Öffentlicher Dienst und Privatisierung

Der Deutsche Beamtenbund hat durch Forsa eine Befragung [pdf] durchgeführt, die außerordentlich interessante Ergebnisse erbrachte die zeigen, dass eine bemerkenswerte Mehrheit der Bevölkerung die aktuelle Praxis der Privatisierung des Öffentlichen nicht akzeptiert. Sie zeigt Positionen zu der „Tragbarkeit“ und Akzeptanz von Privatisierungen und erhebt erstmals die verschiedenen kritischen Einschätzungen zu den Folgen von Privatisierungen. Weitere Privatisierungen öffentlicher Dienstleistungen werden von 50 % der Bevölkerung abgelehnt, weitere 19 % sind für Reprivatisierungen und nur eine Minderheit von 24 % tritt für eine weitere Privatisierung öffentlicher Dienstleistungen ein, wobei diese Gruppe bei der FDP 44 %, den Grünen 29 %, der CDU/CSU 31 %, bei der SPD nur 21 % und der Linkspartei gerade mal 13 % Anhänger hat – bei dieser plädieren 36 % für Deprivatisierung.

Im Einzelnen:

Höherschätzung von Beschäftigten im öffentlichen Dienst: „Erstaunlich an dieserWertung ist, dass 6 Berufe aus demBereich der öffentlichen Dienstleistung, die in der Regel auch den Beamtenstatus haben, sehr hoch bewertet werden, während die Beamten an sich ein sehr geringes Ansehen haben. Die Beschäftigten in den früheren öffentlichen, heute privatisierten oder zumindest teilprivatisierten Dienstleistungen, werden generell deutlich niedriger bewertet als die noch in den öffentlichen Dienstleistungen Tätigen. Dies gilt insbesondere für Telekom-Mitarbeiter.“

Eine knappe Mehrheit ist der Ansicht, dass der öffentliche Dienst auch in seiner jetzigen Verfassung die Versorgung mit Dienstleistungen für seine Bürger gewährleistet.

Den Befragten wurden zwei Aussagen über die Rolle des Staates in der globalisierten Gesellschaft vorgelegt. Die eine lautete, dassman in einer globalisierten Gesellschaft immer weniger Staat brauche, weil der Markt letztendlich schon alles richten werde. Die zweite lautete, dass man gerade in einer globalisierten Gesellschaft einen starken Staat brauche, der die Bürger vor ausufernden Entwicklungen schützen könne. Der Auffassung, dass man heute immer weniger Staat brauche, stimmen nur 17 Prozent aller Bürger zu. Die Zustimmung liegt in allen Bevölkerungs- und Wählergruppen unter 25 Prozent.

Der Auffassung, dass man gerade in einer durch zunehmende Globalisierung geprägten Gesellschaft einen starken Staat brauche, stimmt eine Mehrheit von 66 Prozent aller Bürger zu. Neben den Beschäftigten im öffentlichen Dienst stimmen vor allem die Arbeiter sowie die Anhänger der Union und der Linkspartei diesen Einschätzungen zu. Die geringste Zustimmung findet sich bei den Selbstständigen und (z. T. damit korrespondierend) den FDP-Anhängern; doch auch in diesen beiden Gruppen meint mehr als die Hälfte, man brauche auch heute einen noch starken Staat, der die Bürger vor ausufernden Entwicklungen am Markt schützen könne. Obwohl eine klare Mehrheit durchaus einen starken Staat befürwortet, beklagen 69 Prozent aller Bürger, dass es derzeit in Deutschland zu viel staatliche Bürokratie gebe. Nur eine Minderzeit hält das Ausmaß der Bürokratie für gerade richtig oder
gar für zu gering.

