konkurrieren. Nur vor diesem Hintergrund versteht man, wie revolutionär unsere Bemühungen um einen lateinamerikanischen Binnenmarkt sind.
Und warum war das all die Jahre vorher nicht möglich?
Weil die herrschende Elite sich eher den USA als Venezuela zugehörig fühlte. Ein Beispiel dafür ist unsere Ölfirma PDVSA. Obwohl sie seit den 70er-Jahren staatlich ist, ging es den liberalen Eliten im Vorstand darum, dem Staat so wenig wie möglich zu geben. Bis 1999 wurde unser Öl zu einem Drittel des Weltmarktpreises, damals 7 Dollar, verscherbelt. Die Ölfirma hatte trotzdem eine Rendite, die zweieinhalb Mal so groß war wie das venezolanische Staatseinkommen. Seit Chávez an der Macht ist, hat er gezeigt, dass er die Verhältnissen wirklich ändern will.
Doch auch heute wird Chávez Populismus vorgeworfen.
Das ist doch die typische Propaganda der Wirtschaftseliten. Wer die Interessen des Volkes vertritt, gilt als Populist. Unsere Regierung stand vor dem Problem, mit einem Staatsapparat agieren zu müssen, der von den alten Kräften durchsetzt war. Das führte dazu, dass wir uns bei unseren Reformen nicht einfach auf die bestehenden staatlichen Institutionen stützen konnten. So schickten wir zum Beispiel einfach ohne direkte Beteiligung des Gesundheitsbehörden tausende kubanische Ärzte in die sozial schwachen Gebiete.
Könnte Europa in diesem Prozess der lateinamerikanischen Emanzipation nicht eine Rolle spielen?
Als der argentinische Staat durch den IWF in die Pleite getrieben wurde, haben sich europäische Firmen leider genauso an der Plünderung öffentlicher Güter beteiligt wie die USA. Spanische Firmen haben den argentinischen Ölkonzern und das Telekommunikationsnetz zu einem Spottpreis aufgekauft. Während Frankreich sich die argentinischen Wasserwerke angeeignet hat. Ich bin daher sehr skeptisch, dass ein wiedererstarktes Europa sich sehr viel anders als die USA verhalten würde.
INTERVIEW: HAUKE RITZ
taz Nr. 7830 vom 26.11.2005, Seite 12, 147 Interview HAUKE RITZ

Die Gefahren der Privatisierung. Wie der Wissenschaftsrat die Aenderungen an deutschen Universitaetsklinika bewertet

Was Berliner Hochschulmediziner bei der Fusion ihrer Klinika durchgemacht haben, will der Wissenschaftsrat Münchner Ärzten offenbar ersparen. Von der seit einiger Zeit diskutierten Zusammenlegung der beiden medizinischen Fakultäten der Technischen Universität (TUM) und der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) rät er ab. „Eine Fusion kann ein irritierender Prozess sein“, sagte der Vorsitzende des Rats, Karl Max Einhäupl gestern auf einer Pressekonferenz in Berlin, bei der er die Ergebnisse der Herbstsitzungen seines Politikberatungs-Gremiums vorstellte. Der Rat plädiere jedoch dafür, die zwei Standorte des LMU-Klinikums auf dem Campus des Klinikums Großhadern zusammenzulegen.
Dem Robert-Koch-Institut (RKI) in Berlin gab der Wissenschaftsrat durchweg gute Noten. Es habe die Empfehlungen der letzten Evaluierung 1997 zum großen Teil umgesetzt und sich zu einer national und international anerkannten Institution auf dem Gebiet der Vorbeugung und Kontrolle von Infektionskrankheiten entwickelt.
Der Wissenschaftsrat hat sich zudem mit einem Novum in Deutschland befasst: der Privatisierung einer Universitätsklinik, wie sie in Hessen bei den seit kurzem fusionierten Universitätsklinika in Gießen und Marburg ansteht. Der Rat hat nun Voraussetzungen formuliert, die ein privates Klinikum erfüllen muss, um Unterstützung im Rahmen des Hochschulbauförderungsgesetzes er erhalten. Einhäupl und seinen Kollegen geht es vor allem um Befugnisse im Bereich Forschung und Lehre. Um zu sicherzustellen, dass die Geschäftsführung nicht zum Nachteil von Forschung und Lehre entscheidet, schlagen sie ein Stimmrecht des Dekans in der Geschäftsführung vor. Außerdem soll das Land Hessen das Fächerspektrum gesetzlich festschreiben und die Sicherheit der klinischen Ausbildungsplätze garantieren.
Die hessische Landesregierung hatte im Dezember 2004 beschlossen, die Klinika im Marburg und Gießen vollständig zu privatisieren, weil es an Geld für dringend notwendige Investitionen mangelte. Allein in dem maroden Gießener Universitätsklinikum werden schätzungsweise 200 Millionen Euro für eine Sanierung benötigt.
Einhäupl befürchtet, dass das Beispiel Schule machen könnte und sich nun noch weitere Bundesländer dazu entschließen, ihre Universitätsklinika zu verkaufen. „Das ist verlockend für die Länder. Viele der Kliniken befinden sich in einem desaströsen Zustand und müssen dringend saniert werden“, sagte er. Er sei zwar durchaus offen für Experimente und halte Modelle, in denen sich private Investoren engagieren, für zukunftsträchtig. Eine flächendeckende Privatisierung findet er jedoch problematisch. „Was das für Schwierigkeiten mit sich bringt, wird man vielleicht erst in zehn Jahren sehen“, sagte Einhäupl.
Einige Vereinbarungen des gerade abgeschlossenen Koalitionsvertrags von CDU/CSU und SPD heißen Einhäupl und seine Kollegen nicht gut. Sie kritisieren vor allem, dass der Anteil des Bundes am Hochschulbau schrittweise auf Null reduziert werden soll. „In weniger reichen Ländern wird es enorm schwierig werden, Geld für den Hochschulbau zu bekommen“, glaubt Einhäupl. Auch die insgesamt geschrumpfte Zuständigkeit des Bundes im Hochschulbereich sehen die Experten kritisch. Sie fürchten, dass die Hochschullandschaft zu einem Flickenteppich mit stark abweichenden Regelungen wird, hoffen aber bei der Realisierung der neuen Gesetze noch Nachbesserungen erwirken zu können.

