Privatisierung ist keine Loesung

Berlins neue Gesundheitssenatorin Katrin Lompscher über den Fleischskandal, Nichtraucherschutz, Krankenhäuser und wilde Tiere im ND-Interview vom 20.12.06

Baugenehmigungen, Stadtumbau Ost, Reparatur von maroden Straßen – das war das Metier, mit dem sich Katrin Lompscher (Linkspartei) bisher beschäftigte. Seit dem 23. November ist alles anders: Da wurde die ehemalige Bezirksstadträtin für Stadtentwicklung von Berlin-Lichtenberg zur Senatorin für Gesundheit, Umwelt und Verbraucherschutz berufen. Ein Job, den ihr ihre Mitstreiter aus der Politik unbedingt zutrauen. Denn die 44-jährige Berlinerin gilt als ideenreich, zupackend, kooperativ und jemand, der sich schnell in ein neues Fachgebiet einarbeiten kann. Nicht umsonst saß sie in der Arbeitsgruppe der Linkspartei, die die neue rot-rote Koalition ausarbeitete. Mit der Senatorin sprachen Silvia Ottow und Bernd Kammer.

ND: Frau Lompscher, erst wenige Tage im Amt, müssen Sie sich schon einem Gammelfleischskandal und dem Chaos beim bundesweiten Nichtraucherschutz stellen – einen härteren Einstieg in das unbekannte Ressort hätte man sich kaum vorstellen können. Haben Sie die Übernahme schon bereut?
Lompscher: Natürlich hätte ich mir einen anderen Beginn vorstellen können. Letztlich haben die letzten zehn Tage auch bewirkt, dass ich mich in sehr kurzer Zeit und sehr intensiv in die neue Aufgabe einarbeiten musste und konnte. Auch die Zusammenarbeit mit der Verwaltung musste schnell funktionieren. Und sie hat funktioniert. Mir wäre es allerdings für die Verbraucherinnen und Verbraucher lieber gewesen, wir hätten das auch ohne Gammelfleisch leisten können.

Die Vorgänge lagen vor Beginn Ihrer Amtszeit. Haben Sie Ihrer Vorgängerin etwas vorzuwerfen, und was muss sich ändern?
Der ehemaligen Gesundheitssenatorin Heidi Knake-Werner ist da gar nichts vorzuwerfen. Das Problem war ja gerade die Weiterleitung von Informationen, unter anderem an die Senatorin, die nicht funktioniert hat. Insgesamt ist deutlich geworden, dass neben Kontrollen die schnelle Weiterleitung von Informationen nicht nur in der Verwaltung, sondern vor allem an die Verbraucherinnen und Verbraucher eine tragende Säule von Verbraucherschutz sein muss.
Als gelernte Stadtpalanerin sind Sie eine absolute Quereinsteigerin in Sachen Krankenhäuser.
Ich möchte so bald wie möglich alle mal gesehen haben.

Alle? Es sind rund 70.
Auf alle Fälle die neun, die zum landeseigenen Krankenhauskonzern Vivantes gehören. Dann werde ich auch genaueren Einblick haben, was die Krankenhäuser von mir erwarten.
Und die Kliniken vielleicht, was Sie von Ihnen erwarten. Es wird ja kritisiert, dass die Krankenhäuser immer noch ineffizient arbeiten, zu hohe Verwaltungskosten haben.
Der AOK-Krankenhausreport, den Sie ansprechen, meint alle Berliner Kliniken. Die Häuser von Vivantes stehen meist besser da. Aber natürlich ist es kein Widerspruch, Unternehmen in öffentlicher Hand wirtschaftlich zu führen. Ohne wirtschaftliche Effizienz ist es schwierig, den Leistungsauftrag in der angemessenen Qualität zu erfüllen.

Probleme sollen also nicht durch die Privatisierung von Unternehmen gelöst werden?
Darin bestand eine der Hauptforderungen der Linkspartei.PDS in den Koalitionsverhandlungen und das haben die Koalitionspartner definitiv ausgeschlossen. An der öffentlichen Trägerschaft wird nicht gerüttelt. Die Herausforderung besteht vielmehr darin, in öffentlicher Trägerschaft Qualität und Effizienz zu erreichen.

Sie haben sich mit der Stadtentwicklung beschäftigt und waren für den Kulturbereich im Gespräch. Sind Sie eine Frau für alle Fälle?
Fachlich bin ich im Berliner Stadtbezirk Lichtenberg auf Grund meiner beruflichen Vorerfahrungen ganz gut klar gekommen. Und in diesen Jahren habe ich auch das politische Geschäft gelernt. Wenn man das kennt, weiß, wie die Prozesse funktionieren und mit wem man wie zurecht kommt, hat man gute Voraussetzungen, auch in anderen berufsfremden Feldern Politik machen zu können. Ich gehöre allerdings nicht zu denen, die in einem neuen Amt gleich behaupten, über alles Bescheid zu wissen.

Aber eine Überraschung war es schon, als Sie für das Ressort Gesundheit, Verbraucherschutz und Umwelt als Senatorin nominiert wurden?
Klar. Es hatte sich zuletzt angekündigt. Aber insgesamt war es eine der Herausforderungen, die man schlecht ablehnen kann. Weil ich an den Koalitionsverhandlungen mitgewirkt hatte, war mir klar, dass es nicht einfach für die Linkspartei sein wird, sich in diesem zweiten rot-roten Anlauf in Berlin politisch zu behaupten. Da habe ich die Berufung dann nicht nur fachlich, sondern auch parteipolitisch gesehen.

