Gemein: Staat läßt Vermögen verfallen!

Eine Untersuchung im neuen IMK-Report der Hans-Böckler-Stiftung zeigt, dass Deutschland trotz Aufschwung bei Investitionen deutlich zurück bleibt.

Deutschland hat ein ernstes Investitionsproblem. Seit Anfang der 90er Jahre bleiben die öffentlichen wie die privaten Investitionen zurück – sowohl im historischen Vergleich als auch gegenüber anderen Ländern. Zu diesem Ergebnis kommt eine neue Untersuchung des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) in der Hans-Böckler-Stiftung, die am heutigen Mittwoch als IMK-Report erscheint.* Zwar investieren im aktuellen Aufschwung die Wirtschaft und neuerdings auch der Staat wieder stärker als in den vergangenen Jahren, der langfristige Rückstand wird aber nicht ausgeglichen.

Ein Vergleich der Investitionszyklen zeigt zudem, dass die Investitionstätigkeit in diesem Aufschwung nicht stärker ausfällt als im letzten Aufschwung Ende der 90er Jahre. Anders als von vielen Experten erwartet, haben die Unternehmensteuerreform von 2001 und die ausgeprägte Lohnzurückhaltung der vergangenen Jahre nicht zu einem zusätzlichen Investitionsschub geführt. Die Ökonomen des IMK erklären das mit der Einseitigkeit der Maßnahmen, die auf Kostendämpfung setzten. Dabei sei vernachlässigt worden, dass niedrigere Einkommen die Nachfrage schwächen – und damit wiederum die Absatzerwartungen und die Anschaffungsneigung der Unternehmen.

Wie schwach die Investitionstätigkeit hierzulande inzwischen ist, ergibt sich aus dem Vergleich der Investitionsquoten, also der Anteile der Investitionen am Bruttoinlandsprodukt. Trotz des jüngsten Aufschwungs fiel die Quote der Bruttoanlageinvestitionen seit 1991 von 23 auf 18 Prozent. Bereinigt um Abschreibungen ging die Quote noch stärker zurück: Netto sank sie von fast elf auf knapp 4 Prozent. Hieran hat der Staat einen großen Anteil. In jüngster Zeit fiel die öffentliche Nettoinvestitionsquote so stark, dass sie von 2003 bis 2006 negativ war. Das heißt: Der Staat hat sogar Vermögen verfallen lassen.

Auch im internationalen Vergleich ist die Investitionstätigkeit in Deutschland gering. Spanien verdoppelte seit 1995 seine Investitionen nahezu. Die USA und Großbritannien legten um 60 und Frankreich um 40 Prozent zu. Trotz des jüngsten Aufschwungs kommt Deutschland im gleichen Zeitraum gerade einmal auf einen Zuwachs von 7 Prozent. Das liegt nicht einfach daran, dass die Wirtschaft in Deutschland insgesamt schwächer gewachsen ist und deshalb weniger investiert hat: Die Nettoinvestitionsquoten – die Investitionen im Verhältnis zum Nettoinlandsprodukt – sind ebenfalls mit Abstand die niedrigsten.

Die deutsche Wirtschaftspolitik bemüht sich seit Jahren, die Produktionskosten für die Unternehmen zu senken und damit Investieren attraktiver zu machen. Eins haben die Anstrengungen bewirkt, zeigt die Analyse des IMK: Die Gewinne der Unternehmen haben sich massiv erhöht. Die Investitionen jedoch nicht.

Der Grund: Niedrige Kosten allein machten aus Sicht der Firmen eine Ausweitung der Produktion nicht unbedingt rentabel, so das IMK. In die Renditeerwartungen von Unternehmen fließen auch die Erwartungen über den Absatz ihrer Waren oder Dienstleistungen ein. Dieser wird wiederum wesentlich von der Kaufkraft potenzieller Nachfrager beeinflusst – die sich in Deutschland in den vergangenen Jahren sehr schwach entwickelte.

Da trotz der starken Exportwirtschaft auch in der Bundesrepublik die Binnennachfrage eine größere Rolle spielt als die des Auslands, ist die Gesamtbilanz der wirtschaftspolitischen Anstrengungen nach der IMK-Untersuchung eher negativ. „Wer die Investitionen wirklich fördern will, muss auch stabile, positive Absatzerwartungen schaffen“, folgern die Wissenschaftler. Denn auch die gesamtwirtschaftliche Nachfrage sei ein zentrales Element von Investitionsmotiven, nicht nur Kostendämpfung.

*Den IMK-Report Nr. 24, November 2007, können Sie im pdf-Format downloaden:
www.boeckler.de/pdf/p_imk_report_24_2007.pdf

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