Anne Brüning
Berliner Zeitung, 15.11.2005

Privatisierung verhindern! Oeffentliche Daseinsvorsorge in Buergerhand!

In der WASG Berlin gibt es die AG-Berlinpolitik. Die hat am 21.10.05 einen Entwurf für einen Antrag auf dem Landesparteitag am 26./27.11.05 beschlossen.
Darin heißt es: „Seit einem Vierteljahrhundert rollt die neoliberale Privatisierungswelle um den Globus. Mittlerweile sind selbst Kernbereiche der öffentlichen Daseinsvorsorge wie Bildung, Wasser, Gesundheit, Straßenbau, soziale Sicherheit oder der Betrieb von Gefängnissen im Fokus privater Begehrlichkeiten. Im Zuge verschärfter globaler Konkurrenz und bestehender Überkapazitäten sind die Investoren auf der Suche nach neuen und lohnenden Verwertungsfeldern. Dabei werden sie von neoliberalen Regierungen gezielt unterstützt. Zuerst werden Großunternehmen und Millionäre massiv von Steuern entlastet. Die öffentliche Hand erzeugt dadurch selbstverschuldet Haushaltsdefizite, um diese dann mit dem Verkauf des „Tafelsilbers“ und Privatisierungen wieder zu schließen. So wird Vermögen verschenkt, was in den letzten 100 Jahren mit Steuergeldern aufgebaut wurde – so auch in den vergangen 15 Jahren in Berlin! Die Berlinerinnen und Berliner bekommen die Folgen zu spüren. In der Stadt wurden zwischen 1996 und 2001 u.a. die öffentlichen Betriebe Bewag, Gasag, die Wasserbetriebe und die Wohnungsbaugesellschaft GEHAG ganz oder anteilig verkauft. Strom, Gas, Wasser und Wohnungen: Grundlagen der öffentlichen Daseinsvorsorge. Mit der Ablösung der Großen Koalition 2001 verbanden viele die Hoffnung auf einen grundlegenden Politikwechsel. Stattdessen verkaufte der SPD/PDS-Senat im vergangenen Jahr die Wohnungsbaugesellschaft GSW und bereitet heute die Privatisierung weiterer Krankenhäuser und der BVG vor. Der Senat hatte vier Jahre Zeit, den Rückkauf der Berliner Wasserbetriebe zu prüfen und zu vollziehen. Nichts ist bis heute geschehen. Die Hoffnungen vieler Berlinerinnen und Berliner sind massiv enttäuscht worden, stattdessen reiben sich „private“ Investoren aufgrund der hohen, zum Teil garantierten, Renditen die Hände.“ Mehr >>>

Privatisierung unverzichtbar?

