Sowas kommt von sowas: Wie der Geldadel H. zur Macht verhalf

Fabrice d‘ Almeida: „Hakenkreuz und Kaviar – Das mondäne Gesellschaftsleben im Nationalsozialismus“, Patmos Verlag 2007, 380 S.
Der in Frankreich lehrende Historiker Frabrice d‘ Almeida belegt in seinem Buch „Hakenkreuz und Kaviar“ die enge Kollaboration der oberen Zehntausend mit dem Hitlerstaat. Almeida schildert, wie Gesellschaftskreise des Geldadels Adolf Hitler zur Macht verhalfen. Den Diktator bewundernde Frauen bedachten ihn mit großzügigen Geschenken.

„Der Sieg des Dritten Reiches“, so drückte es vor langer Zeit einmal mein Geschichtslehrer aus, „war der Sieg der Gosse“, einer ungebildeten Masse, ohne Werte und Wissen, frei von Anstand und Kultur. Folgerichtig, so die theologisierende Antwort des Kölner Oberhirten, Joachim Kardinal Meisner, habe damals der Teufel die Oberhand gewonnen. Beiden Anschauungen ist gemeinsam, dass sich der Nationalsozialismus quasi ansatzlos und unabwendbar „ereignet“ habe.

Das Bürgertum, vor allem aber der Adel und die sogenannte „feine Gesellschaft“, hätten nichts mit dem Aufstieg der Nationalsozialisten an die Macht zu tun gehabt. Im Gegenteil: Man habe sich mit Abscheu von dem Prassen und Huren, Rauben und Morden wild gewordener Proleten abgewendet. Thesen, die in den fünfziger und sechziger Jahren, häufig zu hören waren, die aufzeigen, wie sehr es gelungen ist, die Frage nach Schuld und mit Mitschuld allein auf vergleichsweise wenige Nazis wie Hitler, Himmler, Goebbels, Göring zu konzentrieren.

Dass eine solche Sicht nicht der historischen Überprüfung standhält, ist oft bewiesen worden. Doch selten geschah dies so eindringlich wie in der soeben in deutscher Übersetzung erschienenen Studie des in Frankreich lehrenden Zeithistorikers Frabrice d’Almeida, Direktor des französischen Instituts für Zeitgeschichte. Knapp ein Jahr nach Erscheinen des französischen Originals legt jetzt der Düsseldorfer Patmos-Verlag das Werk in einer ausgezeichneten deutschen Übersetzung vor: „Hakenkreuz und Kaviar. Das mondäne Leben im Nationalsozialismus.“

Nach Jahren der Forschung dokumentiert d’Almeida jetzt eine beinahe grenzenlos scheinende Kollaboration der „Oberen Zehntausend“ mit dem Hitlerstaat. „Eben hier“, beschreibt er bereits im Vorwort die Quintessenz seiner Untersuchung, „liegt das größte Rätsel des Nationalsozialismus: die Konfrontation einer Gesellschaft, die sich als Erbe höchster kultureller Werte begreift, mit der Entfesselung einer Völker mordenden Barbarei.“

Lange war in den zurückliegenden Jahrzehnten dieses Thema beinahe ein Tabu. Stattdessen stritten sich marxistische und liberale Historiker: Die einen gaben dem Großkapital die Schuld am Dritten Reich, die anderen setzten die Ängste eines verarmten Bürgertums dagegen, das im Faschismus gleichermaßen die Wiederherstellung seines materiellen Wohlstands erhoffte. In ihren ideologisch geprägten Streitigkeiten, so der französische Forscher, verloren viele Historiker „jene Gruppen aus dem Auge, die wahrhaft diesem Regime den Zugang zur Macht und die eigene Machterhaltung erst ermöglichten“.

Natürlich war auch schon zuvor über den Bayreuther Wagnerkreis geschrieben worden, dessen Mitglieder nicht zuletzt aus dem Hochadel stammten, und den damals, in den zwanziger Jahren, noch unbekannten Österreicher in die gute deutsche Gesellschaft einführten.

Da ist die Reihe der Hitler bewundernden Frauen der Gesellschaft, die den Gefreiten in ihren Salons mit den Herrn des wahrhaft großen Gelds zusammenbrachten wie die geschiedene Frau Quandt aus der gleichnamigen Dynastie, die auch selbst Unsummen für ihr Idol locker machte, oder Helene Beckstein, aus der berühmten Klavierbauerfamilie, die Anfang der zwanziger Jahre Hitler seinen ersten Mercedes schenkte, eine Luxuslimousine, knallrot, für 26.000 Reichsmark, mit der Hitler dann zu den Kundgebungen mit den Arbeitslosen fuhr.

Viel beschrieben wurden auch die Aktivitäten des Bankiers Schröder, der zu Beginn der dreißiger Jahre Hitler mit Vertretern der Großindustrie zusammenbrachte. In diesem Umfeld war die Machtergreifung, oder genauer gesagt, die Ernennung Hitlers zum Reichskanzler, gedanklich vorbereitet worden.

Auf fast 400 Seiten zeigt der Autor auch die Gemeinsamkeiten in der Skrupellosigkeit auf, die Macht zu erhalten und zu vergrößern – die Bereitschaft, auch über Leichen zu gehen. Die brutale Wirklichkeit, der vielfältige Wortbruch, werden einerseits durch die rabiate, öffentliche Verfolgung der Juden kaschiert und zum anderen durch den Glanz eines mondänen NS-Königshofs mit Hitler als Sonnenkönig – umgeben von fast allen großen Namen der Zeit und des Reichs, die Otto-Normalverbraucher allenfalls aus den Geschichtsbüchern oder aber von der Leinwand her kannte.

Rezensiert von Günther B. Ginzel für ein Deuschlandradio Kultur Feature.

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