Privatisierung des ökologischen Umbaus als Krisenüberwindung?

Die Privatisierung weiter Teile der öffentlichen Daseinsvorsorge, von Unternehmensbeteiligungen, der Zwang zum Einwerben von Drittmitteln in der Forschung bedeutete in den letzten dreißig Jahren nicht mehr und nicht weniger als einen neuen Schub der Enteignung der Gesellschaft von der nur durch sie hervorzubringenden Produktivkraft. Das ist mehr als eine akademische Phrase. Vielmehr haben sich so die Unternehmen, vor allem Großkonzerne, so den Zugriff auf entscheidende Potenziale der Lösung der Wirtschaftskrise verschafft.
Durch die aktive Förderung von ÖPP-Projekten treibt die Bundesregierung in Krisenzeiten diesen Trend voran. Während andere noch über mehr oder weniger konservative Investitionsprogramme reden und die Belegschaften der Autokonzerne um ihre gegenwärtigen Arbeitsplätze kämpfen, wird in den Forschungsabteilungen „die Zukunft gemacht“. Dies gilt für zwei Schlüsselbereiche besonders – die Automobilproduktion und die Energiewirtschaft. (vgl. z.B. aktuell Wirtschaftswoche 16/2009 S.63ff.) Dies ist nicht neu – schon in der Vergangenheit waren es die Großkonzerne, die eine zügige Einführung neuer Technologien hinaus zögerten, gleichzeitig aber an gewissen Punkten von diesen neuen Technologien auf der Grundlage ihrer Monopolmacht profitieren konnten. Ein Beispiel dafür ist das Engagement des Energiekonzerns Bayernwerke AG, dazumal einer der wichtigen Atomverstromer, auf dem Gebiet der Solartechnik in Bayern. Allein diese Erfahrungen lassen einen Grünen Kapitalismus durchaus möglich erscheinen – allerdings wird er dann nicht sehr idyllisch sein. Meist reklamieren dann Umweltaktivisten den Einstieg von Konzernen in grüne Technologien als ihren Erfolg – z.T. durchaus zu Recht, der dahinter tatsächlich stehende und der Innovation vorhergehende Enteignungsprozess wird nicht gesehen bzw. nur unzureichend problematisiert. Die Veränderungen im Patentrecht sind auch vor diesem Hintergrund zu sehen. Mithin ist eine stärkere Orientierung der Deprivatisierungskämpfe auf die Bereiche nötig, in denen die Voraussetzung für die Neuanlage von Kapital im laufenden Krisenzyklus geschaffen werden – die Deprivatisierung von Wissen ist ein entscheidender Punkt für den Charakter des folgenden Umbauprozesses in Depression und Aufschwung. Auf der anderen Seite müssen Investitionsprogramme weit über die Sphäre sozialer Dienstleistungen hinausgehen oder wenigstens Einstiege in weiter gehende Forderungen aufweisen und den Weg der Entwertung mit berücksichtigen. Wie kann Bewahrung mit Einstieg in Veränderungen verbunden werden?
Hier liegt eine entscheidende Frage an die ExponentInnen des Green New Deal. Es ist eine Illusion, dass eine Verschärfung der Forderungen hinsichtlich „grüner“ Geschäftskonzepte die Unternehmen unvermutet treffen würde. Sie, und dies gilt eben für die entscheidenden großen, sind sehr wohl auf diesen Wandel vorbereitet. Sie werden nicht in einer Position der Schwäche dem Staat oder gar der Gesellschaft gegenüber stehen. Der Green New Deal hat schon begonnen, ohne dass ein tatsächlicher Deal absehbar wäre. Rettungspakete, Vorantreiben von ÖPP etc. sind Instrumente, die schon einer Seite des Deals den Einstieg in neues Akkumulationsregime ermöglichen, die anderen Parteien aber aus der Bestimmung der Konditionen des Deals ausschließen.
Anders ausgedrückt: Wenn es bei der Krisenlösung um zwei miteinander verbundene Prozesse geht – nämlich die Entwertung des relativ überschüssigen Kapitals und die Neuanlage von Kapital in neuen Geschäftsfeldern, so sind die Konzerne mit Blick auf Grüne Technologien gut vorbreitet – es bleibt das Entwertungsproblem. Wie kann dieser Prozess sozial und ökologisch verträglich (und dies im globalen Maßstab) bewältigt werden? Marktmechanismen sind dafür untauglich, wenn die Gesellschaft nicht explodieren soll. Marktprozesse werden immer wieder die Tendenz zum Unterlaufen ökologischer Standards hervorbringen, so wie sie immer das Unterlaufen sozialer Standards hervorgebracht haben. Es wird Repression nötig sein, wie sie immer nötig gewesen ist. Die Frage ist, Die einzigen Instrumente, die in der bürgerlich-kapitalistischen Gesellschaft diesen Ausgleich ermöglichen, sind die der bürgerlichen Demokratie. Wenn der Umbruch so tief sein muss, wie es jetzt aus wirtschaftlicher, ökologischer und sozialer Sicht nötig sein dürfte, kommt der Radikalisierung der Demokratie erstrangige Bedeutung zu. Eine Beschränkung auf die Sicherung klassischer BürgerInnenrechte ist nicht ausreichend. Es geht um Eingriffe in Entscheidungsprozesse. Breiteste Demokratisierungsforderungen auf allen Gebieten sind daher unmittelbares Gebot politischen Handelns in der Wirtschaftskrise. Nicht zuletzt bedeutet dies neben der Durchsetzung von Formen direkter Demokratie, neben partizipativer Haushaltspolitik und Monitoring der Politik auf allen Ebenen auch Demokratisierung des Wissens und der Wissensproduktion.

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