Berlin. Der Deutsche Kulturrat erwartet angesichts der angespannten Haushaltslage eine steigende Zahl von Privatisierungen bei Kultureinrichtungen. Dies ergebe sich aus einer Befragung, an der sich über 50 Prozent der Oberbürgermeister deutscher Großstädte beteiligten, teilte der Kulturrat am Dienstag mit.
Damit bahne sich ein fundamentaler Wandel bei der Finanzierung von Kultureinrichtungen in den Kommunen an, sagte der Geschäftsführer des Kulturrates, Olaf Zimmermann.
Es sei zu befürchten, dass in Zukunft des Öfteren Kultureinrichtungen in Insolvenzgefahr gerieten. Zur Sicherung der kulturellen Infrastruktur sei deshalb privates Engagement unerlässlich, erklärten die Oberbürgermeister unisono. Wie aus der Befragung weiter hervorgeht, soll zum einen die Wirtschaft in die Pflicht genommen werden, als Sponsor von kulturellen Veranstaltungen, Events, Festivals, aber teilweise auch des normalen Betriebes einzutreten. Zum anderen werde teilweise auf Public-Private-Partnership gesetzt, auf eine längerfristige und dauerhafte Finanzierung auch von Kultureinrichtungen gemeinsam durch Unternehmen und die öffentliche Hand.
Unter den 44 von 87 vom Deutschen Kulturrat angefragten Oberbürgermeistern in Städten über 100000 Einwohnern ist der von Osnabrück nicht dabei. Warum, ließ sich gestern nicht feststellen. Tatsache sei aber, so Sven Jürgensen, Pressesprecher der Stadt, auf Anfrage, dass in Osnabrück Veranstaltungen wie der Hansetag im kommenden Jahr und Einrichtungen wie der Zoo oder das von einer Bürgerstiftung finanzierte Kinder- und Jugendtheater längst großzügig von privaten Unternehmen oder Personen unterstützt würden.
Viele Oberbürgermeister hätten beklagt, so der Kulturrat in seiner Mitteilung weiter, dass sinkende Landeszuschüsse das Kulturangebot in der Stadt verschlechterten. Vor allem die Unsicherheiten hinsichtlich der künftigen Landeshaushaltspolitik machten es den Kommunen schwer, ihren Kulturhaushalt zu planen.
Eine besondere Herausforderung bilde der demografische Wandel sowie die Abwanderung besonders in den ostdeutschen Kommunen. Aber auch die westdeutschen Kommunen mit einer schwachen wirtschaftlichen Ausgangssituation seien massiv von Abwanderung betroffen.

Quelle: Neue Osnabrücker Zeitung, 2.11.2005, http://www.neue-oz.de/information/noz_print/feuilleton/12176565.html?SID=84198ead407af25477a42d123b413fe3

Land will Kurierdienste abgeben – Verdi gegen Privatisierung

POTSDAM Die Landesregierung will ihren Kurierdienst abschaffen und mit den Aufgaben mittelfristig private Dienstleister beauftragen. Laut einer Machbarkeitsstudie des Innenministeriums könnten die bisherigen Kosten dadurch halbiert werden. Die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi bezweifelt die ehrgeizigen Ziele jedoch. „Da wurde wohl über einen ganz dicken Daumen gerechnet“, sagte Werner Ruhnke vom Verdi-Landesbüro, der im Beirat zur Verwaltungsoptimierung sitzt.
Ruhnke kritisiert, dass bislang keine fundierte Wirtschaftlichkeitsberechnung für eine Ausgliederung vorliege. Nicht immer sei eine Privatisierung günstiger als der Weiterbetrieb eigener Abteilungen von Landesbehörden. Als Beispiele nennt Ruhnke die Kraftfahrzeugwerkstätten der Polizei und die Abteilung zur Berechnung der Altersversorgung im öffentlichen Dienst, die zunächst an einen privaten Versicherer abgegeben werden sollte.
Das Land will eine abschließende Berechnung zur Wirtschaftlichkeit erst nach der Ausschreibung der Kurierdienste vorlegen. Zuständig für die Privatisierung ist Innenminister Jörg Schönbohm (CDU). Zur Beschäftigtenzahl und den Kosten des Kurierdienstes konnte sein Haus gestern keine Angaben machen. Das Kabinett hatte die Ausgliederung in dieser Woche beschlossen. Es folgt damit einer Vorgabe aus dem Haushaltssicherungsgesetz 2003.
Der Kurierdienst ist vorwiegend für die Verteilung von Briefen, Paketen und Broschüren innerhalb der Landesbehörden und Gerichte zuständig. Eine Übertragung an eine Privatfirma wäre nach Angaben des Innenministeriums erst nach dem kompletten Fall des Briefmonopols der Deutschen Post ab 2008 möglich. Das Land Berlin verschickt dagegen bereits jetzt sämtliche Behördenpost mit der privaten Pin AG.
Ruhnke sprach sich eindeutig für Rationalisierungsmaßnahmen in der Landesverwaltung aus. Das Land müsse dabei aber auch Verantwortung zeigen und dürfe nicht selbst zum Lohndumping beitragen. Niedriglöhne würden bereits bei den Sicherheitsdiensten gezahlt, so Ruhnke.
Verdi schlägt die Gründung eines Landesbetriebs vor, zu dem neben dem Kurierdienst beispielsweise auch die Immobilienverwaltung und der Bereich Produkteinkauf gehören könnten.
KLAUS D. GROTE / Märkische Allgemeine Zeitung 07.10.2005
>>> http://www.maerkischeallgemeine.de/cms/beitrag/10571966/62249/

