Was sollte in einer Gesellschaft wachsen?

Dass die Grenzen des Wachstums erreicht sind, haben Donella und Dennis L. Meadows bereits 1972 festgestellt1. Das hat vor einigen Jahrzehnten mal zu einer gesellschaftlich ziemlich radikalen Bewegung geführt. Geschickt wie sie sind, haben staatliche Akteure dieses Thema inzwischen aufgegriffen und mit in ihre politische Suppe gegeben. In den 1990ern wurde dafür das Wort Nachhaltigkeit zu Tage gebracht.

Inzwischen wird die Bedeutung von Wachstum auf Bundestagsebene konkret diskutiert. Eine eigens geschaffene Enquete-Kommission „Wachstum, Wohlstand und Lebensqualität“ wurde ins Leben gerufen und diskutiert nun regelmäßig, ob z.B. wirtschaftliches Wachstum vom Umweltverbrauch ‚entkoppelt‘ werden kann. Großes Thema ist auch die Entwicklung eines „ganzheitlichen Wohlstands- und Fortschrittsindikators“. Denn hier ist inzwischen die Erkenntnis gereift, dass das Bruttoinlandsprodukt nicht wirklich den Wohlstand einer Gesellschaft abbildet.2.

In anderen Gesellschaften wurde das bereits erkannt. Im Bhutan wird das Bruttonationalglück berechnet3 – wenn auch manche Unternehmer_innen hierzulande nur milde lächeln, wenn sie das Wort ‚Glück‘ hören. Der inzwischen weit diskutierte Wohlstandsindikator nimmt Kriterien wie soziale Gerechtigkeit und Umweltschutz in seinen Meßkatalog mit auf.

Linke Gruppen und Organisationen nehmen sich der Wachstumskritik inzwischen auch gezielter an. Sie finden sich auch auf dem an diesem Wochenende stattfindenden Kongress „Jenseits des Wachstums“ an der Technischen Universität Berlin. Mit dabei ist auch die Rosa Luxemburg Stiftung.

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  1. http://de.wikipedia.org/wiki/Die_Grenzen_des_Wachstums []
  2. http://www.bundestag.de/bundestag/ausschuesse17/gremien/enquete/wachstum/index.jsp []
  3. http://en.wikipedia.org/wiki/Gross_national_happiness []

Den heterosexuellen Geschmack abschaffen?

Die AG Queerfeminismus der Initiative Für eine linke Strömung (FelS) aus Berlin hat in der neusten Ausgabe  der Zeitschrift Arranca!#43 („Bodycheck und linker Haken“) eine transnationale Interview-Collage mit verschiedenen queeren oder feministischen Gruppen in Istanbul, St. Petersburg, Jakarta, Belgrad, Paris und Berlin veröffentlicht. Dahinter steht der Plan der AG,  Queerfeminismus nicht auf den Querschnittsthema-Status zu reduzieren, sondern als eigenständige politische Kategorie  zu etablieren und zu einem Kampffeld konkreter gesellschaftlicher Auseinandersetzungen zu machen.  Das bedeutet: Emanzipatorisch feministische Kämpfe z.b. gegen geschlechtsspezifischen Reproduktionsverhältnisse und  neoliberale Verwertbarkeislogik sollen um queere Bündnisstrategien und Themen wie Heteronormativität und Intersektionalität erweitert werden. Parallel dazu steht der Anspruch, queere Lebenskonzepte mit klaren antikapitalistischen Haltungen zu verbinden. Die AG verschickte also im Sommer`10 Interview-Frage per Mail an viele verschieden Gruppen und die erhaltenen Antworten wurden dann  in From einer Collage zusammengetragen. Das Ergebnis bietet einen interessanten Überblick  transnationaler, links-politischer Gruppen mit teils unterschiedlichen politischen Kontexten, Arbeitsschwerpunkten und Erfahrungen, aber mit den gemeinsamen Zielen: den heterosexuellen Geschmack, patriarchale Ordnungen und homophobe Diskriminierung abzuschaffen! Wo, wie und warum die einzelnen Gruppen konkret politisch aktiv sind, lest selbst: mehr!

Kritische Wissenschaft in der unternehmerischen Hochschule

Clemens Knobloch kritisiert in seinem absolut lesenswerten Buch „Wir sind doch nicht blöd! Die unternehmerische Hochschule“ die Implikationen und Paradoxien der neuen Macht-Architektur, welche die Hochschulreform der letzten Jahre kennzeichnen. Wie sieht sie Knobloch folgend also aus, „die Effizienz im Wanderland einer Universität, die nun endlich autonom und ohne staatliche Detailvorgaben operiert“? Als zentral beschreibt er einen Imperativ der Verdatung. Bevor ein Institut hinsichtlich seiner „Leistungsparameter“ gut da stehen kann, muss es gründlich vermessen werden. Bibliometrisch zum Beispiel, oder hinsichtlich eingeworbener Drittmittel. Knobloch beschreibt sehr anschaulich das permanente Qualitäts-Tribunal der Hochschullandschaft und die neu etablierte „Pädagogik der Rangliste“ (2010: 170). Die Botschaften, die sich mit dieser „Kontrollsemantik“ verbindet, ist klar. Erstens: Stelle dich dem Vergleich! Zweitens: Mobilisiere und optimiere dich – permanent!