Angesichts des auch von vielen Bürgern beklagten Ausmaßes der Bürokratie in Deutschland und der als zu hoch empfundenen Kosten wird häufig eine über den bisherigen Umfang hinausgehende Privatisierung weiterer bislang staatlicher Dienstleistungen gefordert. Doch trotz aller Kritik an der Bürokratie teilen viele Bürger den Ruf nach mehr Privatisierung nicht. Für fast alle Bürger ist unvorstellbar, dass hoheitliche Aufgaben wie die der Polizei, des Gerichtswesens oder des Strafvollzugs privatisiert werden könnten. Von der Finanzverwaltung, der Feuerwehr, den Schulen und der Rentenversicherung kann sich ebenfalls die große Mehrheit nicht vorstellen, diese Dienstleistungen zu privatisieren. Bei den Hochschulen und Krankenhäusern meint zwar auch noch eine klare Mehrheit von rund zwei Drittel, dass beides in öffentlicher Hand verbleiben sollte. Ein Drittel aber könnte sich immerhin vorstellen, dass Hochschulen und Krankenhäuser genauso gut wie von der öffentlichen Hand auch von privaten Anbietern betrieben werden könnten. Bei der Müllentsorgung, der Arbeitsvermittlung, der Energieversorgung, dem öffentlichen Nahverkehr und den Theatern bzw.Museen hält es nur eine Minderheit von 33 bis 41 Prozent für zwingend erforderlich, dass diese Dienstleistungen in der öffentlichen Hand verbleiben. Eine Mehrheit glaubt hier, dass private Betreiber diese Aufgabe genauso gut wie der Staat erledigen könnten. Allerdings meinen auch bei diesen Bereichen nur wenige Bürger, dass hier unbedingt eine Privatisierung stattfinden müsste.

Dass bei den schon privatisierten bzw. teilprivatisierten Dienstleistungen die Leistungen nach der Privatisierung besser geworden seien, glauben die meisten Bürger nicht. Lediglich beimPaketdienst hat eine knappe Mehrheit von 51 Prozent den Eindruck, die Leistungen seien besser geworden als beimfrüheren Staatsunternehmen Post. Es mag allerdings dahingestellt bleiben, ob das eher für die privaten Anbieter oder gegen die Leistungen der Post spricht. Doch auch beim Paketdienst haben 44 Prozent den Eindruck, die Leistungen seien nach der Privatisierung unverändert geblieben oder sogar schlechter geworden.
Die Leistungen im Telekommunikationsbereich sind nach Einschätzung von 44 Prozent nach der Privatisierung besser geworden. 28 Prozent meinen, die Leistungen seien schlechter geworden; 25 Prozent sehen durch die Privatisierung keinerlei Änderungen in der Qualität der erbrachten Dienstleistungen. In allen anderen Bereichen (Müllentsorgung, Post, Energieversorgung und Bahn) sieht eine große Mehrheit keine Verbesserungen der Leistungen nach der Privatisierung. Bei der Bahn haben sogar 41 Prozent den Eindruck, die Leistungen seien nach der Teilprivatisierung der Bahn schlechter geworden.
Dass die Leistungen nach der Privatisierung billiger geworden seien, das glaubt knapp die Hälfte der Bürger nur für den Bereich der Telekommunikation. Aber auch hier glauben 31 Prozent, die Telekommunikationsdienstleistungen seien nach der Privatisierung teurer geworden und 16 Prozent sehen keine Veränderung der Preise. Beim Paketdienst glauben 41 Prozent, die Leistungen hätten sich verteuert; 22 Prozent sehen keine Unterschiede bei den Preisen vor und nach der Privatisierung. Bei derMüllentsorgung und der Post glaubt die Hälfte, die Kosten seien heute höher als vor der Privatisierung. Niedrigere Kosten sieht nur ein Zehntel aller Bürger.
Bei der Energieversorgung und der Bahn meinen sogar drei Viertel aller Bürger, die Preise seien seit der Privatisierung gestiegen.
Die Einschätzung der Beschäftigten im öffentlichen Dienst unterscheidet sich auch hier nicht wesentlich von der aller Bürger.

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