Privatisierung der oesterreichischen Staatsdruckerei

Spezialdruck: Marken-Ware
Seit der Privatisierung ist es der Staatsdruckerei gelungen, attraktive Nischen auf internationalen Märkten zu erschließen – unter anderem mit dem Briefmarkendruck für Länder, denen die entsprechenden Produktionsmittel fehlen.
Besucher könnten den Eindruck gewinnen, es handle sich bei dem Gebäude um ein Hochsicherheitsgefängnis: Wer das Betriebsgelände betreten will, muss zunächst bei einer Gegensprechanlage sein Anliegen glaubwürdig vorbringen, sonst bleibt das massive Metalltor verschlossen. Ist die erste Hürde überwunden, tut sich eine weitere Barriere auf: Vor der Lobby verhindern aus Sicherheitsglas gefertigte elektrische Schiebetüren, dass ungebetene Gäste weiter vordringen können. Passieren darf nur, wer den Zweck seines Besuches hier neuerlich erläutert, einen Ausweis beim Portier hinterlegt und sich strikt an die Anweisungen des Sicherheitspersonals hält.
Auf dem derart abgeschirmten Areal befinden sich die Räumlichkeiten der Österreichischen Staatsdruckerei GmbH. Der Name ist freilich irreführend: Der einstige Beamtenbetrieb ist längst ein privates Unternehmen, das sich vorwiegend auf die Entwicklung von Sicherheitsdokumenten konzentriert. Zu den hauptsächlichen Produkten der seit 2002 im 23. Wiener Gemeindebezirk ansässigen Druckerei zählen Pässe, Personalausweise, Wert- und Briefmarken sowie Lotterielose. Die Druckwaren weisen stets mehrere Sicherheitsmerkmale auf, gelten als fälschungssicher und werden unter strengsten Schutzvorkehrungen entwickelt und erzeugt. „In manche Bereiche unseres Unternehmens darf nicht einmal ich hinein“, sagt Geschäftsführer Reinhart Gausterer, der den ehemaligen Staatsbetrieb gemeinsam mit seinem Kollegen Thomas Zach leitet.
Neuorientierung. Nachdem die Druckerei vom vormaligen Eigentümer ÖIAG an das Wiener Private-Equity-Unternehmen ECP Euro Capital Partners veräußert wurde, sind auch die Strukturen gründlich überarbeitet worden. „Es hat für die Aufgaben, welche die Staatsdruckerei früher zu erfüllen hatte, gut funktioniert“, meint Gausterer. „Doch um am freien Markt bestehen zu können, mussten wir einiges umbauen.“ Die neuen Eigentümer sahen erhebliches Wachstumspotenzial vor allem jenseits der österreichischen Landesgrenzen. Langfristig sollte die Abhängigkeit von heimischen staatlichen Aufträgen so weit wie möglich reduziert werden.
Heute wachsen die Umsätze laut den Geschäftsführern pro Jahr um „zweistellige Prozentbeträge“. Die Gesamteinnahmen liegen im höheren zweistelligen Millionen-Euro-Bereich – detailliertere Zahlen werden nicht bekannt gegeben. Etwa 20 Prozent der Umsätze stammen bereits von Auftraggebern außerhalb Österreichs. „Das Ende der Fahnenstange ist aber noch lange nicht erreicht“, glaubt Gausterer. „Wir peilen bei den Exporten mittelfristig die 30-Prozent-Marke an. Und längerfristig ist sicher noch mehr möglich. Das alles muss aber vor dem Hintergrund betrachtet werden, dass die Exportquote vor fünf Jahren bei null lag.“
Eines der Standbeine des Auslandsgeschäfts ist der Druck von Briefmarken. Etwa ein Drittel des Umsatzes bestreitet die Staatsdruckerei heute mit deren Herstellung, wobei rund 30 Prozent des Auftragsvolumens im Ausland akquiriert werden. So ist die Wahrscheinlichkeit, dass Briefe im arabischen Raum mit aus Österreich stammenden Briefmarken frankiert sind, relativ hoch. Mit dem Oman etwa unterhält die Staatsdruckerei seit Längerem ein geschäftliches Übereinkommen. Dort stieß unter anderem die gemeinsam mit der österreichischen Post entwickelte „Swarovski-Kristallmarke“, die modernste Drucktechnologie mit in die Marke integrierten Kristallsplittern vereint, auf äußerst positive Resonanz. Für den Jemen wiederum hat die Druckerei bereits mehrere Milliarden Briefmarken produziert. Denn wie in anderen arabischen und auch asiatischen Ländern fehlen dort Produktionsmittel und das Fachwissen, um Briefmarken in ausreichender Menge und Qualität herzustellen.