Uli Brand beschreibt in seinem Artikel „Bedingungen und Möglichkeiten kritischer Wissenschaft“, was dieses neue Regime für Auswirkungen hat:

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Allmende, Ostrom, Nuss, Keimform.de

Le Monde diplomatique macht ein „Glossar der Allmende“ und läßt Wirtschaftsnobelpreisträgerin E. Ostrom ihren Begriff von „Gemeingüter – jenseits von Markt und Staat“ beschreiben und bewerben. Sabine Nuss beschäftigte sich schon anlässlich des Klimagipfels kritisch mit Ostroms Commons-Begriff: „Knietief in der VWL“. Die Zeitschrift Luxemburg hat einen aktuellen Themenschwerpunkt dazu: „Commons, Kommune, Kommunismus“. Und keimform.de fragt: Retten die „Commons“ die Welt oder müssen sie selber gerettet werden?

UBS vs. Schweiz: Radio, Fernsehen und WOZ berichten über die Abzocke mittels CBL

Abseits der grossen Schauplätze liefert die schweizerische Großbank UBS der Stadt Leipzig einen erbitterten Kampf. Der Rechtsstreit um 370 Millionen Franken ist ein Paradebeispiel für das, was passieren kann, wenn öffentliche Unternehmen ihr Geld im globalen Finanzkasino verzocken. Dazu gibts einen Frontal21-Fernsehbeitrag vom 26.04.2011: Privat statt Staat-Kommunen zahlen drauf (pdf-Manuskript), einen Deutschlandfunk-Radiobeitrag: Sind Öffentlich-Private-Partnerschaften ein Irrweg? (Sendezeit: 27.04.2011 10:10, Länge: 68:27 Minuten) von Judith Grümmer und einen Zeitungsartikel in der WOZ: «Besässe die UBS einen Funken Anstand …»

Man schaffe den Besitz ab

Einstein - hoch im Kurs, Foto: Arndt Beck
„Das kleine Einstein“1, wie Franz Blei den Schriftsteller und Kunsthistoriker Carl Einstein einmal nannte, hat zu Beginn der Weimarer Republik einige Zeitschriften veröffentlicht, die meist nur wenige Nummern währten und so hübsche Namen wie Die Pleite oder Der blutige Ernst trugen. Letztere warb für sich so:

Wir arbeiten nicht für eine literarische Klique, nicht für eine einzelne Partei, wir gehen in die breite Masse des Volks. „Der blutige Ernst“ nagelt die Krankheiten Europas fest, verzeichnet den restlosen Zusammenbruch des Kontinents, bekämpft die tödlichen Ideologien und Einrichtungen, die den Krieg verursachten, stellt den Bankerott der abendländischen Kultur fest.2

Die Iowa Digital Library, die unter anderem eine beachtliche Dada-Sammlung bereithält, bietet auch den Zugang zu einigen von diesen raren Zeitungsexemplaren. Und so kann man etwa Einsteins manifestähnlichen Text Man schaffe den Besitz ab3 dort nachlesen.

  1. Franz Blei, Bestiarium Literaricum, das ist: Genaue Beschreibung derer Tiere des literarischen Deutschlands verfertigt von Dr. Peregrin Steinhövel, München 1920, S. 20, auch in: Rolf-Peter Baacke (Hg.), Carl Einstein, Materialien, Band 1, Berlin 1990, S. 176 []
  2. http://digital.lib.uiowa.edu/u?/dada,28922 []
  3. oder auch hier: Carl Einstein, Werke, Band 2 (1919-1928), Berlin 1981, S. 17f. []

Acosta: Buen Vivir als Verfassungsform

Via Le Monde diplomatique Nr. 9442 vom 11.3.2011: Es ist unmöglich, das Leben zu schützen, wenn wir jene Marktbeziehungen aufrechterhalten, die die Natur in ein Objekt verwandelt haben, das man sich aneignet oder zerstört. Die mechanische und unendliche Anhäufung materieller Güter, die auf einem anthropozentrischen Utilitarismus gegenüber der Natur beruht, hat keine Zukunft. Mehr lesen