Weil es ansonsten niemanden im Senat gegeben hätte, der die Ost-Seele versteht?
Es ist doch ein völlig normaler und legitimer Vorgang, dass eine Partei, die ihre Hochburgen im Osten hat, auch jemanden aus dem Osten beruft. Auf mich ist man aber sicher nicht nur wegen meiner Herkunft gekommen. Es hat sich einfach gut getroffen, dass ich auch die Voraussetzungen für dieses Amt mitbringe. Im übrigen, denke ich, ist die Ost-Seele genauso differenziert wie die West-Seele.

Was liegt Ihnen denn auf der Seele? Gesundheit, Verbraucherschutz, Umwelt war ja nicht Ihr Wunschressort.
Nein. Ich komme eben von der Stadtentwicklung her. Aber zum einen waren da schon inhaltliche Überschneidungen zur Umweltpolitik gegeben, zum anderen führten schließlich alle Erwägungen zu dieser Konstellation. Die auch überzeugend ist, weil alle drei Bereiche gerade für linke Politik große Gestaltungsmöglichkeiten haben. Umweltpolitik ist ja nicht gerade ein Feld, wo sich die Linkspartei bisher sehr hervorgetan hat, Verbraucherschutz ist auch relatives Neuland. Gerade die letzten Tage haben aber gezeigt, wie viel hier noch getan werden kann. Und im Gesundheitsbereich ist linke Kritik an den Prozessen, die jetzt laufen, noch ziemlich leise.

Wie wollen Sie die verstärken?
Als einziges rot-rotes Bundesland sind unsere Möglichkeiten, diesen Reformprozess in unserem Sinne zu verändern, natürlich begrenzt. Aber in die öffentliche Debatte müssen wir uns stärker einschalten. Mit der Verabschiedung des Gesundheitsreformgesetzes wird der Prozess ja nicht zu Ende sein, sondern man wird nacharbeiten müssen, weil alle unzufrieden sind. Da müssen wir uns einschalten. Zum Beispiel, wenn die Krankenkassen durch die Regelungen destabilisiert werden oder der Gesundheitsfonds nicht greift.

Unzufrieden sind schon viele. Ärzte, Krankenschwestern, Apotheker demonstrieren regelmäßig. Können Sie die verstehen?
Bei großen Veränderungen gibt es immer Verunsicherungen. Insofern kann ich die Demonstranten verstehen. Als Senat haben wir aber vor allem dafür zu sorgen, dass die Gesundheitsversorgung und die gesetzliche Krankenversicherung nicht Schaden nehmen. Sollten die Gesetze beschlossen werden, befürchte ich, dass wieder jeder seine eigenen Interessen verfolgt. Aber angesichts des neuen Streits in der Großen Koalition müssen wir ohnehin erst einmal abwarten, was aus den vorgesehenen Gesetzesänderungen wird.

Jetzt werden Sie selbst gefordert sein, um die Interessen der Nichtraucher zu vertreten. Finden Sie es richtig, dass die Länder ihre eigenen Regelungen beim Nichtraucherschutz treffen sollen?
Insellösungen, die für jedes Bundesland anders sind, halte ich nicht für sinnvoll. Da allerdings ein bundesweites Gesetz nicht in Sicht ist, werden wir in Berlin im nächsten Jahr ein Nichtraucherschutzgesetz für öffentliche Gebäude, Krankenhäuser und Gaststätten erlassen.

Wie soll der nicht vom Nikotin abhängige Teil der Hauptstädter künftig vor den Gefahren des Qualmens bewahrt werden?
Nichtraucherschutz für Gäste und Beschäftigte hat nur dann einen Sinn, wenn er konsequent ist. Da bieten sich verschiedene Modelle an: Vom totalen Rauchverbot im öffentlichen Raum bis zu separaten Raucherzonen. Ausnahmen vom Rauchverbot, wie sie die gescheiterte bundeseinheitliche Regelung für Bars und Kneipen vorgesehen hatte, sollte es nicht geben.

Würden Sie selbst denn als Raucherin noch eine Gaststätte betreten, in der Rauchverbot herrscht?
Natürlich. Ich muss ja nicht permanent rauchen, wie Sie gerade sehen. Rauchfreie Dienstgebäude erschrecken mich ebenso wenig wie rauchfreie Gaststätten. Ich rauche dann eben vor der Tür.

Gesundheitssenatorin und Rauchen – das passt eigentlich nicht so richtig zusammen. Wann hören sie auf?
Da ich keine Misserfolge mag, werde ich mich jetzt nicht festlegen.

Was war Ihre erste Amtshandlung?
Ich habe eine Verordnung über das Halten von gefährlichen Tieren wild lebender Arten unterschrieben.

Apropos Tiere: Sind Sie ein Arbeitstier?
Nein, so würde ich mich nicht bezeichnen, das hat so etwas Unfreundliches. Ich arbeite effektiv, denke ich, auch nicht zu wenig, aber ich nehme mir auch gern Zeit für etwas anderes.

Befürchten Sie nicht, dass diese Zeit jetzt knapper wird?
Ich habe natürlich keinen Acht-Stundentag, aber ich komme noch zum Schlafen. Nur wer gut lebt, kann auch gut arbeiten.

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