Und auch im Fernen Osten scheinen die Produkte der Österreicher durchaus gefragt zu sein. Bei einer Geschäftsreise nach China, berichtet Gausterer, habe er am Ende der Seidenstraße ein winziges Postamt entdeckt. Aus reiner Neugierde habe er das dortige Angebot an Briefmarken gesichtet – und die mit Kristallsplittern besetzte Swarovski-Marke gefunden: „Das hat mich dann schon ein wenig stolz gemacht.“ Gemeinsam mit den Postgesellschaften von China und Österreich wird die Staatsdruckerei 2006 anlässlich des Mozart-Jahres zudem eine spezielle Briefmarke entwickeln – eine Weiterentwicklung des Swarovski-Konzeptes. Auf der Marke soll die Illusion eines Feuerwerks entstehen.
Sicherheitsdruck. Im Wege des Briefmarkengeschäfts, so der Plan der Österreicher, sollen allerdings auch Absatzkanäle für weitere Produkte eröffnet werden: vor allem für den Export von Sicherheitsdokumenten. Denn im Zusammenhang mit der Briefmarkenherstellung, so Thomas Zach, „stellen wir unser Können im Sicherheitsdruck unter Beweis“. Internationale Konferenzen und Zusammenkünfte von Briefmarkendruckern werden nun vorwiegend zum Knüpfen von Kontakten genutzt: „Dadurch gelingt es uns immer besser, die für uns recht neuen Märkte zu bearbeiten“, meint Reinhart Gausterer.
Denn die Staatsdruckerei exportiert neben Briefmarken auch Sicherheitsdokumente wie Reisepässe. „Ausgenommen sind zwar Süd- und Nordamerika, besonders gut vertreten sind wir dafür in Asien und Afrika“, sagt Gausterer. Zwecks steter Innovation wird dabei auch mit Unternehmen wie Philips und dem Chiphersteller Infineon sowie Wissenschaftern des Forschungszentrums Seibersdorf und der deutschen Fraunhofer-Institute kooperiert. Angespornt wurde die Zusammenarbeit mit den Experten durch die Entwicklung des neuen, ab kommenden Herbst international vorgeschriebenen Reisepasses, der biometrische Daten seiner Inhaber dauerhaft speichern soll. Die im nächsten Jahr eingeführten Reisedokumente müssen vorerst zwar lediglich ein Foto des Inhabers elektronisch gespeichert haben, doch in der Staatsdruckerei ist man bereits auf die Speicherung weiterer, umfangreicherer Sicherheitsmerkmale vorbereitet.
Gemeinsam mit dem Forschungszentrum Seibersdorf wird derzeit außerdem an neuen Druckfarben getüftelt, die unverwechselbar und fälschungssicher sein sollen. Ein mögliches Geschäftsfeld schwebt Gausterer bereits vor: „Ein indischer Beamter hat mir einmal im Vertrauen erzählt, dass ihre Lebensmittelmarken für Bedürftige recht oft gefälscht werden. Die Fälscher hamstern Konsumgüter und verkaufen sie dann.“
Johannes Strohmayer, ECP-Chef und Aufsichtsratsvorsitzender der Staatsdruckerei, zeigt sich mit der Entwicklung des Unternehmens jedenfalls durchaus zufrieden. „Besser konnte eine Privatisierung nicht laufen“, meint der frühere LIF-Politiker. „Der Finanzminister kassiert heute von uns mehr Steuern, als er früher Dividende bekam.“ Knapper äußern sich naturgemäß die früheren Eigentümer. „Wir denken, dass die nunmehrigen Gesellschafter durchaus zufrieden sein können, wie sich das Unternehmen entwickelt hat“, konstatiert ÖIAG-Sprecherin Anita Bauer. Gerhard Hennerbichler wiederum, Zentralsekretär der Gewerkschaft Druck, Journalismus und Papier, findet, dass „bei der Privatisierung für uns zwar eine recht unangenehme Situation aufgrund personeller Härten entstanden ist“. Dennoch könne man „die Staatsdruckerei als einen der wenigen österreichischen Musterbetriebe bezeichnen“.
Offenbar sehen dies auch ausländische Geschäftspartner und Branchenbeobachter ähnlich: Im vergangenen Jahr erhielt die Staatsdruckerei, passend zum 200-jährigen Bestehen des Unternehmens, in einer bestimmten Kategorie den ersten Preis bei der „Government Postage Stamp Printers Conference“ – einer Art Oscar-Verleihung für Briefmarkenhersteller.
Mario Wally