Neoliberales Privatisierungsgerassel im glücklichen Österreich

Was Griechenland schon beschlossen und nun durchzusetzen versucht (durch massive Privatisierung u.a. das Staatsbudget zu „sanieren“), empfehlen nun die österreichische Wirtschaftskammer und die Industriellenvereinigung für Österreich. Und die Finanzministerin Fekter zieht sogleich hinterher. „In der Krise konnten wir nicht privatisieren. Doch jetzt ist der richtige Zeitpunkt auf den Kapitalmärken, um Privatisierungen voran zu treiben.“ Rund 25 Mrd Euro stünden in Aussicht, wenn bei dem österreichischen Bundesforst, den Energieunternehmen und Immobilien , weiter den Flughäfen, dem Wiener Hafen und gar der Münze zugepackt würde. Später käme dann die Bahn dran. Das Ganze hat positive Effekte – einfach ungeheuer:

  1. Die Staatsverschuldung könne schneller abgebaut werden durch Einnahmen aus Privatisierungen von Staatseigentum
  2. Dadurch wird eine Gießkannenpolitik verhindert
  3. Die Zinsbelastung der öffentlichen Haushalte könne verringert werden
  4. Zukunftsinvestitionen in Forschung und Bildung würden ermöglicht
  5. Damit würde ein Schritt zur Verwaltungsreform getan
  6. Das schlechte und schwerfällige staatliche Management wird durch besseres der Wirtschaft abgelöst
  7. Das Wirtschaftswachstum würde so beschleunigt

Sagenhaft. Wie in alten Zeiten vor 2008. Tiefe Krise des Neoliberalismus? Nicht in Austria!

 

Kongress gegen Wachstumswahn

Aus dem Aufruf: „Der Glaube, dass Wirtschaftswachstum den Wohlstand steigern und gesellschaftliche Probleme lösen könne, beherrschte und beherrscht das Denken und die Politik der unterschiedlichsten Gesellschaftssysteme – seien sie keynesianisch, neoliberal oder sozialistisch geprägt. Doch die Versprechungen der Wachstumsbefürworter sind vielfach nicht eingetroffen, sondern haben sich nicht selten in ihr Gegenteil verkehrt: anhaltende Massenerwerbslosigkeit, Umverteilung von unten nach oben und ein Auseinanderklaffen der Schere zwischen Reich und Arm in praktisch allen Ländern, aber auch global. Zu den vielfach beschriebenen Grenzen des Wachstums sind regionale und globale ökologische Katastrophen hinzugetreten. Zuletzt hat sich die ungebremste Wachstumsdynamik in der Weltfinanz- und Weltwirtschaftskrise entladen. Trotzdem wird Wirtschaftswachstum weiterhin als Allheilmittel zur Überwindung all dieser krisenhaften Phänomene gepriesen.“ Mehr lesen

Neues Buch: Zukunft Eigentum

Als 1989 der osteuropäische Staatssozialismus implodierte, stand als Erstes die Eigentumsfrage. Das Staatseigentum wurde zwar nicht vollständig, aber weitgehend zerschlagen, zumeist privatisiert. Nur ein Teil landete bei den verschiedenen Gebietskörperschaften, ein anderer Teil wurde liquidiert. Die in den führenden kapitalistischen Ländern schon Ende der 1970er Jahre in Gang gesetzte Privatisierung öffentlichen Eigentums erhielt einen gewaltigen Schub.

Heute haben Fragen auf den Alltag Einfluss, über die sich vor dreißig Jahren weder in Ost noch in West jemand Gedanken machen musste: Mehr lesen

FAZ für 10-Stunden-Woche

Heribert Prantl schreibt in der FAZ (3.5.2011, S. 32) und dann auch noch unter dem Titel: „Ohne Umverteilung des Reichtums verkümmert die Demokratie“. War am ersten Mai vielleicht irgendwas, was ich versäumt habe??

Ausbeutung war gestern, Entlassung ist heute. So mancher Entlassene wäre lieber ausgebeutet. Der Kapitalismus funktioniert, so sagt es Oskar Negt, zum ersten Mal in seiner Geschichte so, wie es Karl Marx in seinem „Kapital“ beschrieben hat. Die Gesellschaft wird zum Anhängsel des Marktes. Weil die Ratio des sogenannten Neoliberalismus in der Verbetriebswirtschaft-lichung des Gemeinwesens besteht, wird das Soziale getilgt, der unternehmerische Erfolg allein an der Wertentwicklung der Aktien gemessen. Betriebswirtschaftliche Rationalität ist an die Stelle der Ratio, der Vernunft der Aufklärung, getreten. Man nennt das Rationalisierung. Sie ist die Rückbeförderung des arbeitenden Menschen in die Unmündigkeit. Dagegen hat sich Oskar Negt sein Leben lang gestemmt – und er tut das bis heute mit bewundernswerter politischer und wissenschaftlicher Energie. (…)

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