Quelle: Profil 39/05 (>>> http://www.profil.at/index.html?/articles/0538/560/122198.shtml)

Hohe Juristen gegen Privatisierung des Massregelvollzugs

Hannover (epd). Hochrangige Juristen haben eine Privatisierung des Maßregelvollzugs für psychisch kranke Straftäter klar abgelehnt. „Der Staat muss seine Handlungsspielräume behalten“, sagte der Karlsruher Bundesverfassungsrichter Professor Siegfried Broß am Dienstag in Hannover bei einer Anhörung der Gewerkschaft ver.di. Durch eine Privatisierung öffentlicher Aufgaben verliere er seine Steuerungsfähigkeit und mache sich von den Gesetzen des Marktes abhängig. In der Folge müsse ein riesiger Kontrollapparat aufgebaut werden. Damit könne der Staat aber nichts gestalten.
Die niedersächsische CDU/FDP-Landesregierung plant zurzeit, die zehn psychiatrischen Landeskrankenhäuser an private Träger zu verkaufen. Dort sind auch 1.157 psychisch kranke Straftäter untergebracht. Scharfe Kritik an einer Privatisierung übte Professor Hans-Ludwig Schreiber von der Universität Göttingen: „Das ist ein teilweiser Rückfall in die Institution der Privatstrafe.“ Dies halte er für verfassungswidrig. Zudem beruhten die Berechnungen der Landesregierung „auf einem wirtschaftlichen Irrtum“. Auf das Land kämen hohe Folgekosten zu.
Der frühere Richter am Bundesverwaltungsgericht, Professor Heinz-Joachim Bonk aus Potsdam, hielt zumindest eine teilweise Privatisierung für denkbar. Service-Leistungen wie Küche, Wäsche oder das Gebäude-Management könnten auch im Maßregelvollzug an private Betreiber delegiert werden. Tätigkeiten, die in die Freiheitsrechte eingriffen, müssten aber sowohl in landeseigenen Kliniken wie auch in privat geführten Krankenhäusern Beamten vorbehalten bleiben: „Der Maßregelvollzug ist eine Kernaufgabe des Staates.“
Der Bremer Rechtswissenschaftler Professor Helmut Pollähne erläuterte, dass die Ausführung von Staatsaufgaben laut Gesetz in der Regel nur Beamten übertragen werden dürfe. Eine Ausnahme von dieser Regel könne er im Fall des Maßregelvollzugs nicht sehen: „Das ist derjenige Bereich, in dem der Staat am massivsten in die Rechte des Einzelnen eingreift.“ Die Eingriffe reichten zum Teil noch weiter als beim Strafvollzug. Zudem müsse der Maßregelvollzug im Gemeinwesen Sicherheit gewährleisten.
(epd Niedersachsen-Bremen/b3001/20.09.05)
>>>http://www.epd.de/niedersachsen_bremen/niedersachsen_bremen_index_37273.html